Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien?

den hohen Prozentsatz an Engländern, der, wie wir sehen werden, in der
Hauptsache auf Südwestafrika entfällt.

Deutsch-Südwestafrika i

st unser Ansiedlungsland Mr exosUsiKZö, wo
Weiße dauernd leben können. Da wir hoffen, daß Südwest einst bei rationeller
Erschließung in kleinerm Maßstab ein zweites Deutschland über See, ein Jung¬
brunnen für unser unter der zunehmenden Industrialisierung leidendes Volks-
tum werden wird, so ist hier das Verhältnis zwischen Deutschtum und Aus-
ländertum besonders wichtig.

Von den 1309 Engländern, die in unsern Kolonien leben, entfallen 970,
also rund 75 Prozent auf Deutsch-Südwest. Dort macheu sie rund 14 Prozent
der gesamten weißen Bevölkerung aus, und auf fünf Deutsche (im ganzen 4900)
kommt schon ein "Engländer". Das Wort Engländer in Gänsefüßchen, denn
in Wirklichkeit handelt es sich nur zu einem kleinen Teil um eigentliche Eng¬
länder, vielmehr vorwiegend um Buren. In der amtlichen Bevölkerungs¬
statistik sind die Weißen leider nicht nach der Sprache, sondern nur nach der
Staatsangehörigkeit auseinandergehalten, und nur bei der Rubrik "ohne Staats¬
angehörigkeit" ist in Klammern das Wort Buren beigefügt. Diese 240 Buren,
die vor der Annektierung der Burenfreistaaten durch die Engländer in unsre
Kolonie eingewandert sind, haben dadurch jede Staatsangehörigkeit verloren. Die
Mehrzahl der Buren ist aber jetzt englische Staatsangehörige. Die An¬
schauung, daß es sich bei den aufgeführten "Engländern" vorwiegend um
Buren handelt, wird durch die Schulstatistik gestützt. In der Regierungsschule
in Windhuk waren von 74 Schülern der Abstammung und Sprache nach
43 Deutsche, 25 Buren und nur 2 Engländer. Eine besonders deutliche
Sprache sprechen die Zahlen des Hauptfarmdistrikts Grootfontcin. Dort waren
von zwanzig Schülern siebzehn Burenkinder. Bei dem sprichwörtlichen Kinder¬
reichtum der Buren fallen alle diese Zahlen besonders ins Gewicht. Wie sehr,
zeigt die Tatsache, daß bei den Dentschen auf 600 verheiratete Frauen
805 Kinder kommen, bei den "Engländern" auf 70 verheiratete Frauen
170 Kinder, bei den alteingesessenen Buren ("ohne Staatsangehörigkeit") ans
29 verheiratete Frauen gar 75 Kinder. Die Vermehrung ist also -- so kann
man ruhig als feststehend annehmen -- bei den Buren doppelt so stark wie
bei den Deutschen. Nun bedeuten Kinder für südwestafrikanische Verhältnisse
nicht, wie teilweise bei uns, eine wirtschaftliche Belastung, sondern im Gegen¬
teil eine Erleichterung, eine Verbilligung des Betriebs durch Ersparung von
fremden Arbeitskräften, was namentlich in Anbetracht des jetzt herrschenden
Mangels an eingebornen Arbeitern sehr ins Gewicht fällt. Wenn auch der
Bur erfahrungsgemäß dem Deutschen an Fleiß und Strebsamkeit nicht entfernt
gleichkommt, so bildet die Bureneinwandrung doch eine ernste Gefahr für das
Deutschtum. Wenn wir sie nicht beschränken und uns den Burennachwuchs zu
assimilieren suchen, so können wir uns an den Fingern ausrechnen, daß in
wenig Generationen das burische Element vermöge seiner Vermehrungsfähigkeit


Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien?

den hohen Prozentsatz an Engländern, der, wie wir sehen werden, in der
Hauptsache auf Südwestafrika entfällt.

