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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Wahrheit über die deutsche Expansion

"Verlorenen Handschrift" nur eben an. Aber auch er hat geschaffen, was be¬
steht und heute noch so wenig überwunden ist, wie es auf lange Zeit nicht
überwunden werden wird. In der Umgrenzung, die er selbst erkannt hat und
mit einer gewissen Bewußtheit einhielt, ist und bleibt er ein Meister voller
Größe und voller Humor; das behagliche Verhältnis, das er zu seinen Ge¬
stalten hat, hindert ihn nie, sie als Glieder großer Bewegungen zu betrachten,
wie denn jener große Schicksalszug, aus dessen Begreifen heraus der vom
Kriege heimgekehrte die "Ahnen" schuf, schon die Werke der frühern Jahrzehnte
durchdrang und der ganzen Erscheinung den Unterton gab. Wir wollen
Gustav Freytag halten und behalten, ihn unsrer Jugend immer aufs neue
vorlegen, aber nicht nur unsrer Jugend, denn er gehört uns allen. Der
Verlagsbuchhandlung aber, die der neuen Biographie ins Leben half, sei der
Wunsch unterbreitet, sie möge Gustav Freytags Werke endlich auch weiten
Kreisen als Besitz des Hauses zugänglicher machen, durch wohlfeile Ausgaben,
wie sie dem Dichter, der immer ein Freund des kleinen Mannes war, wohl
zukommen.




Die Wahrheit über die deutsche Expansion
Freiherr Speck von Sternburg i Botschaftern der Mi'tK ^.um-inen üsvisw

I ir sind in der Lage, hier eine vollständige Übersetzung des Artikels
"Die Wahrheit über die deutsche Expansion" zu geben, den der
deutsche Botschafter in Washington, Frhr. Speck von Sternbnrg, vor
einigen Tagen in der Mrtli ^inöricM Kevisw veröffentlicht hat:
Immer wieder lese ich in einigen westeuropäischen und auch
amerikanischen Zeitungen, die Unabhängigkeit Hollands und Belgiens, der beiden
kleinen Nachbarreiche des mächtige" Deutschen Reiches, sei durch das angeblich
kriegslustige, unruhige und expansionsgierige Deutschland bedroht. Und auch solche
Politiker, die sich der in die Augen springenden Tatsache nicht verschließen können,
daß der Deutsche Kaiser ein begeisterter Anhänger der Friedensidee ist, daß die
deutschen Regierungen seit 37 Jahren, seit dem großen nationalen Kampfe der
Jahre 1370/71 immer für den Frieden und viel weniger als andre Länder für Ex¬
pansion gewirkt haben, daß das deutsche Volk keinen andern Wunsch hat, als seine
Geschäfte friedlich betreiben zu können -- auch solche Politiker meinen vielfach oder
geben vielfach vor zu meinen, wenn auch die Friedensliebe Deutschlands, wie die Ge¬
schichte seit dem Bestehn des Deutschen Reiches beweise, nicht angezweifelt werden
könne, so würde doch auch ein friedliebendes Deutschland rein durch die Gewalt
der Tatsachen, durch die Logik der Entwicklung selbst über kurz oder lang zu
einer Annexion Hollands und des flämischen Teils von Belgien mit dem Hafen
Antwerpen gezwungen werden. Deutschland hätte, so heißt es dann zumeist,


Die Wahrheit über die deutsche Expansion

„Verlorenen Handschrift" nur eben an. Aber auch er hat geschaffen, was be¬
steht und heute noch so wenig überwunden ist, wie es auf lange Zeit nicht
überwunden werden wird. In der Umgrenzung, die er selbst erkannt hat und
mit einer gewissen Bewußtheit einhielt, ist und bleibt er ein Meister voller
Größe und voller Humor; das behagliche Verhältnis, das er zu seinen Ge¬
stalten hat, hindert ihn nie, sie als Glieder großer Bewegungen zu betrachten,
wie denn jener große Schicksalszug, aus dessen Begreifen heraus der vom
Kriege heimgekehrte die „Ahnen" schuf, schon die Werke der frühern Jahrzehnte
durchdrang und der ganzen Erscheinung den Unterton gab. Wir wollen
Gustav Freytag halten und behalten, ihn unsrer Jugend immer aufs neue
vorlegen, aber nicht nur unsrer Jugend, denn er gehört uns allen. Der
Verlagsbuchhandlung aber, die der neuen Biographie ins Leben half, sei der
Wunsch unterbreitet, sie möge Gustav Freytags Werke endlich auch weiten
Kreisen als Besitz des Hauses zugänglicher machen, durch wohlfeile Ausgaben,
wie sie dem Dichter, der immer ein Freund des kleinen Mannes war, wohl
zukommen.




