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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Auf pürsch im Porst Hermann Löns <La Bild aus der lüneburger Heide von

estern hat es Gold geschneit, und Silber fiel heute nacht; Rauh¬
reif knirscht unter meinen Schuhen.

Die hellen Wochen sind zu Ende, vorüber sind die Tage, da
die Birken golden vor dem klaren Himmel standen. Lustig schüttelte
sie gestern der Nordost, der kecke Heidläufer; morgen wird der Nord¬
west, der alte Brummbär, ihnen die letzten Flittern aus den langen
Haaren kämmen.

Mag er! Ich habe mir mein Teil Blauhtmmel und Goldluft erpürscht auf
brauner Heide und im fahlen Bruche, habe mich gewappnet gegen tiefen Himmel
und dicke Luft, drei Wochen lang pürschend Heidauf seitab, heute dort oben auf
der hohen Geest, wo der fünf uralten Steingräber schwarze Mäuler gähnen,
morgen im lichtdurchsprühten Gedämmer der Fichten, und tags darauf im pfad¬
losen Bruche. Stände morgen der Regen über die Heide und rauscht er in das
Moor, auch seiner will ich mich freuen und der mürrischen Wolken und des hohlen
Windes, wie ich mich heute der silbernen Heide und der goldnen Birken freue.

Wo soll ich ihn vervürschen, den letzten Sonnentag? Dort, wo der Forellen¬
bach lustig plaudernd im tiefen Bette dahinschießt, wo sich der Eichen Herbstlaub
und der Stechpalme Korallenschmuck in dem blanken Wasser spiegeln? Oder da,
wo des Moorbaches ernste, verschwiegne Wasser langsam am heimlich flüsternden
Ried vorbeiziehen? Da oben auf der Heide am grünen Ginsterfelde entlang und
zwischen den gespenstigen Wacholdcrhorsten, wo der Birke Silberstämme aus
goldnem Fallaube ragen, im buschumhegten Weidelande, wo unter den roten Kronen
der Buchen die Rehe nach Mast suchen, oder im räumen Kiefernstangenorte, wo
sie sich an den roten Pilzen äsen? Wer sagt mir, wo es heute am schönsten ist
"uf diesen dreißigtausend Morgen Land?

Drei Orakel will ich befragen. Wo der erste Vogel hinfliegt, wo der Wind
herkommt, wo mein Messer hinzeigt, wo die drei Linien sich schneiden, dort will
^ hin. Mein Weidmesser blitzt durch die Luft und klirrt in den Sand: nach
Südost zeigt die Spitze. Nach Südost zieht auch der Pfeifenrauch. Und jetzt
ruft es rund und voll über mir, der Rank ist es, der edle Rabe, mein Freund,
den ich hege und pflege, dem ich den Junghasen gönne und das Birkhuhngelege,
weil er so schön ist und so selten ward. Nach Südost geht sein Flug.

Blitzendes Messer, blauer Rauch, blanker Vogel, gern folge ich euch. Da
unten, zwischen Mittag und Morgen, da liegt das weite, breite Bruch, das laute,
lustige, bunte Bruch zur Frühlingszeit, wenn sich der Birkenbaum mit Smaragden
schmückt, wenn der Porstbnsch wie eine Flamme glüht, wo im April der Birkhahn
will, der Kranich ruft, der Brachvogel pfeift, Weihe und Mooreule und Kiebitz
ihre Minnespiele treiben und die Dämmerung voll ist von dem Gemecker der Heer¬
schnepfen. Ich liebe dich, lustiges, lachendes Bruch, der Giftotter Wutgezisch, der




Auf pürsch im Porst Hermann Löns <La Bild aus der lüneburger Heide von

estern hat es Gold geschneit, und Silber fiel heute nacht; Rauh¬
reif knirscht unter meinen Schuhen.

Die hellen Wochen sind zu Ende, vorüber sind die Tage, da
die Birken golden vor dem klaren Himmel standen. Lustig schüttelte
sie gestern der Nordost, der kecke Heidläufer; morgen wird der Nord¬
west, der alte Brummbär, ihnen die letzten Flittern aus den langen
Haaren kämmen.

Mag er! Ich habe mir mein Teil Blauhtmmel und Goldluft erpürscht auf
brauner Heide und im fahlen Bruche, habe mich gewappnet gegen tiefen Himmel
und dicke Luft, drei Wochen lang pürschend Heidauf seitab, heute dort oben auf
der hohen Geest, wo der fünf uralten Steingräber schwarze Mäuler gähnen,
morgen im lichtdurchsprühten Gedämmer der Fichten, und tags darauf im pfad¬
losen Bruche. Stände morgen der Regen über die Heide und rauscht er in das
Moor, auch seiner will ich mich freuen und der mürrischen Wolken und des hohlen
Windes, wie ich mich heute der silbernen Heide und der goldnen Birken freue.

Wo soll ich ihn vervürschen, den letzten Sonnentag? Dort, wo der Forellen¬
bach lustig plaudernd im tiefen Bette dahinschießt, wo sich der Eichen Herbstlaub
und der Stechpalme Korallenschmuck in dem blanken Wasser spiegeln? Oder da,
wo des Moorbaches ernste, verschwiegne Wasser langsam am heimlich flüsternden
Ried vorbeiziehen? Da oben auf der Heide am grünen Ginsterfelde entlang und
zwischen den gespenstigen Wacholdcrhorsten, wo der Birke Silberstämme aus
goldnem Fallaube ragen, im buschumhegten Weidelande, wo unter den roten Kronen
der Buchen die Rehe nach Mast suchen, oder im räumen Kiefernstangenorte, wo
sie sich an den roten Pilzen äsen? Wer sagt mir, wo es heute am schönsten ist
"uf diesen dreißigtausend Morgen Land?

