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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Fürstin pauline zur Lippe

ausführungen betrauten freien Architekten eine drückende geschäftliche Last ab¬
zunehmen, vorausgesetzt, daß sie sich des Einflusses auf die künstlerische Lösung
enthielten. Hervorragende Baukünstler, die zur Übernahme von Staatsaufträgen
berufen sind, sollten damit die Verpflichtung übernehmen, den Nachwuchs aus¬
zubilden. Auf diese Weise würde die bautechnische und baukünstlerische Aus¬
bildung von vornherein auf praktische Grundlagen gestellt. Den Bauschulen
und Bauakademien muß durch solche Reorganisation wieder eine lebensvolle
-Bedeutung wiedergegeben werden, und die Akademie muß als Stätte aller
künstlerischen, plastischen, malerischen und kunstgewerblichen Ausbildung wieder
eine praktische Bedeutung erlangen. Es ist selbstverständlich, daß der Baubedarf
von Staat und Stadt nicht nur monumentale Aufgaben, sondern eine über¬
wiegende Summe von kleinen, scheinbar unbedeutenden und nichtsdestoweniger
notwendigen Aufgaben umfaßt; aber auch diese kleinen Alltagsbanaufgaben
müßten mit derselben Gediegenheit wie die großen ausgeführt werden, wenn
das Baubild wieder auf der Höhe seiner Kultur stehn soll. Gerade diese kleinen
praktischen Alltagsaufgaben würden für die jungen, noch unter der Führung
des Meisters stehenden Künstler eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Erprobung
der wachsenden Kraft sein und von ihnen ohne Frage mit größerm Verständnis
und sicherm künstlerischem Takt gelöst werden als von den unpersönlichen Organen
des Bureaukratismus.


Joseph Aug. Lux


Fürstin pauline zur Lippe
Siegfried Flete von

Ein heitrer Geist, ein stilles Landgut nur,
Ein Musensitz, im Schoße der Natur,
Ein kleines Haus, in eines Waldes Mitte,
Sieh, Freund, das ist das Los, das ich mir einst erbitte.

le mag der biedere Kanonikus von Halberstadt behaglich ge¬
schmunzelt haben, als er dieses Bekenntnis las, das seinem eignen,
bescheidnen Lebensideal so vollkommen entsprach: eine Fürstentochter,
ein hübsches sechsundzwanzigjähriges Mädchen, das die Hütte dem
Palast vorzog, dessen "Wünsche im Mittelstande säumten".

[Beginn Spaltensatz] Von Politik will ich entfernt gern bleiben,
Will keinem Unrecht tun, kein Todesurtcl
schreiben: [Spaltenumbruch] Der Menschheit leises Wohl ist jedes Wesens
Pflicht:
Regentin aber bin, Regentin werd ich nicht. [Ende Spaltensatz]

Der alte Gleim erlebte es noch, daß diese Freundin der Idylle und der
süßen Ruhe als Regentin an die Spitze eines kleinen Staates gestellt wurde.
Und wenn sie auch keinen: Unrecht zu tun und kein Todesurteil zu unter-


Fürstin pauline zur Lippe

ausführungen betrauten freien Architekten eine drückende geschäftliche Last ab¬
zunehmen, vorausgesetzt, daß sie sich des Einflusses auf die künstlerische Lösung
enthielten. Hervorragende Baukünstler, die zur Übernahme von Staatsaufträgen
berufen sind, sollten damit die Verpflichtung übernehmen, den Nachwuchs aus¬
zubilden. Auf diese Weise würde die bautechnische und baukünstlerische Aus¬
bildung von vornherein auf praktische Grundlagen gestellt. Den Bauschulen
und Bauakademien muß durch solche Reorganisation wieder eine lebensvolle
-Bedeutung wiedergegeben werden, und die Akademie muß als Stätte aller
künstlerischen, plastischen, malerischen und kunstgewerblichen Ausbildung wieder
eine praktische Bedeutung erlangen. Es ist selbstverständlich, daß der Baubedarf
von Staat und Stadt nicht nur monumentale Aufgaben, sondern eine über¬
wiegende Summe von kleinen, scheinbar unbedeutenden und nichtsdestoweniger
notwendigen Aufgaben umfaßt; aber auch diese kleinen Alltagsbanaufgaben
müßten mit derselben Gediegenheit wie die großen ausgeführt werden, wenn
das Baubild wieder auf der Höhe seiner Kultur stehn soll. Gerade diese kleinen
praktischen Alltagsaufgaben würden für die jungen, noch unter der Führung
des Meisters stehenden Künstler eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Erprobung
der wachsenden Kraft sein und von ihnen ohne Frage mit größerm Verständnis
und sicherm künstlerischem Takt gelöst werden als von den unpersönlichen Organen
des Bureaukratismus.