Die Wahrheit über die deutsche Expansion
Freiherr Speck von Sternburg i Botschaftern der Mi'tK ^.um-inen üsvisw

I ir sind in der Lage, hier eine vollständige Übersetzung des Artikels
„Die Wahrheit über die deutsche Expansion" zu geben, den der
deutsche Botschafter in Washington, Frhr. Speck von Sternbnrg, vor
einigen Tagen in der Mrtli ^inöricM Kevisw veröffentlicht hat:
Immer wieder lese ich in einigen westeuropäischen und auch
amerikanischen Zeitungen, die Unabhängigkeit Hollands und Belgiens, der beiden
kleinen Nachbarreiche des mächtige» Deutschen Reiches, sei durch das angeblich
kriegslustige, unruhige und expansionsgierige Deutschland bedroht. Und auch solche
Politiker, die sich der in die Augen springenden Tatsache nicht verschließen können,
daß der Deutsche Kaiser ein begeisterter Anhänger der Friedensidee ist, daß die
deutschen Regierungen seit 37 Jahren, seit dem großen nationalen Kampfe der
Jahre 1370/71 immer für den Frieden und viel weniger als andre Länder für Ex¬
pansion gewirkt haben, daß das deutsche Volk keinen andern Wunsch hat, als seine
Geschäfte friedlich betreiben zu können — auch solche Politiker meinen vielfach oder
geben vielfach vor zu meinen, wenn auch die Friedensliebe Deutschlands, wie die Ge¬
schichte seit dem Bestehn des Deutschen Reiches beweise, nicht angezweifelt werden
könne, so würde doch auch ein friedliebendes Deutschland rein durch die Gewalt
der Tatsachen, durch die Logik der Entwicklung selbst über kurz oder lang zu
einer Annexion Hollands und des flämischen Teils von Belgien mit dem Hafen
Antwerpen gezwungen werden. Deutschland hätte, so heißt es dann zumeist,


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[0482] Die Wahrheit über die deutsche Expansion „Verlorenen Handschrift" nur eben an. Aber auch er hat geschaffen, was be¬ steht und heute noch so wenig überwunden ist, wie es auf lange Zeit nicht überwunden werden wird. In der Umgrenzung, die er selbst erkannt hat und mit einer gewissen Bewußtheit einhielt, ist und bleibt er ein Meister voller Größe und voller Humor; das behagliche Verhältnis, das er zu seinen Ge¬ stalten hat, hindert ihn nie, sie als Glieder großer Bewegungen zu betrachten, wie denn jener große Schicksalszug, aus dessen Begreifen heraus der vom Kriege heimgekehrte die „Ahnen" schuf, schon die Werke der frühern Jahrzehnte durchdrang und der ganzen Erscheinung den Unterton gab. Wir wollen Gustav Freytag halten und behalten, ihn unsrer Jugend immer aufs neue vorlegen, aber nicht nur unsrer Jugend, denn er gehört uns allen. Der Verlagsbuchhandlung aber, die der neuen Biographie ins Leben half, sei der Wunsch unterbreitet, sie möge Gustav Freytags Werke endlich auch weiten Kreisen als Besitz des Hauses zugänglicher machen, durch wohlfeile Ausgaben, wie sie dem Dichter, der immer ein Freund des kleinen Mannes war, wohl zukommen. Die Wahrheit über die deutsche Expansion Freiherr Speck von Sternburg i Botschaftern der Mi'tK ^.um-inen üsvisw I ir sind in der Lage, hier eine vollständige Übersetzung des Artikels „Die Wahrheit über die deutsche Expansion" zu geben, den der deutsche Botschafter in Washington, Frhr. Speck von Sternbnrg, vor einigen Tagen in der Mrtli ^inöricM Kevisw veröffentlicht hat: Immer wieder lese ich in einigen westeuropäischen und auch amerikanischen Zeitungen, die Unabhängigkeit Hollands und Belgiens, der beiden kleinen Nachbarreiche des mächtige» Deutschen Reiches, sei durch das angeblich kriegslustige, unruhige und expansionsgierige Deutschland bedroht. Und auch solche Politiker, die sich der in die Augen springenden Tatsache nicht verschließen können, daß der Deutsche Kaiser ein begeisterter Anhänger der Friedensidee ist, daß die deutschen Regierungen seit 37 Jahren, seit dem großen nationalen Kampfe der Jahre 1370/71 immer für den Frieden und viel weniger als andre Länder für Ex¬ pansion gewirkt haben, daß das deutsche Volk keinen andern Wunsch hat, als seine Geschäfte friedlich betreiben zu können — auch solche Politiker meinen vielfach oder geben vielfach vor zu meinen, wenn auch die Friedensliebe Deutschlands, wie die Ge¬ schichte seit dem Bestehn des Deutschen Reiches beweise, nicht angezweifelt werden könne, so würde doch auch ein friedliebendes Deutschland rein durch die Gewalt der Tatsachen, durch die Logik der Entwicklung selbst über kurz oder lang zu einer Annexion Hollands und des flämischen Teils von Belgien mit dem Hafen Antwerpen gezwungen werden. Deutschland hätte, so heißt es dann zumeist,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/482>, abgerufen am 04.05.2024.