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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Äer befestigte Grenzschutz Serbiens n"d Montenegros gegen Ästerreich

katholischen Bekenntnisseswohl aber strcngkirchlicher Richtung. Man denkt
dabei Wohl an den jetzigen Ministerialdirektor Schwartzkopf. Diese Bedingung
mag vielen sehr bedenklich erscheinen, aber sie bedeutet für die gegenwärtigen
Verhältnisse der preußischen Staatsregierung immerhin nichts unerfüllbares.

Man vergleiche damit die Opfer, die die Liberalen von der Regierung
verlangen! verfassungsrechtliche Zugeständnisse größern Umfangs, im Reich
konstitutionelle Garantien, in Preußen eine radikale Wahlrechtsreform. Und
selbst wenn diese Opfer gebracht würden, so wäre" keinerlei wirkliche Garantien
für das Zustandekommen einer wirksamen Reichsfinanzreform ans dauerhafter
Grundlage gegeben.

So sieht die Lage wirklich aus; sie enthält also Gefahren genug, wenn
die Liberalen nicht bald den Weg zu einer Verständigung im Sinne positiver
Mitarbeit finden. Gewiß wird sich Fürst Bülow nicht leichten Herzens zu
einer Änderung seiner politischen Taktik entschließen, aber er kann dazu ge¬
nötigt werden, wenn der Liberalismus die Bedeutung der Stunde verkennt.
Die herrschende oder wenigstens der Herrschaft nahe kommende Stellung des
Zentrums in Süddeutschland kann nur die Versuchung verstärken, durch Aus¬
söhnung mit dem Zentrum der Reichspolitik manches Hindernis aus dem
Wege zu räumen. Hoffentlich kommt es nicht so weit.




Der befestigte Grenzschutz Serbiens und Montenegros
gegen Österreich

crbicu hat nach seiner geographischen Lage mit drei Kriegsfällen
zu rechnen, mit einem Kriege an der Nord- und Westgrenze
gegen Österreich-Ungarn, mit einem Kriege an seiner Ostgrenze
gegen Bulgarien und einem Kriege an seiner Sttdgrcnze mit der
Türkei. Demnach läßt sich sein Befestigungssystem in die Be¬
festigungen an der Donau, in die an der Ostgrenze und in die an der Süd-
front scheiden. In diesem Augenblick, wo die gespannten Beziehungen zwischen
Serbien und Österreich-Ungarn nahezu ihren Höhepunkt erreicht haben, handelt
^ sich nur um die fortifikatorischer Anlagen an der Donau. Es muß voraus¬
geschickt werde", daß permanente Befestigungen im modernen Sinne überhaupt
acht bestehn. In den letzten Jahren ist man daran gegangen, Pirol, Zajecar
u"d Risch nach Art verschanzter Lager auszubauen. Diese Werke bestehn meist
"us starken Erdlünctten mit Auszügen bis zu 4,5 Metern, Gräben von 4 bis
8 Metern Breite und 4 Metern Tiefe. Die ältern permanenten Befestigungen
stammen aus der Zeit der altserbischeu, der altösterreichischen und der türkischen
Herrschaft und werden zum größten Teile überhaupt nicht erhalten. Dagegen


Grenzboten IV 190? 33
Äer befestigte Grenzschutz Serbiens n»d Montenegros gegen Ästerreich

katholischen Bekenntnisseswohl aber strcngkirchlicher Richtung. Man denkt
dabei Wohl an den jetzigen Ministerialdirektor Schwartzkopf. Diese Bedingung
mag vielen sehr bedenklich erscheinen, aber sie bedeutet für die gegenwärtigen
Verhältnisse der preußischen Staatsregierung immerhin nichts unerfüllbares.

Man vergleiche damit die Opfer, die die Liberalen von der Regierung
verlangen! verfassungsrechtliche Zugeständnisse größern Umfangs, im Reich
konstitutionelle Garantien, in Preußen eine radikale Wahlrechtsreform. Und
selbst wenn diese Opfer gebracht würden, so wäre» keinerlei wirkliche Garantien
für das Zustandekommen einer wirksamen Reichsfinanzreform ans dauerhafter
Grundlage gegeben.

So sieht die Lage wirklich aus; sie enthält also Gefahren genug, wenn
die Liberalen nicht bald den Weg zu einer Verständigung im Sinne positiver
Mitarbeit finden. Gewiß wird sich Fürst Bülow nicht leichten Herzens zu
einer Änderung seiner politischen Taktik entschließen, aber er kann dazu ge¬
nötigt werden, wenn der Liberalismus die Bedeutung der Stunde verkennt.
Die herrschende oder wenigstens der Herrschaft nahe kommende Stellung des
Zentrums in Süddeutschland kann nur die Versuchung verstärken, durch Aus¬
söhnung mit dem Zentrum der Reichspolitik manches Hindernis aus dem
Wege zu räumen. Hoffentlich kommt es nicht so weit.




