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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die deutschen Kolonien im Jahre ^9^8

selbst noch günstiger gestalten wird. Von der Südsee kann man in Anbetracht
der gewaltigen Entfernung vom Mutterlande billigerweise nicht viel mehr ver¬
langen. Es bieten sich dort für manche Dinge eben günstigere, d. h. nähere
Absatzgebiete und Bezugsquellen. Ungesund dagegen ist das Verhältnis bei
Ostafrika. Es ist wirklich nicht einzusehen, warum wir aus die Dauer den
Handel dieser Kolonie zu fast zwei Dritteln dem Ausland überlassen sollen.
Auch bei Togo muß in dieser Hinsicht auf Besserung hingewirkt werden.
Über die Ursachen dieser Erscheinung und die Mittel zu ihrer Beseitigung
können wir uns hier nicht auslassen, sie werden den Gegenstand einer be¬
sondern Betrachtung bilden. Wir wollen es ganz gewiß nicht den Franzosen
nachmachen, die den fremden Handel mit allen Mitteln von ihren Kolonien
fernzuhalten streben. Eine gewisse Konkurrenz ist sicher notwendig, um die
heimische Industrie im Streben nach Fortschritt nicht erlahmen zu lassen.
Aber der Löwenanteil gebührt sicherlich dem Mutterlande, das die Mittel zur
Erschließung und Nutzbarmachung der Kolonien aufbringen mußte.

Die Handelsbeziehungen der Kolonien zum Mutterlande stehn in einem
gewissen Zusammenhang mit der Stärke der weißen Bevölkerung. So¬
lange der Handel in Händen weniger großer Firmen ruht und die Zwischen¬
händler Farbige, die Abnehmer nur Eingeborne sind, ist es verständlich, daß
der Absatz vorwiegend der Flagge zufällt, deren Angehörige auf Grund alter
Erfahrungen am vorteilhaftester zu liefern vermögen. Wächst aber die weiße,
namentlich deutsche Bevölkerung, und geht der Zwischenhandel allmählich in
ihre Hände über, so werden sich die direkten Beziehungen zur heimischen In¬
dustrie von selbst entwickeln. Bis jetzt ist die weiße Bevölkerung noch recht klein.
Sie betrug am 1. Januar 1908 (ohne Schutztruppe) 13858 Köpfe (12300 im
Vorjahr). Davon entfielen auf die weibliche Bevölkerung 3438 Köpfe (im
Vorjahr 2688). Es ist also immerhin auch hier eine Zunahme zu beobachten.
Da die Besiedlung von Südwestafrika flott vorwärts schreitet, und die gegen¬
wärtige Erkundungsreise des Unterstaatssekretürs von Lindequist in Ostafrika
hoffentlich auch dort der Besiedlung durch Deutsche den Boden bereiten wird,
so dürfte im laufenden Rechnungsjahre 1908/09 und in den folgenden Jahren
auch in dieser Beziehung ein nennenswerter Aufschwung zu erwarten sein.
Und es wird niemand bestreiten wollen, daß eine Vermehrung der weißen
Bevölkerung am besten eine stetige Steigerung der Produktion, politische
Sicherheit und Hand in Hand damit eine Verminderung der Verwaltungs¬
ausgaben gewährleistet, also eine Besserung der Finanzlage der Kolonien.

Die Entwicklung der Finanzen

der Kolonien kann als durchaus
günstig bezeichnet werden. Die eignen Einnahmen steigen stetig, wenn sie auch
mit den Verwaltungsausgaben noch nicht Schritt zu halten vermögen. Immer¬
hin ist die Grundlage dazu geschaffen, insofern als jetzt die Deckung der außer¬
ordentlichen Bedürfnisse der Kolonien im Wege der Anleihe zu Lasten der
betreffenden Kolonien unter Gesamthaftung aller an der Anleihe beteiligten
Kolonien und unter Garantie des Reichs erfolgt. Damit sind die Kolonien


Die deutschen Kolonien im Jahre ^9^8

selbst noch günstiger gestalten wird. Von der Südsee kann man in Anbetracht
der gewaltigen Entfernung vom Mutterlande billigerweise nicht viel mehr ver¬
langen. Es bieten sich dort für manche Dinge eben günstigere, d. h. nähere
Absatzgebiete und Bezugsquellen. Ungesund dagegen ist das Verhältnis bei
Ostafrika. Es ist wirklich nicht einzusehen, warum wir aus die Dauer den
Handel dieser Kolonie zu fast zwei Dritteln dem Ausland überlassen sollen.
Auch bei Togo muß in dieser Hinsicht auf Besserung hingewirkt werden.
Über die Ursachen dieser Erscheinung und die Mittel zu ihrer Beseitigung
können wir uns hier nicht auslassen, sie werden den Gegenstand einer be¬
sondern Betrachtung bilden. Wir wollen es ganz gewiß nicht den Franzosen
nachmachen, die den fremden Handel mit allen Mitteln von ihren Kolonien
fernzuhalten streben. Eine gewisse Konkurrenz ist sicher notwendig, um die
heimische Industrie im Streben nach Fortschritt nicht erlahmen zu lassen.
Aber der Löwenanteil gebührt sicherlich dem Mutterlande, das die Mittel zur
Erschließung und Nutzbarmachung der Kolonien aufbringen mußte.

Die Handelsbeziehungen der Kolonien zum Mutterlande stehn in einem
gewissen Zusammenhang mit der Stärke der weißen Bevölkerung. So¬
lange der Handel in Händen weniger großer Firmen ruht und die Zwischen¬
händler Farbige, die Abnehmer nur Eingeborne sind, ist es verständlich, daß
der Absatz vorwiegend der Flagge zufällt, deren Angehörige auf Grund alter
Erfahrungen am vorteilhaftester zu liefern vermögen. Wächst aber die weiße,
namentlich deutsche Bevölkerung, und geht der Zwischenhandel allmählich in
ihre Hände über, so werden sich die direkten Beziehungen zur heimischen In¬
dustrie von selbst entwickeln. Bis jetzt ist die weiße Bevölkerung noch recht klein.
Sie betrug am 1. Januar 1908 (ohne Schutztruppe) 13858 Köpfe (12300 im
Vorjahr). Davon entfielen auf die weibliche Bevölkerung 3438 Köpfe (im
Vorjahr 2688). Es ist also immerhin auch hier eine Zunahme zu beobachten.
Da die Besiedlung von Südwestafrika flott vorwärts schreitet, und die gegen¬
wärtige Erkundungsreise des Unterstaatssekretürs von Lindequist in Ostafrika
hoffentlich auch dort der Besiedlung durch Deutsche den Boden bereiten wird,
so dürfte im laufenden Rechnungsjahre 1908/09 und in den folgenden Jahren
auch in dieser Beziehung ein nennenswerter Aufschwung zu erwarten sein.
Und es wird niemand bestreiten wollen, daß eine Vermehrung der weißen
Bevölkerung am besten eine stetige Steigerung der Produktion, politische
Sicherheit und Hand in Hand damit eine Verminderung der Verwaltungs¬
ausgaben gewährleistet, also eine Besserung der Finanzlage der Kolonien.

Die Entwicklung der Finanzen

der Kolonien kann als durchaus
günstig bezeichnet werden. Die eignen Einnahmen steigen stetig, wenn sie auch
mit den Verwaltungsausgaben noch nicht Schritt zu halten vermögen. Immer¬
hin ist die Grundlage dazu geschaffen, insofern als jetzt die Deckung der außer¬
ordentlichen Bedürfnisse der Kolonien im Wege der Anleihe zu Lasten der
betreffenden Kolonien unter Gesamthaftung aller an der Anleihe beteiligten
Kolonien und unter Garantie des Reichs erfolgt. Damit sind die Kolonien


