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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Reform unsrer Ureditorganisation

Kompensation für das Verlangen nach Aufhören aller europäischen Erwerbungen
in Amerika: dafür greifen die Vereinigten Staaten auch niemals über ihren
Weltteil hinaus. Das ist völlig hinfällig geworden, denn mit Hawai haben
die Amerikaner ein Stück Australiens, mit den Philippinen ein solches Asiens
erobert. Das findet wohl seine scharfen Tadler, aber ernstlichen Einfluß auf
die Politik haben diese nicht. Die jetzt in der Opposition stehende demokratische
Partei wettert gegen Roosevelts Imperialismus, gegen die auf den Philippinen
begangnen Grausamkeiten, gegen die Kosten, sie verlangt Verzicht oder Verkauf;
wenn sie jedoch in den Besitz der Macht kommt, hütet sie sich, solches aus¬
zuführen.




Reform unsrer Kreditorganisation

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A^-A>le ungewöhnliche Anspannung auf dem deutschen Geldmarkte ist
die Veranlassung gewesen, daß im Dezember vorigen Jahres an
verschiednen ausländischen Börsenplätzen Gerüchte ausgestreut und
!von kleinen Hetzblättern, aber auch von einem führenden eng-
Ilischen Fachblatte verbreitet wurden, die die Kreditwürdigkeit
Deutschlands herabsetzen und die Grundlage unsers gesamten Wirtschaftslebens
als ungesund darstellen sollten. Es genügt, diese Ausstreuungen niedriger zu
hängen, zumal wenn wir darauf hinweisen, daß man in Börsenkreisen die Ver¬
anlassung zu diesen Machenschaften zum Teil unsern polnischen Mitbürgern
zuschreibt. Die Anspannung auf den Geldmärkten ist eine internationale, und
der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands hat in den letzten Jahren weiter
unaufhaltsam Fortschritte gemacht, um die uns das Ausland beneidet/') Es
wäre aber falsch, die an Kriegsdiskont erinnernde Höhe des Neichsbankzins-
satzes allein auf die Krisis in Amerika zurückzuführen. Daß die geradezu ver¬
brecherischen Handlungen amerikanischer Trust- und Bankleiter nach dem Zu¬
sammenbruch des schwindelhafter Kreditgebäudes auf Europa zurückwirken
mußten, ist von E. Fitger im Heft 50 der Grenzboten anschaulich dargestellt
worden. Aber auch ohne diese Krisis wäre der Zinsfuß der Neichsbank am
Jahresschluß kaum unter seiner jetzigen Höhe geblieben. Das beweist die auch
nach der Erhöhung auf siebeneinhalb Prozent noch immer zunehmende An¬
spannung des Bankstatus, die hauptsächlich durch Kreditansprüche der heimischen
Volkswirtschaft hervorgerufen ist. Alle bisher veröffentlichten Zahlen, die eine
Beurteilung des Wirtschaftslebens gestatten, lassen ein ununterbrochnes Auf¬
steigen gegenüber dem Vorjahre bis zum Jahresschluß erkennen. Die starke



5) Vgl. hierzu die gemeinverständlichen Kapitel über Kapital, Geld und Kredit, Handels¬
bilanz von Carl Jcntsch in seinen Grundbegriffen und Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre.
Leipzig, Fr. Will). Grunow, 1906^
Reform unsrer Ureditorganisation

Kompensation für das Verlangen nach Aufhören aller europäischen Erwerbungen
in Amerika: dafür greifen die Vereinigten Staaten auch niemals über ihren
Weltteil hinaus. Das ist völlig hinfällig geworden, denn mit Hawai haben
die Amerikaner ein Stück Australiens, mit den Philippinen ein solches Asiens
erobert. Das findet wohl seine scharfen Tadler, aber ernstlichen Einfluß auf
die Politik haben diese nicht. Die jetzt in der Opposition stehende demokratische
Partei wettert gegen Roosevelts Imperialismus, gegen die auf den Philippinen
begangnen Grausamkeiten, gegen die Kosten, sie verlangt Verzicht oder Verkauf;
wenn sie jedoch in den Besitz der Macht kommt, hütet sie sich, solches aus¬
zuführen.