Der befestigte Grenzschutz Serbiens und Montenegros
gegen Österreich

crbicu hat nach seiner geographischen Lage mit drei Kriegsfällen
zu rechnen, mit einem Kriege an der Nord- und Westgrenze
gegen Österreich-Ungarn, mit einem Kriege an seiner Ostgrenze
gegen Bulgarien und einem Kriege an seiner Sttdgrcnze mit der
Türkei. Demnach läßt sich sein Befestigungssystem in die Be¬
festigungen an der Donau, in die an der Ostgrenze und in die an der Süd-
front scheiden. In diesem Augenblick, wo die gespannten Beziehungen zwischen
Serbien und Österreich-Ungarn nahezu ihren Höhepunkt erreicht haben, handelt
^ sich nur um die fortifikatorischer Anlagen an der Donau. Es muß voraus¬
geschickt werde«, daß permanente Befestigungen im modernen Sinne überhaupt
acht bestehn. In den letzten Jahren ist man daran gegangen, Pirol, Zajecar
u»d Risch nach Art verschanzter Lager auszubauen. Diese Werke bestehn meist
"us starken Erdlünctten mit Auszügen bis zu 4,5 Metern, Gräben von 4 bis
8 Metern Breite und 4 Metern Tiefe. Die ältern permanenten Befestigungen
stammen aus der Zeit der altserbischeu, der altösterreichischen und der türkischen
Herrschaft und werden zum größten Teile überhaupt nicht erhalten. Dagegen


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[0625] Äer befestigte Grenzschutz Serbiens n»d Montenegros gegen Ästerreich katholischen Bekenntnisseswohl aber strcngkirchlicher Richtung. Man denkt dabei Wohl an den jetzigen Ministerialdirektor Schwartzkopf. Diese Bedingung mag vielen sehr bedenklich erscheinen, aber sie bedeutet für die gegenwärtigen Verhältnisse der preußischen Staatsregierung immerhin nichts unerfüllbares. Man vergleiche damit die Opfer, die die Liberalen von der Regierung verlangen! verfassungsrechtliche Zugeständnisse größern Umfangs, im Reich konstitutionelle Garantien, in Preußen eine radikale Wahlrechtsreform. Und selbst wenn diese Opfer gebracht würden, so wäre» keinerlei wirkliche Garantien für das Zustandekommen einer wirksamen Reichsfinanzreform ans dauerhafter Grundlage gegeben. So sieht die Lage wirklich aus; sie enthält also Gefahren genug, wenn die Liberalen nicht bald den Weg zu einer Verständigung im Sinne positiver Mitarbeit finden. Gewiß wird sich Fürst Bülow nicht leichten Herzens zu einer Änderung seiner politischen Taktik entschließen, aber er kann dazu ge¬ nötigt werden, wenn der Liberalismus die Bedeutung der Stunde verkennt. Die herrschende oder wenigstens der Herrschaft nahe kommende Stellung des Zentrums in Süddeutschland kann nur die Versuchung verstärken, durch Aus¬ söhnung mit dem Zentrum der Reichspolitik manches Hindernis aus dem Wege zu räumen. Hoffentlich kommt es nicht so weit. Der befestigte Grenzschutz Serbiens und Montenegros gegen Österreich crbicu hat nach seiner geographischen Lage mit drei Kriegsfällen zu rechnen, mit einem Kriege an der Nord- und Westgrenze gegen Österreich-Ungarn, mit einem Kriege an seiner Ostgrenze gegen Bulgarien und einem Kriege an seiner Sttdgrcnze mit der Türkei. Demnach läßt sich sein Befestigungssystem in die Be¬ festigungen an der Donau, in die an der Ostgrenze und in die an der Süd- front scheiden. In diesem Augenblick, wo die gespannten Beziehungen zwischen Serbien und Österreich-Ungarn nahezu ihren Höhepunkt erreicht haben, handelt ^ sich nur um die fortifikatorischer Anlagen an der Donau. Es muß voraus¬ geschickt werde«, daß permanente Befestigungen im modernen Sinne überhaupt acht bestehn. In den letzten Jahren ist man daran gegangen, Pirol, Zajecar u»d Risch nach Art verschanzter Lager auszubauen. Diese Werke bestehn meist "us starken Erdlünctten mit Auszügen bis zu 4,5 Metern, Gräben von 4 bis 8 Metern Breite und 4 Metern Tiefe. Die ältern permanenten Befestigungen stammen aus der Zeit der altserbischeu, der altösterreichischen und der türkischen Herrschaft und werden zum größten Teile überhaupt nicht erhalten. Dagegen Grenzboten IV 190? 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/625>, abgerufen am 03.05.2024.