Deutsch-Südwestafrika i

st unser Ansiedlungsland Mr exosUsiKZö, wo
Weiße dauernd leben können. Da wir hoffen, daß Südwest einst bei rationeller
Erschließung in kleinerm Maßstab ein zweites Deutschland über See, ein Jung¬
brunnen für unser unter der zunehmenden Industrialisierung leidendes Volks-
tum werden wird, so ist hier das Verhältnis zwischen Deutschtum und Aus-
ländertum besonders wichtig.

Von den 1309 Engländern, die in unsern Kolonien leben, entfallen 970,
also rund 75 Prozent auf Deutsch-Südwest. Dort macheu sie rund 14 Prozent
der gesamten weißen Bevölkerung aus, und auf fünf Deutsche (im ganzen 4900)
kommt schon ein „Engländer". Das Wort Engländer in Gänsefüßchen, denn
in Wirklichkeit handelt es sich nur zu einem kleinen Teil um eigentliche Eng¬
länder, vielmehr vorwiegend um Buren. In der amtlichen Bevölkerungs¬
statistik sind die Weißen leider nicht nach der Sprache, sondern nur nach der
Staatsangehörigkeit auseinandergehalten, und nur bei der Rubrik „ohne Staats¬
angehörigkeit" ist in Klammern das Wort Buren beigefügt. Diese 240 Buren,
die vor der Annektierung der Burenfreistaaten durch die Engländer in unsre
Kolonie eingewandert sind, haben dadurch jede Staatsangehörigkeit verloren. Die
Mehrzahl der Buren ist aber jetzt englische Staatsangehörige. Die An¬
schauung, daß es sich bei den aufgeführten „Engländern" vorwiegend um
Buren handelt, wird durch die Schulstatistik gestützt. In der Regierungsschule
in Windhuk waren von 74 Schülern der Abstammung und Sprache nach
43 Deutsche, 25 Buren und nur 2 Engländer. Eine besonders deutliche
Sprache sprechen die Zahlen des Hauptfarmdistrikts Grootfontcin. Dort waren
von zwanzig Schülern siebzehn Burenkinder. Bei dem sprichwörtlichen Kinder¬
reichtum der Buren fallen alle diese Zahlen besonders ins Gewicht. Wie sehr,
zeigt die Tatsache, daß bei den Dentschen auf 600 verheiratete Frauen
805 Kinder kommen, bei den „Engländern" auf 70 verheiratete Frauen
170 Kinder, bei den alteingesessenen Buren („ohne Staatsangehörigkeit") ans
29 verheiratete Frauen gar 75 Kinder. Die Vermehrung ist also — so kann
man ruhig als feststehend annehmen — bei den Buren doppelt so stark wie
bei den Deutschen. Nun bedeuten Kinder für südwestafrikanische Verhältnisse
nicht, wie teilweise bei uns, eine wirtschaftliche Belastung, sondern im Gegen¬
teil eine Erleichterung, eine Verbilligung des Betriebs durch Ersparung von
fremden Arbeitskräften, was namentlich in Anbetracht des jetzt herrschenden
Mangels an eingebornen Arbeitern sehr ins Gewicht fällt. Wenn auch der
Bur erfahrungsgemäß dem Deutschen an Fleiß und Strebsamkeit nicht entfernt
gleichkommt, so bildet die Bureneinwandrung doch eine ernste Gefahr für das
Deutschtum. Wenn wir sie nicht beschränken und uns den Burennachwuchs zu
assimilieren suchen, so können wir uns an den Fingern ausrechnen, daß in
wenig Generationen das burische Element vermöge seiner Vermehrungsfähigkeit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311949"/>
          <fw type="header" place="top"> Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1136" prev="#ID_1135"> den hohen Prozentsatz an Engländern, der, wie wir sehen werden, in der<lb/>
Hauptsache auf Südwestafrika entfällt.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> Deutsch-Südwestafrika i</head>
