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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Granada
Klara Finale von

M
Wcum Wir die Gemächer der Alhambra durchwandern, die uns gleichsam
als ein verkörpertes Märchen der Königin Scheheresade erscheinen,
dann können wir es kaum fassen, daß die spanische Nation dieses
Zauberschloß dem Verfall entgegengehn ließ, und daß erst um die
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts mit der Restaurierung be¬
gonnen wurde. Es sah übel genug in den herrlichen Räumen
aus. Niemand bekümmerte sich darum, wer darin hauste. Allerlei Volk trieb
hier sein Wesen, so entweihten Wäscherinnen das Becken im Myrtenhof zum
Waschtrog, und heimatlose Bettler schliefen in den halbverfallnen Prunksälen.
Da endlich entschloß sich die spanische Negierung, durch Aussetzung einer all¬
jährlichen Summe die Erhaltung und Restauration der Alhambra zu ermöglichen.
Es sind zwar nur 12000 Mark, aber das Eintrittsgeld von Tausenden von
Kunstpilgern aus aller Herren Ländern, das noch dazukommt, erreicht schon eine
sehr bedeutende Höhe.

Durch einen langen, dunkeln Gang kommt man vom Palast Karls des
Fünften in den Myrtenhof, der ganz von strahlendem Licht Übergossen ist. Wie
durch den Schlag eines Zanberstabes glauben wir uns in den Orient und um
Jahrhunderte zurückversetzt. Die Mitte des Hofes bildet ein großes Reservoir
in Form eines Parallelogramms, grüne Myrtenhecken fassen es auf beiden Seiten
em. Die reizenden, von je sechs schlanken Marmorsäulen getragnen Galerien,
die reich verzierte Rundbogen tragen, die farbenprächtigen Stuckornameute, die
wie Spitzenvorhünge von den Wänden herabwallen, die zierlichen Gitterfenster
"ut das Widerspiel aller dieser Pracht in dem unbeweglichen Wasser vergegen¬
wärtigen uns die paradiesische Glückseligkeit, die die Schöpfer dieser Stätte hier
empfunden haben mögen. Die Alkoven an den Enden der Scitengalerien zeigen
Stalaktitenwölbungen, arabische Jnsckriften preisen Mohammed den Fünften als
den Erbauer dieses Hofes, den Eroberer von Algeciras, und Verse rühmen die
Güte Gottes.

Fast unbegreiflich will es erscheinen, daß die Skulpturen von Gips, aus
dem die zarten Gebilde der Wandbekleidungen bestehn, der Zeit Widerstand
geleistet haben. Keine Linie ihrer Oberslüche ist verwischt. Allerdings war das
Material von etwas haltbarer Beschaffenheit und scheint eine Art Zement gewesen
zu sein, den man aus einer bei Granada gefundnen Steinart herstellte, die
Pulverisiert wurde. Das im Jahre 1890 im Myrtenhof ausgebrochne Feuer
hat das herrliche Dach der Galerien, ein Mosaik aus Zedernholz mit geome¬
trischen Figuren, zerstört. Es ist, wenn auch nicht sehr glücklich, erneut worden.
Auch die anstoßende Vorhalle zum Comaresturm, Sala de la Barna, brannte
"us. Ihr Tonnengewölbe erinnerte an eine umgekehrte Barke. Unter der
Reihe der schimmernden Gemächer hebe" wir besonders den "Saal der Ge¬
sandten" hervor, der den ganzen Turm einnimmt, und dessen Ornamentik




Granada
Klara Finale von

M
Wcum Wir die Gemächer der Alhambra durchwandern, die uns gleichsam
als ein verkörpertes Märchen der Königin Scheheresade erscheinen,
dann können wir es kaum fassen, daß die spanische Nation dieses
Zauberschloß dem Verfall entgegengehn ließ, und daß erst um die
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts mit der Restaurierung be¬
gonnen wurde. Es sah übel genug in den herrlichen Räumen
aus. Niemand bekümmerte sich darum, wer darin hauste. Allerlei Volk trieb
hier sein Wesen, so entweihten Wäscherinnen das Becken im Myrtenhof zum
Waschtrog, und heimatlose Bettler schliefen in den halbverfallnen Prunksälen.
Da endlich entschloß sich die spanische Negierung, durch Aussetzung einer all¬
jährlichen Summe die Erhaltung und Restauration der Alhambra zu ermöglichen.
Es sind zwar nur 12000 Mark, aber das Eintrittsgeld von Tausenden von
Kunstpilgern aus aller Herren Ländern, das noch dazukommt, erreicht schon eine
sehr bedeutende Höhe.