Drei Orakel will ich befragen. Wo der erste Vogel hinfliegt, wo der Wind
herkommt, wo mein Messer hinzeigt, wo die drei Linien sich schneiden, dort will
^ hin. Mein Weidmesser blitzt durch die Luft und klirrt in den Sand: nach
Südost zeigt die Spitze. Nach Südost zieht auch der Pfeifenrauch. Und jetzt
ruft es rund und voll über mir, der Rank ist es, der edle Rabe, mein Freund,
den ich hege und pflege, dem ich den Junghasen gönne und das Birkhuhngelege,
weil er so schön ist und so selten ward. Nach Südost geht sein Flug.

Blitzendes Messer, blauer Rauch, blanker Vogel, gern folge ich euch. Da
unten, zwischen Mittag und Morgen, da liegt das weite, breite Bruch, das laute,
lustige, bunte Bruch zur Frühlingszeit, wenn sich der Birkenbaum mit Smaragden
schmückt, wenn der Porstbnsch wie eine Flamme glüht, wo im April der Birkhahn
will, der Kranich ruft, der Brachvogel pfeift, Weihe und Mooreule und Kiebitz
ihre Minnespiele treiben und die Dämmerung voll ist von dem Gemecker der Heer¬
schnepfen. Ich liebe dich, lustiges, lachendes Bruch, der Giftotter Wutgezisch, der


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[0307] [Abbildung] Auf pürsch im Porst Hermann Löns <La Bild aus der lüneburger Heide von estern hat es Gold geschneit, und Silber fiel heute nacht; Rauh¬ reif knirscht unter meinen Schuhen. Die hellen Wochen sind zu Ende, vorüber sind die Tage, da die Birken golden vor dem klaren Himmel standen. Lustig schüttelte sie gestern der Nordost, der kecke Heidläufer; morgen wird der Nord¬ west, der alte Brummbär, ihnen die letzten Flittern aus den langen Haaren kämmen. Mag er! Ich habe mir mein Teil Blauhtmmel und Goldluft erpürscht auf brauner Heide und im fahlen Bruche, habe mich gewappnet gegen tiefen Himmel und dicke Luft, drei Wochen lang pürschend Heidauf seitab, heute dort oben auf der hohen Geest, wo der fünf uralten Steingräber schwarze Mäuler gähnen, morgen im lichtdurchsprühten Gedämmer der Fichten, und tags darauf im pfad¬ losen Bruche. Stände morgen der Regen über die Heide und rauscht er in das Moor, auch seiner will ich mich freuen und der mürrischen Wolken und des hohlen Windes, wie ich mich heute der silbernen Heide und der goldnen Birken freue. Wo soll ich ihn vervürschen, den letzten Sonnentag? Dort, wo der Forellen¬ bach lustig plaudernd im tiefen Bette dahinschießt, wo sich der Eichen Herbstlaub und der Stechpalme Korallenschmuck in dem blanken Wasser spiegeln? Oder da, wo des Moorbaches ernste, verschwiegne Wasser langsam am heimlich flüsternden Ried vorbeiziehen? Da oben auf der Heide am grünen Ginsterfelde entlang und zwischen den gespenstigen Wacholdcrhorsten, wo der Birke Silberstämme aus goldnem Fallaube ragen, im buschumhegten Weidelande, wo unter den roten Kronen der Buchen die Rehe nach Mast suchen, oder im räumen Kiefernstangenorte, wo sie sich an den roten Pilzen äsen? Wer sagt mir, wo es heute am schönsten ist "uf diesen dreißigtausend Morgen Land? Drei Orakel will ich befragen. Wo der erste Vogel hinfliegt, wo der Wind herkommt, wo mein Messer hinzeigt, wo die drei Linien sich schneiden, dort will ^ hin. Mein Weidmesser blitzt durch die Luft und klirrt in den Sand: nach Südost zeigt die Spitze. Nach Südost zieht auch der Pfeifenrauch. Und jetzt ruft es rund und voll über mir, der Rank ist es, der edle Rabe, mein Freund, den ich hege und pflege, dem ich den Junghasen gönne und das Birkhuhngelege, weil er so schön ist und so selten ward. Nach Südost geht sein Flug. Blitzendes Messer, blauer Rauch, blanker Vogel, gern folge ich euch. Da unten, zwischen Mittag und Morgen, da liegt das weite, breite Bruch, das laute, lustige, bunte Bruch zur Frühlingszeit, wenn sich der Birkenbaum mit Smaragden schmückt, wenn der Porstbnsch wie eine Flamme glüht, wo im April der Birkhahn will, der Kranich ruft, der Brachvogel pfeift, Weihe und Mooreule und Kiebitz ihre Minnespiele treiben und die Dämmerung voll ist von dem Gemecker der Heer¬ schnepfen. Ich liebe dich, lustiges, lachendes Bruch, der Giftotter Wutgezisch, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/307>, abgerufen am 05.05.2024.