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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Der Htand des Balkanproblems
Chr. D. Pflaum von in

I^ZMF' !^W?er Kern des Balkanproblems ist immer noch Mazedonien. Auf
Mazedonien beziehen sich die Gegensätze der autonomen Valkcm-
staaten. In Mazedonien spielen die weitaus meisten Schand¬
taten der nationalistischen Banden. Mazedonien ist das kon¬
kreteste, wo nicht das einzige konkrete Thema gewesen, das die
zahlreichen Zusammenkünfte von Souveränen und Ministern der Großmächte
in jüngster Zeit bestimmt hat. Mazedonien ist die Stelle, von der aus die
Türkei mit gutem Grunde die Geführdung ihrer Existenz am meisten fürchtet.

Im Frühjahr 1902 hatten die bulgarischen Komitatschis strategisch wichtige
Brücken und Viadukte mit Dynamik gesprengt, Explosivgeschosse in türkische
Truppenabteilungen geworfen und mancherlei andre Gewalttätigkeiten in Maze¬
donien begangen, die in letzter Linie ein Einschreiten der Großmächte herbei¬
führen sollten. Der Plan gelang. Zwischen Österreich und Rußland war
schon im Jahre 1897 ein Einvernehmen zustande gekommen, dessen Grund¬
lage die beiderseitige Verpflichtung zum äösintöi-ssscansnt, die beiderseitige Ent¬
haltung von jeder territorialen Besetzung, aber auch die beiderseitige Ent¬
schließung zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des territorialen und
politischen stg.w8 ano auf dem Balkan war. Österreich und Nußland ver¬
ständigten sich nun zu Ende 1902 über bestimmte Maßnahmen administrativer
Natur, die Frieden und Ruhe unter den balkanischen Nationalitäten herstellen
sollten, ohne zugleich die Autorität des Sultans seinen Untertanen gegenüber
ernstlich zu schmälern; es handelte sich hier im einzelnen um die Ausführung
von Reformen in den Vilajets Salonichi, Kossowo und Monastir, und zwar
um die mindestens dreijährige Amtsdauer und die direkte Verfügungsgewalt
über türkische Truppen des von der Türkei schon bestellten, den Valis der
drei Vilajets übergeordneten Generalgouverneurs, um Berufung ausländischer
Spezialisten zur Einrichtung und Leitung von Polizei und Gendarmerie, um
eine ihrem Anteil am Bevölkerungskontingent entsprechend zahlreiche Aufnahme


Grenzboten IV 1907 S


Der Htand des Balkanproblems
Chr. D. Pflaum von in

I^ZMF' !^W?er Kern des Balkanproblems ist immer noch Mazedonien. Auf
Mazedonien beziehen sich die Gegensätze der autonomen Valkcm-
staaten. In Mazedonien spielen die weitaus meisten Schand¬
taten der nationalistischen Banden. Mazedonien ist das kon¬
kreteste, wo nicht das einzige konkrete Thema gewesen, das die
zahlreichen Zusammenkünfte von Souveränen und Ministern der Großmächte
in jüngster Zeit bestimmt hat. Mazedonien ist die Stelle, von der aus die
Türkei mit gutem Grunde die Geführdung ihrer Existenz am meisten fürchtet.

Im Frühjahr 1902 hatten die bulgarischen Komitatschis strategisch wichtige
Brücken und Viadukte mit Dynamik gesprengt, Explosivgeschosse in türkische
Truppenabteilungen geworfen und mancherlei andre Gewalttätigkeiten in Maze¬
donien begangen, die in letzter Linie ein Einschreiten der Großmächte herbei¬
führen sollten. Der Plan gelang. Zwischen Österreich und Rußland war
schon im Jahre 1897 ein Einvernehmen zustande gekommen, dessen Grund¬
lage die beiderseitige Verpflichtung zum äösintöi-ssscansnt, die beiderseitige Ent¬
haltung von jeder territorialen Besetzung, aber auch die beiderseitige Ent¬
schließung zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des territorialen und
politischen stg.w8 ano auf dem Balkan war. Österreich und Nußland ver¬
ständigten sich nun zu Ende 1902 über bestimmte Maßnahmen administrativer
Natur, die Frieden und Ruhe unter den balkanischen Nationalitäten herstellen
sollten, ohne zugleich die Autorität des Sultans seinen Untertanen gegenüber
ernstlich zu schmälern; es handelte sich hier im einzelnen um die Ausführung
von Reformen in den Vilajets Salonichi, Kossowo und Monastir, und zwar
um die mindestens dreijährige Amtsdauer und die direkte Verfügungsgewalt
über türkische Truppen des von der Türkei schon bestellten, den Valis der
drei Vilajets übergeordneten Generalgouverneurs, um Berufung ausländischer
Spezialisten zur Einrichtung und Leitung von Polizei und Gendarmerie, um
eine ihrem Anteil am Bevölkerungskontingent entsprechend zahlreiche Aufnahme


Grenzboten IV 1907 S
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[0065] [Abbildung] Der Htand des Balkanproblems Chr. D. Pflaum von in I^ZMF' !^W?er Kern des Balkanproblems ist immer noch Mazedonien. Auf Mazedonien beziehen sich die Gegensätze der autonomen Valkcm- staaten. In Mazedonien spielen die weitaus meisten Schand¬ taten der nationalistischen Banden. Mazedonien ist das kon¬ kreteste, wo nicht das einzige konkrete Thema gewesen, das die zahlreichen Zusammenkünfte von Souveränen und Ministern der Großmächte in jüngster Zeit bestimmt hat. Mazedonien ist die Stelle, von der aus die Türkei mit gutem Grunde die Geführdung ihrer Existenz am meisten fürchtet. Im Frühjahr 1902 hatten die bulgarischen Komitatschis strategisch wichtige Brücken und Viadukte mit Dynamik gesprengt, Explosivgeschosse in türkische Truppenabteilungen geworfen und mancherlei andre Gewalttätigkeiten in Maze¬ donien begangen, die in letzter Linie ein Einschreiten der Großmächte herbei¬ führen sollten. Der Plan gelang. Zwischen Österreich und Rußland war schon im Jahre 1897 ein Einvernehmen zustande gekommen, dessen Grund¬ lage die beiderseitige Verpflichtung zum äösintöi-ssscansnt, die beiderseitige Ent¬ haltung von jeder territorialen Besetzung, aber auch die beiderseitige Ent¬ schließung zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des territorialen und politischen stg.w8 ano auf dem Balkan war. Österreich und Nußland ver¬ ständigten sich nun zu Ende 1902 über bestimmte Maßnahmen administrativer Natur, die Frieden und Ruhe unter den balkanischen Nationalitäten herstellen sollten, ohne zugleich die Autorität des Sultans seinen Untertanen gegenüber ernstlich zu schmälern; es handelte sich hier im einzelnen um die Ausführung von Reformen in den Vilajets Salonichi, Kossowo und Monastir, und zwar um die mindestens dreijährige Amtsdauer und die direkte Verfügungsgewalt über türkische Truppen des von der Türkei schon bestellten, den Valis der drei Vilajets übergeordneten Generalgouverneurs, um Berufung ausländischer Spezialisten zur Einrichtung und Leitung von Polizei und Gendarmerie, um eine ihrem Anteil am Bevölkerungskontingent entsprechend zahlreiche Aufnahme Grenzboten IV 1907 S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/65>, abgerufen am 26.05.2024.