Joseph Aug. Lux


Fürstin pauline zur Lippe
Siegfried Flete von

Ein heitrer Geist, ein stilles Landgut nur,
Ein Musensitz, im Schoße der Natur,
Ein kleines Haus, in eines Waldes Mitte,
Sieh, Freund, das ist das Los, das ich mir einst erbitte.

le mag der biedere Kanonikus von Halberstadt behaglich ge¬
schmunzelt haben, als er dieses Bekenntnis las, das seinem eignen,
bescheidnen Lebensideal so vollkommen entsprach: eine Fürstentochter,
ein hübsches sechsundzwanzigjähriges Mädchen, das die Hütte dem
Palast vorzog, dessen „Wünsche im Mittelstande säumten".

[Beginn Spaltensatz] Von Politik will ich entfernt gern bleiben,
Will keinem Unrecht tun, kein Todesurtcl
schreiben: [Spaltenumbruch] Der Menschheit leises Wohl ist jedes Wesens
Pflicht:
Regentin aber bin, Regentin werd ich nicht. [Ende Spaltensatz]

Der alte Gleim erlebte es noch, daß diese Freundin der Idylle und der
süßen Ruhe als Regentin an die Spitze eines kleinen Staates gestellt wurde.
Und wenn sie auch keinen: Unrecht zu tun und kein Todesurteil zu unter-


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[0234] Fürstin pauline zur Lippe ausführungen betrauten freien Architekten eine drückende geschäftliche Last ab¬ zunehmen, vorausgesetzt, daß sie sich des Einflusses auf die künstlerische Lösung enthielten. Hervorragende Baukünstler, die zur Übernahme von Staatsaufträgen berufen sind, sollten damit die Verpflichtung übernehmen, den Nachwuchs aus¬ zubilden. Auf diese Weise würde die bautechnische und baukünstlerische Aus¬ bildung von vornherein auf praktische Grundlagen gestellt. Den Bauschulen und Bauakademien muß durch solche Reorganisation wieder eine lebensvolle -Bedeutung wiedergegeben werden, und die Akademie muß als Stätte aller künstlerischen, plastischen, malerischen und kunstgewerblichen Ausbildung wieder eine praktische Bedeutung erlangen. Es ist selbstverständlich, daß der Baubedarf von Staat und Stadt nicht nur monumentale Aufgaben, sondern eine über¬ wiegende Summe von kleinen, scheinbar unbedeutenden und nichtsdestoweniger notwendigen Aufgaben umfaßt; aber auch diese kleinen Alltagsbanaufgaben müßten mit derselben Gediegenheit wie die großen ausgeführt werden, wenn das Baubild wieder auf der Höhe seiner Kultur stehn soll. Gerade diese kleinen praktischen Alltagsaufgaben würden für die jungen, noch unter der Führung des Meisters stehenden Künstler eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Erprobung der wachsenden Kraft sein und von ihnen ohne Frage mit größerm Verständnis und sicherm künstlerischem Takt gelöst werden als von den unpersönlichen Organen des Bureaukratismus. Joseph Aug. Lux Fürstin pauline zur Lippe Siegfried Flete von Ein heitrer Geist, ein stilles Landgut nur, Ein Musensitz, im Schoße der Natur, Ein kleines Haus, in eines Waldes Mitte, Sieh, Freund, das ist das Los, das ich mir einst erbitte. le mag der biedere Kanonikus von Halberstadt behaglich ge¬ schmunzelt haben, als er dieses Bekenntnis las, das seinem eignen, bescheidnen Lebensideal so vollkommen entsprach: eine Fürstentochter, ein hübsches sechsundzwanzigjähriges Mädchen, das die Hütte dem Palast vorzog, dessen „Wünsche im Mittelstande säumten". Von Politik will ich entfernt gern bleiben, Will keinem Unrecht tun, kein Todesurtcl schreiben: Der Menschheit leises Wohl ist jedes Wesens Pflicht: Regentin aber bin, Regentin werd ich nicht. Der alte Gleim erlebte es noch, daß diese Freundin der Idylle und der süßen Ruhe als Regentin an die Spitze eines kleinen Staates gestellt wurde. Und wenn sie auch keinen: Unrecht zu tun und kein Todesurteil zu unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/234>, abgerufen am 01.05.2024.