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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Früchte der Hardenxrozesse

er zweite Prozeß gegen Maximilian Harden ist am 3. Januar
zu Ende gegangen und hat mit einem dem Resultat des ersten
geradezu entgegengesetzten Urteil abgeschlossen, mit dem Urteil, das
rechtskundige unbefangne Männer gleich bei der Privatklage des
Grafen Moltke erwarten mußten und erwartet haben. Damit ist
diese vanss svÄnäaleuse, die zu einer großen politischen Aktion aufgebauscht
worden war, in juristischem Sinne aus der Welt geschafft, aber keineswegs in
sittlichem und politischem Sinne; vielmehr ist der Geschichte des deutschen
Journalismus ein unsauberes, beschämendes Blatt eingeheftet worden, und
lange noch werden sich die schädlichen Nachwirkungen dieser Verhandlungen, die
wie eine Tragödie mit tragischen Pathos anhoben und mit einer kläglichen
Komödie der Irrungen schlössen, geltend machen.

Wie ist das zustande gekommen? Der gewandte, rücksichtslose und geist-
reichelnde Journalist, der in seiner Wochenschrift die Rolle des öffentlichen
Sittenrichters und Anklägers übernommen hatte, hat auch hier seine eigne,
höchst persönliche Art entfaltet, die deutschem Wesen wenig entspricht, also
jedem echten deutschen Manne unsympathisch sein müßte, die aber bei der poli¬
tischen Unreife und der Neigung des Publikums, sich durch eine geschickte Mache
blenden zu lassen, doch zuweilen höchst wirksam ist. Er liebt es, in geheimnis¬
vollen Andeutungen von wichtigen Dingen zu reden, die auf eine tiefe, durch
die intimsten Beziehungen, auf Hintertreppen und durch Hintertüren erworbne
Kenntnis schließen lassen, allen möglichen Vermutungen Raum geben und doch
unter Umständen auch ganz harmlos gedeutet werden können. Er pflegt, alles
auf persönliche Interessen, Schiebungen und Ränke zurückzuführen, eine klein¬
liche und darum falsche Auffassung, die von der echt kritischen und historischen
weit entfernt ist. Es geniert ihn auch gar nicht, zum Beispiel als Ersatzmann
für einen wichtigen Posten mit der größten Bestimmtheit einen Mann zu nennen,
der niemals wirklich dafür in Aussicht genommen worden ist, und wenn ein


Grenzboten I 1908 ^


Die Früchte der Hardenxrozesse

er zweite Prozeß gegen Maximilian Harden ist am 3. Januar
zu Ende gegangen und hat mit einem dem Resultat des ersten
geradezu entgegengesetzten Urteil abgeschlossen, mit dem Urteil, das
rechtskundige unbefangne Männer gleich bei der Privatklage des
Grafen Moltke erwarten mußten und erwartet haben. Damit ist
diese vanss svÄnäaleuse, die zu einer großen politischen Aktion aufgebauscht
worden war, in juristischem Sinne aus der Welt geschafft, aber keineswegs in
sittlichem und politischem Sinne; vielmehr ist der Geschichte des deutschen
Journalismus ein unsauberes, beschämendes Blatt eingeheftet worden, und
lange noch werden sich die schädlichen Nachwirkungen dieser Verhandlungen, die
wie eine Tragödie mit tragischen Pathos anhoben und mit einer kläglichen
Komödie der Irrungen schlössen, geltend machen.

Wie ist das zustande gekommen? Der gewandte, rücksichtslose und geist-
reichelnde Journalist, der in seiner Wochenschrift die Rolle des öffentlichen
Sittenrichters und Anklägers übernommen hatte, hat auch hier seine eigne,
höchst persönliche Art entfaltet, die deutschem Wesen wenig entspricht, also
jedem echten deutschen Manne unsympathisch sein müßte, die aber bei der poli¬
tischen Unreife und der Neigung des Publikums, sich durch eine geschickte Mache
blenden zu lassen, doch zuweilen höchst wirksam ist. Er liebt es, in geheimnis¬
vollen Andeutungen von wichtigen Dingen zu reden, die auf eine tiefe, durch
die intimsten Beziehungen, auf Hintertreppen und durch Hintertüren erworbne
Kenntnis schließen lassen, allen möglichen Vermutungen Raum geben und doch
unter Umständen auch ganz harmlos gedeutet werden können. Er pflegt, alles
auf persönliche Interessen, Schiebungen und Ränke zurückzuführen, eine klein¬
liche und darum falsche Auffassung, die von der echt kritischen und historischen
weit entfernt ist. Es geniert ihn auch gar nicht, zum Beispiel als Ersatzmann
für einen wichtigen Posten mit der größten Bestimmtheit einen Mann zu nennen,
der niemals wirklich dafür in Aussicht genommen worden ist, und wenn ein


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[0113] [Abbildung] Die Früchte der Hardenxrozesse er zweite Prozeß gegen Maximilian Harden ist am 3. Januar zu Ende gegangen und hat mit einem dem Resultat des ersten geradezu entgegengesetzten Urteil abgeschlossen, mit dem Urteil, das rechtskundige unbefangne Männer gleich bei der Privatklage des Grafen Moltke erwarten mußten und erwartet haben. Damit ist diese vanss svÄnäaleuse, die zu einer großen politischen Aktion aufgebauscht worden war, in juristischem Sinne aus der Welt geschafft, aber keineswegs in sittlichem und politischem Sinne; vielmehr ist der Geschichte des deutschen Journalismus ein unsauberes, beschämendes Blatt eingeheftet worden, und lange noch werden sich die schädlichen Nachwirkungen dieser Verhandlungen, die wie eine Tragödie mit tragischen Pathos anhoben und mit einer kläglichen Komödie der Irrungen schlössen, geltend machen. Wie ist das zustande gekommen? Der gewandte, rücksichtslose und geist- reichelnde Journalist, der in seiner Wochenschrift die Rolle des öffentlichen Sittenrichters und Anklägers übernommen hatte, hat auch hier seine eigne, höchst persönliche Art entfaltet, die deutschem Wesen wenig entspricht, also jedem echten deutschen Manne unsympathisch sein müßte, die aber bei der poli¬ tischen Unreife und der Neigung des Publikums, sich durch eine geschickte Mache blenden zu lassen, doch zuweilen höchst wirksam ist. Er liebt es, in geheimnis¬ vollen Andeutungen von wichtigen Dingen zu reden, die auf eine tiefe, durch die intimsten Beziehungen, auf Hintertreppen und durch Hintertüren erworbne Kenntnis schließen lassen, allen möglichen Vermutungen Raum geben und doch unter Umständen auch ganz harmlos gedeutet werden können. Er pflegt, alles auf persönliche Interessen, Schiebungen und Ränke zurückzuführen, eine klein¬ liche und darum falsche Auffassung, die von der echt kritischen und historischen weit entfernt ist. Es geniert ihn auch gar nicht, zum Beispiel als Ersatzmann für einen wichtigen Posten mit der größten Bestimmtheit einen Mann zu nennen, der niemals wirklich dafür in Aussicht genommen worden ist, und wenn ein Grenzboten I 1908 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/113>, abgerufen am 04.05.2024.