            <p xml:id="ID_1137"> st unser Ansiedlungsland Mr exosUsiKZö, wo<lb/>
Weiße dauernd leben können. Da wir hoffen, daß Südwest einst bei rationeller<lb/>
Erschließung in kleinerm Maßstab ein zweites Deutschland über See, ein Jung¬<lb/>
brunnen für unser unter der zunehmenden Industrialisierung leidendes Volks-<lb/>
tum werden wird, so ist hier das Verhältnis zwischen Deutschtum und Aus-<lb/>
ländertum besonders wichtig.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1138" next="#ID_1139"> Von den 1309 Engländern, die in unsern Kolonien leben, entfallen 970,<lb/>
also rund 75 Prozent auf Deutsch-Südwest. Dort macheu sie rund 14 Prozent<lb/>
der gesamten weißen Bevölkerung aus, und auf fünf Deutsche (im ganzen 4900)<lb/>
kommt schon ein &#x201E;Engländer". Das Wort Engländer in Gänsefüßchen, denn<lb/>
in Wirklichkeit handelt es sich nur zu einem kleinen Teil um eigentliche Eng¬<lb/>
länder, vielmehr vorwiegend um Buren. In der amtlichen Bevölkerungs¬<lb/>
statistik sind die Weißen leider nicht nach der Sprache, sondern nur nach der<lb/>
Staatsangehörigkeit auseinandergehalten, und nur bei der Rubrik &#x201E;ohne Staats¬<lb/>
angehörigkeit" ist in Klammern das Wort Buren beigefügt. Diese 240 Buren,<lb/>
die vor der Annektierung der Burenfreistaaten durch die Engländer in unsre<lb/>
Kolonie eingewandert sind, haben dadurch jede Staatsangehörigkeit verloren. Die<lb/>
Mehrzahl der Buren ist aber jetzt englische Staatsangehörige. Die An¬<lb/>
schauung, daß es sich bei den aufgeführten &#x201E;Engländern" vorwiegend um<lb/>
Buren handelt, wird durch die Schulstatistik gestützt. In der Regierungsschule<lb/>
in Windhuk waren von 74 Schülern der Abstammung und Sprache nach<lb/>
43 Deutsche, 25 Buren und nur 2 Engländer. Eine besonders deutliche<lb/>
Sprache sprechen die Zahlen des Hauptfarmdistrikts Grootfontcin. Dort waren<lb/>
von zwanzig Schülern siebzehn Burenkinder. Bei dem sprichwörtlichen Kinder¬<lb/>
reichtum der Buren fallen alle diese Zahlen besonders ins Gewicht. Wie sehr,<lb/>
zeigt die Tatsache, daß bei den Dentschen auf 600 verheiratete Frauen<lb/>
805 Kinder kommen, bei den &#x201E;Engländern" auf 70 verheiratete Frauen<lb/>
170 Kinder, bei den alteingesessenen Buren (&#x201E;ohne Staatsangehörigkeit") ans<lb/>
29 verheiratete Frauen gar 75 Kinder. Die Vermehrung ist also &#x2014; so kann<lb/>
man ruhig als feststehend annehmen &#x2014; bei den Buren doppelt so stark wie<lb/>
bei den Deutschen. Nun bedeuten Kinder für südwestafrikanische Verhältnisse<lb/>
nicht, wie teilweise bei uns, eine wirtschaftliche Belastung, sondern im Gegen¬<lb/>
teil eine Erleichterung, eine Verbilligung des Betriebs durch Ersparung von<lb/>
fremden Arbeitskräften, was namentlich in Anbetracht des jetzt herrschenden<lb/>
Mangels an eingebornen Arbeitern sehr ins Gewicht fällt. Wenn auch der<lb/>
Bur erfahrungsgemäß dem Deutschen an Fleiß und Strebsamkeit nicht entfernt<lb/>
gleichkommt, so bildet die Bureneinwandrung doch eine ernste Gefahr für das<lb/>
Deutschtum. Wenn wir sie nicht beschränken und uns den Burennachwuchs zu<lb/>
assimilieren suchen, so können wir uns an den Fingern ausrechnen, daß in<lb/>