Durch einen langen, dunkeln Gang kommt man vom Palast Karls des
Fünften in den Myrtenhof, der ganz von strahlendem Licht Übergossen ist. Wie
durch den Schlag eines Zanberstabes glauben wir uns in den Orient und um
Jahrhunderte zurückversetzt. Die Mitte des Hofes bildet ein großes Reservoir
in Form eines Parallelogramms, grüne Myrtenhecken fassen es auf beiden Seiten
em. Die reizenden, von je sechs schlanken Marmorsäulen getragnen Galerien,
die reich verzierte Rundbogen tragen, die farbenprächtigen Stuckornameute, die
wie Spitzenvorhünge von den Wänden herabwallen, die zierlichen Gitterfenster
"ut das Widerspiel aller dieser Pracht in dem unbeweglichen Wasser vergegen¬
wärtigen uns die paradiesische Glückseligkeit, die die Schöpfer dieser Stätte hier
empfunden haben mögen. Die Alkoven an den Enden der Scitengalerien zeigen
Stalaktitenwölbungen, arabische Jnsckriften preisen Mohammed den Fünften als
den Erbauer dieses Hofes, den Eroberer von Algeciras, und Verse rühmen die
Güte Gottes.

Fast unbegreiflich will es erscheinen, daß die Skulpturen von Gips, aus
dem die zarten Gebilde der Wandbekleidungen bestehn, der Zeit Widerstand
geleistet haben. Keine Linie ihrer Oberslüche ist verwischt. Allerdings war das
Material von etwas haltbarer Beschaffenheit und scheint eine Art Zement gewesen
zu sein, den man aus einer bei Granada gefundnen Steinart herstellte, die
Pulverisiert wurde. Das im Jahre 1890 im Myrtenhof ausgebrochne Feuer
hat das herrliche Dach der Galerien, ein Mosaik aus Zedernholz mit geome¬
trischen Figuren, zerstört. Es ist, wenn auch nicht sehr glücklich, erneut worden.
Auch die anstoßende Vorhalle zum Comaresturm, Sala de la Barna, brannte
"us. Ihr Tonnengewölbe erinnerte an eine umgekehrte Barke. Unter der
Reihe der schimmernden Gemächer hebe» wir besonders den „Saal der Ge¬
sandten" hervor, der den ganzen Turm einnimmt, und dessen Ornamentik


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[0489] [Abbildung] Granada Klara Finale von M Wcum Wir die Gemächer der Alhambra durchwandern, die uns gleichsam als ein verkörpertes Märchen der Königin Scheheresade erscheinen, dann können wir es kaum fassen, daß die spanische Nation dieses Zauberschloß dem Verfall entgegengehn ließ, und daß erst um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts mit der Restaurierung be¬ gonnen wurde. Es sah übel genug in den herrlichen Räumen aus. Niemand bekümmerte sich darum, wer darin hauste. Allerlei Volk trieb hier sein Wesen, so entweihten Wäscherinnen das Becken im Myrtenhof zum Waschtrog, und heimatlose Bettler schliefen in den halbverfallnen Prunksälen. Da endlich entschloß sich die spanische Negierung, durch Aussetzung einer all¬ jährlichen Summe die Erhaltung und Restauration der Alhambra zu ermöglichen. Es sind zwar nur 12000 Mark, aber das Eintrittsgeld von Tausenden von Kunstpilgern aus aller Herren Ländern, das noch dazukommt, erreicht schon eine sehr bedeutende Höhe. Durch einen langen, dunkeln Gang kommt man vom Palast Karls des Fünften in den Myrtenhof, der ganz von strahlendem Licht Übergossen ist. Wie durch den Schlag eines Zanberstabes glauben wir uns in den Orient und um Jahrhunderte zurückversetzt. Die Mitte des Hofes bildet ein großes Reservoir in Form eines Parallelogramms, grüne Myrtenhecken fassen es auf beiden Seiten em. Die reizenden, von je sechs schlanken Marmorsäulen getragnen Galerien, die reich verzierte Rundbogen tragen, die farbenprächtigen Stuckornameute, die wie Spitzenvorhünge von den Wänden herabwallen, die zierlichen Gitterfenster "ut das Widerspiel aller dieser Pracht in dem unbeweglichen Wasser vergegen¬ wärtigen uns die paradiesische Glückseligkeit, die die Schöpfer dieser Stätte hier empfunden haben mögen. Die Alkoven an den Enden der Scitengalerien zeigen Stalaktitenwölbungen, arabische Jnsckriften preisen Mohammed den Fünften als den Erbauer dieses Hofes, den Eroberer von Algeciras, und Verse rühmen die Güte Gottes. Fast unbegreiflich will es erscheinen, daß die Skulpturen von Gips, aus dem die zarten Gebilde der Wandbekleidungen bestehn, der Zeit Widerstand geleistet haben. Keine Linie ihrer Oberslüche ist verwischt. Allerdings war das Material von etwas haltbarer Beschaffenheit und scheint eine Art Zement gewesen zu sein, den man aus einer bei Granada gefundnen Steinart herstellte, die Pulverisiert wurde. Das im Jahre 1890 im Myrtenhof ausgebrochne Feuer hat das herrliche Dach der Galerien, ein Mosaik aus Zedernholz mit geome¬ trischen Figuren, zerstört. Es ist, wenn auch nicht sehr glücklich, erneut worden. Auch die anstoßende Vorhalle zum Comaresturm, Sala de la Barna, brannte "us. Ihr Tonnengewölbe erinnerte an eine umgekehrte Barke. Unter der Reihe der schimmernden Gemächer hebe» wir besonders den „Saal der Ge¬ sandten" hervor, der den ganzen Turm einnimmt, und dessen Ornamentik

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/489>, abgerufen am 04.05.2024.