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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die asiatische Linwandrung

/MW-in Memorandum der Kolonie Victoria, in der sich die Chinesen
von 2000 im Jahre 1854 auf 42000 im Jahre 1859 vermehrten,
betont eine andre Seite der Frage mehr, indem es sagt: An¬
gehörige der europäischen Völkerschaften, die in unser Gemein¬
wesen treten, mischen sich mit der allgemeinen Bevölkerung; sie
bringen ihre Frauen und Kinder mit sich; ihre Lebensgewohnheiten, ihre
Zivilisation, ihre Religion. Sitten und ihre physische Beschaffenheit gleichen so
sehr der unsrigen. daß es eine natürliche und glückliche Mischung wird, sie sind
uns deshalb sehr willkommen.

Der Chinese dagegen steht zu uns in scharfem Kontrast, er kommt ohne
Frau und Kinder, anscheinend ohne die Absicht, sich niederzulassen; in den
Gemeinden, wo er sich niederläßt, führt er ein abgesondertes Dasein Das
..Chinesenviertel" in unsern Städten ist sprichwörtlich geworden, es ist stets
abgesondert und meist berüchtigt! Es ist weniger die Tatsache dieser Isolierung,
sondern mehr die Unmöglichkeit, daß es anders sein und werden kann, die uns
abschreckt. Sie sind nicht nur eine fremde Rasse, sondern sie bleiben es. So
kann man von keiner Kolonisation im guten Sinne des Wortes sprechen, sondern
von einer Art friedlicher Invasion von Chinesen in unser Land.

In ganz Australasien stimmte man diesen Ansichten im allgemeinen zu,
die Vorliebe von Queensland für Kanälen und das Verlangen von Teilen
von Westaustralien für Chinesen fielen dabei wenig ins Gewicht bei der Masse
der Kolonisten. Die australasiatische Konferenz, die 1883 in Sydney tagte,
umfaßte Vertreter von Neu-Südwales. Südaustralien. Victoria, Queensland,
Tasmania und Westaustralien. Die Resolutionen, die angenommen wurden,
betonten die absolute Notwendigkeit der äußersten Beschränkung in der Ein-
wandrung von Asiaten im Interesse der Wohlfahrt der australischen Bevölkerung.
Dieses Ziel sollte erreicht werden durch diplomatisches Einschreiten der Regierung
des Mutterlandes und durch gemeinsame und identische Gesetze in den austra¬
lischen Staaten.

Lord Carrington fügte seinem Bericht an die heimische Regierung die
Worte hinzu: "Angesichts der ernsten Krisis fühlte sich die Kolonialregierung
verpflichtet, scharfe und entscheidende Maßnahmen zu ergreifen, um ihre An¬
gehörigen zu schützen; indem sie so handelt, hat die Regierung aber nicht die
britischen Reichsinteressen noch internationale Verpflichtungen aus dem Auge


Grenzbote" II 1908 ^


Die asiatische Linwandrung

/MW-in Memorandum der Kolonie Victoria, in der sich die Chinesen
von 2000 im Jahre 1854 auf 42000 im Jahre 1859 vermehrten,
betont eine andre Seite der Frage mehr, indem es sagt: An¬
gehörige der europäischen Völkerschaften, die in unser Gemein¬
wesen treten, mischen sich mit der allgemeinen Bevölkerung; sie
bringen ihre Frauen und Kinder mit sich; ihre Lebensgewohnheiten, ihre
Zivilisation, ihre Religion. Sitten und ihre physische Beschaffenheit gleichen so
sehr der unsrigen. daß es eine natürliche und glückliche Mischung wird, sie sind
uns deshalb sehr willkommen.

Der Chinese dagegen steht zu uns in scharfem Kontrast, er kommt ohne
Frau und Kinder, anscheinend ohne die Absicht, sich niederzulassen; in den
Gemeinden, wo er sich niederläßt, führt er ein abgesondertes Dasein Das
..Chinesenviertel" in unsern Städten ist sprichwörtlich geworden, es ist stets
abgesondert und meist berüchtigt! Es ist weniger die Tatsache dieser Isolierung,
sondern mehr die Unmöglichkeit, daß es anders sein und werden kann, die uns
abschreckt. Sie sind nicht nur eine fremde Rasse, sondern sie bleiben es. So
kann man von keiner Kolonisation im guten Sinne des Wortes sprechen, sondern
von einer Art friedlicher Invasion von Chinesen in unser Land.