Reform unsrer Kreditorganisation

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A^-A>le ungewöhnliche Anspannung auf dem deutschen Geldmarkte ist
die Veranlassung gewesen, daß im Dezember vorigen Jahres an
verschiednen ausländischen Börsenplätzen Gerüchte ausgestreut und
!von kleinen Hetzblättern, aber auch von einem führenden eng-
Ilischen Fachblatte verbreitet wurden, die die Kreditwürdigkeit
Deutschlands herabsetzen und die Grundlage unsers gesamten Wirtschaftslebens
als ungesund darstellen sollten. Es genügt, diese Ausstreuungen niedriger zu
hängen, zumal wenn wir darauf hinweisen, daß man in Börsenkreisen die Ver¬
anlassung zu diesen Machenschaften zum Teil unsern polnischen Mitbürgern
zuschreibt. Die Anspannung auf den Geldmärkten ist eine internationale, und
der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands hat in den letzten Jahren weiter
unaufhaltsam Fortschritte gemacht, um die uns das Ausland beneidet/') Es
wäre aber falsch, die an Kriegsdiskont erinnernde Höhe des Neichsbankzins-
satzes allein auf die Krisis in Amerika zurückzuführen. Daß die geradezu ver¬
brecherischen Handlungen amerikanischer Trust- und Bankleiter nach dem Zu¬
sammenbruch des schwindelhafter Kreditgebäudes auf Europa zurückwirken
mußten, ist von E. Fitger im Heft 50 der Grenzboten anschaulich dargestellt
worden. Aber auch ohne diese Krisis wäre der Zinsfuß der Neichsbank am
Jahresschluß kaum unter seiner jetzigen Höhe geblieben. Das beweist die auch
nach der Erhöhung auf siebeneinhalb Prozent noch immer zunehmende An¬
spannung des Bankstatus, die hauptsächlich durch Kreditansprüche der heimischen
Volkswirtschaft hervorgerufen ist. Alle bisher veröffentlichten Zahlen, die eine
Beurteilung des Wirtschaftslebens gestatten, lassen ein ununterbrochnes Auf¬
steigen gegenüber dem Vorjahre bis zum Jahresschluß erkennen. Die starke



5) Vgl. hierzu die gemeinverständlichen Kapitel über Kapital, Geld und Kredit, Handels¬
bilanz von Carl Jcntsch in seinen Grundbegriffen und Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre.
Leipzig, Fr. Will). Grunow, 1906^
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[0220] Reform unsrer Ureditorganisation Kompensation für das Verlangen nach Aufhören aller europäischen Erwerbungen in Amerika: dafür greifen die Vereinigten Staaten auch niemals über ihren Weltteil hinaus. Das ist völlig hinfällig geworden, denn mit Hawai haben die Amerikaner ein Stück Australiens, mit den Philippinen ein solches Asiens erobert. Das findet wohl seine scharfen Tadler, aber ernstlichen Einfluß auf die Politik haben diese nicht. Die jetzt in der Opposition stehende demokratische Partei wettert gegen Roosevelts Imperialismus, gegen die auf den Philippinen begangnen Grausamkeiten, gegen die Kosten, sie verlangt Verzicht oder Verkauf; wenn sie jedoch in den Besitz der Macht kommt, hütet sie sich, solches aus¬ zuführen. Reform unsrer Kreditorganisation ^»>C-^7^ A^-A>le ungewöhnliche Anspannung auf dem deutschen Geldmarkte ist die Veranlassung gewesen, daß im Dezember vorigen Jahres an verschiednen ausländischen Börsenplätzen Gerüchte ausgestreut und !von kleinen Hetzblättern, aber auch von einem führenden eng- Ilischen Fachblatte verbreitet wurden, die die Kreditwürdigkeit Deutschlands herabsetzen und die Grundlage unsers gesamten Wirtschaftslebens als ungesund darstellen sollten. Es genügt, diese Ausstreuungen niedriger zu hängen, zumal wenn wir darauf hinweisen, daß man in Börsenkreisen die Ver¬ anlassung zu diesen Machenschaften zum Teil unsern polnischen Mitbürgern zuschreibt. Die Anspannung auf den Geldmärkten ist eine internationale, und der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands hat in den letzten Jahren weiter unaufhaltsam Fortschritte gemacht, um die uns das Ausland beneidet/') Es wäre aber falsch, die an Kriegsdiskont erinnernde Höhe des Neichsbankzins- satzes allein auf die Krisis in Amerika zurückzuführen. Daß die geradezu ver¬ brecherischen Handlungen amerikanischer Trust- und Bankleiter nach dem Zu¬ sammenbruch des schwindelhafter Kreditgebäudes auf Europa zurückwirken mußten, ist von E. Fitger im Heft 50 der Grenzboten anschaulich dargestellt worden. Aber auch ohne diese Krisis wäre der Zinsfuß der Neichsbank am Jahresschluß kaum unter seiner jetzigen Höhe geblieben. Das beweist die auch nach der Erhöhung auf siebeneinhalb Prozent noch immer zunehmende An¬ spannung des Bankstatus, die hauptsächlich durch Kreditansprüche der heimischen Volkswirtschaft hervorgerufen ist. Alle bisher veröffentlichten Zahlen, die eine Beurteilung des Wirtschaftslebens gestatten, lassen ein ununterbrochnes Auf¬ steigen gegenüber dem Vorjahre bis zum Jahresschluß erkennen. Die starke 5) Vgl. hierzu die gemeinverständlichen Kapitel über Kapital, Geld und Kredit, Handels¬ bilanz von Carl Jcntsch in seinen Grundbegriffen und Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre. Leipzig, Fr. Will). Grunow, 1906^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/220>, abgerufen am 01.05.2024.