wenig Generationen das burische Element vermöge seiner Vermehrungsfähigkeit</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0262] Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien? den hohen Prozentsatz an Engländern, der, wie wir sehen werden, in der Hauptsache auf Südwestafrika entfällt. Deutsch-Südwestafrika i st unser Ansiedlungsland Mr exosUsiKZö, wo Weiße dauernd leben können. Da wir hoffen, daß Südwest einst bei rationeller Erschließung in kleinerm Maßstab ein zweites Deutschland über See, ein Jung¬ brunnen für unser unter der zunehmenden Industrialisierung leidendes Volks- tum werden wird, so ist hier das Verhältnis zwischen Deutschtum und Aus- ländertum besonders wichtig. Von den 1309 Engländern, die in unsern Kolonien leben, entfallen 970, also rund 75 Prozent auf Deutsch-Südwest. Dort macheu sie rund 14 Prozent der gesamten weißen Bevölkerung aus, und auf fünf Deutsche (im ganzen 4900) kommt schon ein „Engländer". Das Wort Engländer in Gänsefüßchen, denn in Wirklichkeit handelt es sich nur zu einem kleinen Teil um eigentliche Eng¬ länder, vielmehr vorwiegend um Buren. In der amtlichen Bevölkerungs¬ statistik sind die Weißen leider nicht nach der Sprache, sondern nur nach der Staatsangehörigkeit auseinandergehalten, und nur bei der Rubrik „ohne Staats¬ angehörigkeit" ist in Klammern das Wort Buren beigefügt. Diese 240 Buren, die vor der Annektierung der Burenfreistaaten durch die Engländer in unsre Kolonie eingewandert sind, haben dadurch jede Staatsangehörigkeit verloren. Die Mehrzahl der Buren ist aber jetzt englische Staatsangehörige. Die An¬ schauung, daß es sich bei den aufgeführten „Engländern" vorwiegend um Buren handelt, wird durch die Schulstatistik gestützt. In der Regierungsschule in Windhuk waren von 74 Schülern der Abstammung und Sprache nach 43 Deutsche, 25 Buren und nur 2 Engländer. Eine besonders deutliche Sprache sprechen die Zahlen des Hauptfarmdistrikts Grootfontcin. Dort waren von zwanzig Schülern siebzehn Burenkinder. Bei dem sprichwörtlichen Kinder¬ reichtum der Buren fallen alle diese Zahlen besonders ins Gewicht. Wie sehr, zeigt die Tatsache, daß bei den Dentschen auf 600 verheiratete Frauen 805 Kinder kommen, bei den „Engländern" auf 70 verheiratete Frauen 170 Kinder, bei den alteingesessenen Buren („ohne Staatsangehörigkeit") ans 29 verheiratete Frauen gar 75 Kinder. Die Vermehrung ist also — so kann man ruhig als feststehend annehmen — bei den Buren doppelt so stark wie bei den Deutschen. Nun bedeuten Kinder für südwestafrikanische Verhältnisse nicht, wie teilweise bei uns, eine wirtschaftliche Belastung, sondern im Gegen¬ teil eine Erleichterung, eine Verbilligung des Betriebs durch Ersparung von fremden Arbeitskräften, was namentlich in Anbetracht des jetzt herrschenden Mangels an eingebornen Arbeitern sehr ins Gewicht fällt. Wenn auch der Bur erfahrungsgemäß dem Deutschen an Fleiß und Strebsamkeit nicht entfernt gleichkommt, so bildet die Bureneinwandrung doch eine ernste Gefahr für das Deutschtum. Wenn wir sie nicht beschränken und uns den Burennachwuchs zu assimilieren suchen, so können wir uns an den Fingern ausrechnen, daß in wenig Generationen das burische Element vermöge seiner Vermehrungsfähigkeit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/262
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/262>, abgerufen am 01.05.2024.