In ganz Australasien stimmte man diesen Ansichten im allgemeinen zu,
die Vorliebe von Queensland für Kanälen und das Verlangen von Teilen
von Westaustralien für Chinesen fielen dabei wenig ins Gewicht bei der Masse
der Kolonisten. Die australasiatische Konferenz, die 1883 in Sydney tagte,
umfaßte Vertreter von Neu-Südwales. Südaustralien. Victoria, Queensland,
Tasmania und Westaustralien. Die Resolutionen, die angenommen wurden,
betonten die absolute Notwendigkeit der äußersten Beschränkung in der Ein-
wandrung von Asiaten im Interesse der Wohlfahrt der australischen Bevölkerung.
Dieses Ziel sollte erreicht werden durch diplomatisches Einschreiten der Regierung
des Mutterlandes und durch gemeinsame und identische Gesetze in den austra¬
lischen Staaten.

Lord Carrington fügte seinem Bericht an die heimische Regierung die
Worte hinzu: „Angesichts der ernsten Krisis fühlte sich die Kolonialregierung
verpflichtet, scharfe und entscheidende Maßnahmen zu ergreifen, um ihre An¬
gehörigen zu schützen; indem sie so handelt, hat die Regierung aber nicht die
britischen Reichsinteressen noch internationale Verpflichtungen aus dem Auge


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[0173] [Abbildung] Die asiatische Linwandrung /MW-in Memorandum der Kolonie Victoria, in der sich die Chinesen von 2000 im Jahre 1854 auf 42000 im Jahre 1859 vermehrten, betont eine andre Seite der Frage mehr, indem es sagt: An¬ gehörige der europäischen Völkerschaften, die in unser Gemein¬ wesen treten, mischen sich mit der allgemeinen Bevölkerung; sie bringen ihre Frauen und Kinder mit sich; ihre Lebensgewohnheiten, ihre Zivilisation, ihre Religion. Sitten und ihre physische Beschaffenheit gleichen so sehr der unsrigen. daß es eine natürliche und glückliche Mischung wird, sie sind uns deshalb sehr willkommen. Der Chinese dagegen steht zu uns in scharfem Kontrast, er kommt ohne Frau und Kinder, anscheinend ohne die Absicht, sich niederzulassen; in den Gemeinden, wo er sich niederläßt, führt er ein abgesondertes Dasein Das ..Chinesenviertel" in unsern Städten ist sprichwörtlich geworden, es ist stets abgesondert und meist berüchtigt! Es ist weniger die Tatsache dieser Isolierung, sondern mehr die Unmöglichkeit, daß es anders sein und werden kann, die uns abschreckt. Sie sind nicht nur eine fremde Rasse, sondern sie bleiben es. So kann man von keiner Kolonisation im guten Sinne des Wortes sprechen, sondern von einer Art friedlicher Invasion von Chinesen in unser Land. In ganz Australasien stimmte man diesen Ansichten im allgemeinen zu, die Vorliebe von Queensland für Kanälen und das Verlangen von Teilen von Westaustralien für Chinesen fielen dabei wenig ins Gewicht bei der Masse der Kolonisten. Die australasiatische Konferenz, die 1883 in Sydney tagte, umfaßte Vertreter von Neu-Südwales. Südaustralien. Victoria, Queensland, Tasmania und Westaustralien. Die Resolutionen, die angenommen wurden, betonten die absolute Notwendigkeit der äußersten Beschränkung in der Ein- wandrung von Asiaten im Interesse der Wohlfahrt der australischen Bevölkerung. Dieses Ziel sollte erreicht werden durch diplomatisches Einschreiten der Regierung des Mutterlandes und durch gemeinsame und identische Gesetze in den austra¬ lischen Staaten. Lord Carrington fügte seinem Bericht an die heimische Regierung die Worte hinzu: „Angesichts der ernsten Krisis fühlte sich die Kolonialregierung verpflichtet, scharfe und entscheidende Maßnahmen zu ergreifen, um ihre An¬ gehörigen zu schützen; indem sie so handelt, hat die Regierung aber nicht die britischen Reichsinteressen noch internationale Verpflichtungen aus dem Auge Grenzbote» II 1908 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/173>, abgerufen am 01.05.2024.