Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.Über militärische Ehrengerichte in kürzlich in Berlin vorgekommner Fall, der zu einem ehren¬ Es soll hier keineswegs erörtert werden, ob der ehrengerichtliche Spruch, Grenzboten IV 1908, 76
Über militärische Ehrengerichte in kürzlich in Berlin vorgekommner Fall, der zu einem ehren¬ Es soll hier keineswegs erörtert werden, ob der ehrengerichtliche Spruch, Grenzboten IV 1908, 76
<TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310980"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341887_310410/figures/grenzboten_341887_310410_310980_000.jpg"/><lb/> <div n="1"> <head> Über militärische Ehrengerichte</head><lb/> <p xml:id="ID_2998"> in kürzlich in Berlin vorgekommner Fall, der zu einem ehren¬<lb/> gerichtlichen Verfahren gegen einen jungen Offizier geführt hat,<lb/> ist vielfach in der Presse besprochen worden und hat hier und<lb/> da zu recht abfälligen Urteilen über die militärischen Ehren¬<lb/> gerichte und die in diesen zum Ausdruck kommende Standesehre<lb/> der Offiziere Veranlassung gegeben. Der Fall lag so, daß ein Leutnant, der<lb/> l« Zivilkleidern die Berliner Straßenbahn benützte, ohne sein Verschulden von<lb/> einem ihm unbekannten Menschen in grober Weise laeues beleidigt wurde.<lb/> Der Offizier, der hierfür eine Genugtuung nicht erlangt hat oder nicht er¬<lb/> langen konnte, ist, wie die Zeitungen mitteilten, mit schlichtem Abschied ent¬<lb/> lassen worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2999" next="#ID_3000"> Es soll hier keineswegs erörtert werden, ob der ehrengerichtliche Spruch,<lb/> zu dieser Verabschiedung geführt hat, als gerecht oder ungerecht anzusehen<lb/> ist. Es ist eine sehr mißliche Aufgabe — leider wird sie aber recht oft unter¬<lb/> nommen —, ein richterliches Urteil zu kritisieren, wenn man nicht alle Einzel¬<lb/> heiten des Falles genau kennt. Nur das sei bemerkt, daß im allgemeinen der<lb/> Offizier für verpflichtet gilt, sich für einen endlichen Angriff, der ihm wider¬<lb/> fährt, entweder auf der Stelle Genugtuung zu verschaffen oder den Angreifer<lb/> zum Zweikampf zu fordern. Hierüber mag ja mancher den Kopf schütteln<lb/> "der so etwas ein törichtes Überbleibsel mittelalterlichen Geistes schelten, jeden¬<lb/> falls hat sich die Erziehung zu diesem Ehrbegriff im deutschen Offizierkorps<lb/> durchaus bewährt, und auch heutzutage ist diese Auffassung im Offizierkorps<lb/> durchaus lebendig und wirksam. Wem sie nicht paßt, und wer kein Verständnis<lb/> für sie hat, dem kann nur geraten werden, dem Offizierberuf fernzubleiben<lb/> und seine Söhne davon fernzuhalten. Die Öffentlichkeit hat an dieser Frage<lb/> uur insoweit Interesse, als jeder ruhige Bürger davor gesichert sein muß,<lb/> wider seinen Willen und ohne sein Verschulden in Konflikte mit Offizieren<lb/> verwickelt zu werden, die etwa durch deren besondre Standes- und Ehren¬<lb/> pflichten hervorgerufen werden könnten. Davor ist aber jeder durchaus sicher.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1908, 76</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0569]
[Abbildung]
Über militärische Ehrengerichte
in kürzlich in Berlin vorgekommner Fall, der zu einem ehren¬
gerichtlichen Verfahren gegen einen jungen Offizier geführt hat,
ist vielfach in der Presse besprochen worden und hat hier und
da zu recht abfälligen Urteilen über die militärischen Ehren¬
gerichte und die in diesen zum Ausdruck kommende Standesehre
der Offiziere Veranlassung gegeben. Der Fall lag so, daß ein Leutnant, der
l« Zivilkleidern die Berliner Straßenbahn benützte, ohne sein Verschulden von
einem ihm unbekannten Menschen in grober Weise laeues beleidigt wurde.
Der Offizier, der hierfür eine Genugtuung nicht erlangt hat oder nicht er¬
langen konnte, ist, wie die Zeitungen mitteilten, mit schlichtem Abschied ent¬
lassen worden.
Es soll hier keineswegs erörtert werden, ob der ehrengerichtliche Spruch,
zu dieser Verabschiedung geführt hat, als gerecht oder ungerecht anzusehen
ist. Es ist eine sehr mißliche Aufgabe — leider wird sie aber recht oft unter¬
nommen —, ein richterliches Urteil zu kritisieren, wenn man nicht alle Einzel¬
heiten des Falles genau kennt. Nur das sei bemerkt, daß im allgemeinen der
Offizier für verpflichtet gilt, sich für einen endlichen Angriff, der ihm wider¬
fährt, entweder auf der Stelle Genugtuung zu verschaffen oder den Angreifer
zum Zweikampf zu fordern. Hierüber mag ja mancher den Kopf schütteln
"der so etwas ein törichtes Überbleibsel mittelalterlichen Geistes schelten, jeden¬
falls hat sich die Erziehung zu diesem Ehrbegriff im deutschen Offizierkorps
durchaus bewährt, und auch heutzutage ist diese Auffassung im Offizierkorps
durchaus lebendig und wirksam. Wem sie nicht paßt, und wer kein Verständnis
für sie hat, dem kann nur geraten werden, dem Offizierberuf fernzubleiben
und seine Söhne davon fernzuhalten. Die Öffentlichkeit hat an dieser Frage
uur insoweit Interesse, als jeder ruhige Bürger davor gesichert sein muß,
wider seinen Willen und ohne sein Verschulden in Konflikte mit Offizieren
verwickelt zu werden, die etwa durch deren besondre Standes- und Ehren¬
pflichten hervorgerufen werden könnten. Davor ist aber jeder durchaus sicher.
Grenzboten IV 1908, 76
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |