Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Vie deutschen Kolonien im Jahre ^03

Von einer schweren Fessel befreit und eher in der Lage, eine geordnete Finanz¬
wirtschaft zustande zu bringen. Togo bringt schon seit Jahren seine Ver¬
waltungsausgaben selbst auf, und einzelne Kolonien sind nicht mehr weit davon
entfernt. Sie werden das Ziel um so rascher erreichen, je besser sie es ver¬
steh", die Steuerkraft der Eingebornen zu entwickeln. Hiermit steht, wie immer
wieder betont werden muß, die Entwicklung der Produktion und des Absatzes in
ursächlichen Zusammenhang. Wenn der Eingeborne für die mancherlei Vorteile,
die er von uns hat, Steuern bezahlen muß, so muß er arbeiten. Und wenn er
arbeitet, so hat er Geld, um die Erzeugnisse unsrer Industrie zu kaufen. Seine
Lebenshaltung bessert sich, und die Besteuerung wirkt dadurch sozial.

Nun zu den einzelnen Kolonien, wobei ich mich kurz fassen kann, da noch
besondre Darstellungen folgen werden.

In einigen Kolonien ist nun zufällig der Handel gegen das Vorjahr etwas
zurückgegangen. Das will aber nicht viel besagen, da, wie gesagt, in den
letzten neun Jahren im allgemeinen eine stetige Zunahme zu verzeichnen war
und auch der Gesamthandel der Kolonien im Berichtsjahr gestiegen ist.

Der bessern Übersicht wegen seien die Ergebnisse in Tabellenform wieder¬

Einfuhr Ausfuhr 1901/02 1906/07 1907/08 1901/02 1906/07 1907/03 Ostafrika..... 9511000 25153000 23806000 4623000 10995000 12500000 Kamerun..... 9397000 13305000 17297000 6264000 9946000 15891000 Togo....... 4723000 6433000 6700000 3691000 4199000 5916000 Südwestafrika . . 10075000 68626000 32396000 1242000 333000 1616000 Südseeschutzgebtete 2879000 5492000 5720000 2562000 3615000 3470000 Samoa...... 1571000 2889000 2826000 1006000 2026000 1770000
gegeben:

Bemerkenswert ist demnach nur der gewaltige Aufschwung um fast zehn
Millionen, den der Handel in Kamerun im Jahre 1907/08 aufzuweisen hat,
obwohl ein starker Preissturz beim Kautschuk von ungünstigem Einfluß war.
Die niedrigen Handelsziffern in Südwestafrika erklären sich leicht aus den
Nachwehen des Krieges; im laufenden Jahre 1908/09 werden sie sich jeden¬
falls wesentlich eindrucksvoller gestalten. Der Rückgang in Samoa ist durch
verschiedne Zufälligkeiten bedingt gewesen, die den Ausfuhrwert der Kopra, des
Hauptartikels, ungünstig beeinflußten.

Die Nutzbarmachung der Kolonien durch Einführung und Erweiterung
von Kulturen aller Art, Bergbau, Viehzucht schreitet vorwärts. Gerade in
den nächsten Jahren werden eine ganze Reihe von Unternehmungen ertrag¬
fällig werden und verschiedne Eisenbahnen ihre Wirkung äußern, sodaß eine
bedeutende Steigerung des Umsatzes sicher ist.


In materieller Hinsicht

sind wir also auf dem besten Wege, aus unsern
Kolonien etwas zu machen. Dagegen scheinen mir unsre moralischen
Eroberungen vorläufig nicht sonderlich weit her zu sein.

Immer noch nicht haben wir den richtigen Ton in unserm Verhältnis
zu den Eingebornen gefunden. Dieser Mangel kann von einschneidender Be-


Vie deutschen Kolonien im Jahre ^03

Von einer schweren Fessel befreit und eher in der Lage, eine geordnete Finanz¬
wirtschaft zustande zu bringen. Togo bringt schon seit Jahren seine Ver¬
waltungsausgaben selbst auf, und einzelne Kolonien sind nicht mehr weit davon
entfernt. Sie werden das Ziel um so rascher erreichen, je besser sie es ver¬
steh«, die Steuerkraft der Eingebornen zu entwickeln. Hiermit steht, wie immer
wieder betont werden muß, die Entwicklung der Produktion und des Absatzes in
ursächlichen Zusammenhang. Wenn der Eingeborne für die mancherlei Vorteile,
die er von uns hat, Steuern bezahlen muß, so muß er arbeiten. Und wenn er
arbeitet, so hat er Geld, um die Erzeugnisse unsrer Industrie zu kaufen. Seine
Lebenshaltung bessert sich, und die Besteuerung wirkt dadurch sozial.

Nun zu den einzelnen Kolonien, wobei ich mich kurz fassen kann, da noch
besondre Darstellungen folgen werden.

In einigen Kolonien ist nun zufällig der Handel gegen das Vorjahr etwas
zurückgegangen. Das will aber nicht viel besagen, da, wie gesagt, in den
letzten neun Jahren im allgemeinen eine stetige Zunahme zu verzeichnen war
und auch der Gesamthandel der Kolonien im Berichtsjahr gestiegen ist.