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[0385] Die deutschen Kolonien im Jahre ^9^8 selbst noch günstiger gestalten wird. Von der Südsee kann man in Anbetracht der gewaltigen Entfernung vom Mutterlande billigerweise nicht viel mehr ver¬ langen. Es bieten sich dort für manche Dinge eben günstigere, d. h. nähere Absatzgebiete und Bezugsquellen. Ungesund dagegen ist das Verhältnis bei Ostafrika. Es ist wirklich nicht einzusehen, warum wir aus die Dauer den Handel dieser Kolonie zu fast zwei Dritteln dem Ausland überlassen sollen. Auch bei Togo muß in dieser Hinsicht auf Besserung hingewirkt werden. Über die Ursachen dieser Erscheinung und die Mittel zu ihrer Beseitigung können wir uns hier nicht auslassen, sie werden den Gegenstand einer be¬ sondern Betrachtung bilden. Wir wollen es ganz gewiß nicht den Franzosen nachmachen, die den fremden Handel mit allen Mitteln von ihren Kolonien fernzuhalten streben. Eine gewisse Konkurrenz ist sicher notwendig, um die heimische Industrie im Streben nach Fortschritt nicht erlahmen zu lassen. Aber der Löwenanteil gebührt sicherlich dem Mutterlande, das die Mittel zur Erschließung und Nutzbarmachung der Kolonien aufbringen mußte. Die Handelsbeziehungen der Kolonien zum Mutterlande stehn in einem gewissen Zusammenhang mit der Stärke der weißen Bevölkerung. So¬ lange der Handel in Händen weniger großer Firmen ruht und die Zwischen¬ händler Farbige, die Abnehmer nur Eingeborne sind, ist es verständlich, daß der Absatz vorwiegend der Flagge zufällt, deren Angehörige auf Grund alter Erfahrungen am vorteilhaftester zu liefern vermögen. Wächst aber die weiße, namentlich deutsche Bevölkerung, und geht der Zwischenhandel allmählich in ihre Hände über, so werden sich die direkten Beziehungen zur heimischen In¬ dustrie von selbst entwickeln. Bis jetzt ist die weiße Bevölkerung noch recht klein. Sie betrug am 1. Januar 1908 (ohne Schutztruppe) 13858 Köpfe (12300 im Vorjahr). Davon entfielen auf die weibliche Bevölkerung 3438 Köpfe (im Vorjahr 2688). Es ist also immerhin auch hier eine Zunahme zu beobachten. Da die Besiedlung von Südwestafrika flott vorwärts schreitet, und die gegen¬ wärtige Erkundungsreise des Unterstaatssekretürs von Lindequist in Ostafrika hoffentlich auch dort der Besiedlung durch Deutsche den Boden bereiten wird, so dürfte im laufenden Rechnungsjahre 1908/09 und in den folgenden Jahren auch in dieser Beziehung ein nennenswerter Aufschwung zu erwarten sein. Und es wird niemand bestreiten wollen, daß eine Vermehrung der weißen Bevölkerung am besten eine stetige Steigerung der Produktion, politische Sicherheit und Hand in Hand damit eine Verminderung der Verwaltungs¬ ausgaben gewährleistet, also eine Besserung der Finanzlage der Kolonien. Die Entwicklung der Finanzen der Kolonien kann als durchaus günstig bezeichnet werden. Die eignen Einnahmen steigen stetig, wenn sie auch mit den Verwaltungsausgaben noch nicht Schritt zu halten vermögen. Immer¬ hin ist die Grundlage dazu geschaffen, insofern als jetzt die Deckung der außer¬ ordentlichen Bedürfnisse der Kolonien im Wege der Anleihe zu Lasten der betreffenden Kolonien unter Gesamthaftung aller an der Anleihe beteiligten Kolonien und unter Garantie des Reichs erfolgt. Damit sind die Kolonien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/385>, abgerufen am 06.05.2024.