Der bessern Übersicht wegen seien die Ergebnisse in Tabellenform wieder¬

Einfuhr Ausfuhr 1901/02 1906/07 1907/08 1901/02 1906/07 1907/03 Ostafrika..... 9511000 25153000 23806000 4623000 10995000 12500000 Kamerun..... 9397000 13305000 17297000 6264000 9946000 15891000 Togo....... 4723000 6433000 6700000 3691000 4199000 5916000 Südwestafrika . . 10075000 68626000 32396000 1242000 333000 1616000 Südseeschutzgebtete 2879000 5492000 5720000 2562000 3615000 3470000 Samoa...... 1571000 2889000 2826000 1006000 2026000 1770000
gegeben:

Bemerkenswert ist demnach nur der gewaltige Aufschwung um fast zehn
Millionen, den der Handel in Kamerun im Jahre 1907/08 aufzuweisen hat,
obwohl ein starker Preissturz beim Kautschuk von ungünstigem Einfluß war.
Die niedrigen Handelsziffern in Südwestafrika erklären sich leicht aus den
Nachwehen des Krieges; im laufenden Jahre 1908/09 werden sie sich jeden¬
falls wesentlich eindrucksvoller gestalten. Der Rückgang in Samoa ist durch
verschiedne Zufälligkeiten bedingt gewesen, die den Ausfuhrwert der Kopra, des
Hauptartikels, ungünstig beeinflußten.

Die Nutzbarmachung der Kolonien durch Einführung und Erweiterung
von Kulturen aller Art, Bergbau, Viehzucht schreitet vorwärts. Gerade in
den nächsten Jahren werden eine ganze Reihe von Unternehmungen ertrag¬
fällig werden und verschiedne Eisenbahnen ihre Wirkung äußern, sodaß eine
bedeutende Steigerung des Umsatzes sicher ist.


In materieller Hinsicht

sind wir also auf dem besten Wege, aus unsern
Kolonien etwas zu machen. Dagegen scheinen mir unsre moralischen
Eroberungen vorläufig nicht sonderlich weit her zu sein.

Immer noch nicht haben wir den richtigen Ton in unserm Verhältnis
zu den Eingebornen gefunden. Dieser Mangel kann von einschneidender Be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312737"/>
            <fw type="header" place="top"> Vie deutschen Kolonien im Jahre ^03</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1484" prev="#ID_1483"> Von einer schweren Fessel befreit und eher in der Lage, eine geordnete Finanz¬<lb/>
wirtschaft zustande zu bringen. Togo bringt schon seit Jahren seine Ver¬<lb/>
waltungsausgaben selbst auf, und einzelne Kolonien sind nicht mehr weit davon<lb/>
entfernt. Sie werden das Ziel um so rascher erreichen, je besser sie es ver¬<lb/>
steh«, die Steuerkraft der Eingebornen zu entwickeln. Hiermit steht, wie immer<lb/>
wieder betont werden muß, die Entwicklung der Produktion und des Absatzes in<lb/>
ursächlichen Zusammenhang. Wenn der Eingeborne für die mancherlei Vorteile,<lb/>
die er von uns hat, Steuern bezahlen muß, so muß er arbeiten. Und wenn er<lb/>
arbeitet, so hat er Geld, um die Erzeugnisse unsrer Industrie zu kaufen. Seine<lb/>
Lebenshaltung bessert sich, und die Besteuerung wirkt dadurch sozial.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1485"> Nun zu den einzelnen Kolonien, wobei ich mich kurz fassen kann, da noch<lb/>
besondre Darstellungen folgen werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1486"> In einigen Kolonien ist nun zufällig der Handel gegen das Vorjahr etwas<lb/>
zurückgegangen. Das will aber nicht viel besagen, da, wie gesagt, in den<lb/>
letzten neun Jahren im allgemeinen eine stetige Zunahme zu verzeichnen war<lb/>
und auch der Gesamthandel der Kolonien im Berichtsjahr gestiegen ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1487"> Der bessern Übersicht wegen seien die Ergebnisse in Tabellenform wieder¬<lb/><list><item> Einfuhr Ausfuhr</item><item> 1901/02 1906/07   1907/08 1901/02 1906/07 1907/03</item><item> Ostafrika.....       9511000 25153000 23806000 4623000 10995000 12500000</item><item> Kamerun.....       9397000 13305000 17297000 6264000 9946000 15891000</item><item> Togo.......         4723000 6433000  6700000 3691000 4199000 5916000</item><item> Südwestafrika . . 10075000 68626000 32396000 1242000 333000 1616000</item><item> Südseeschutzgebtete 2879000 5492000  5720000 2562000 3615000 3470000</item><item> Samoa......        1571000 2889000  2826000 1006000 2026000 1770000</item></list> gegeben:<lb/><lb/><lb/><lb/><lb/></p><lb/>
            <p xml:id="ID_1488"> Bemerkenswert ist demnach nur der gewaltige Aufschwung um fast zehn<lb/>
Millionen, den der Handel in Kamerun im Jahre 1907/08 aufzuweisen hat,<lb/>
obwohl ein starker Preissturz beim Kautschuk von ungünstigem Einfluß war.<lb/>
Die niedrigen Handelsziffern in Südwestafrika erklären sich leicht aus den<lb/>
Nachwehen des Krieges; im laufenden Jahre 1908/09 werden sie sich jeden¬<lb/>
falls wesentlich eindrucksvoller gestalten. Der Rückgang in Samoa ist durch<lb/>
verschiedne Zufälligkeiten bedingt gewesen, die den Ausfuhrwert der Kopra, des<lb/>
Hauptartikels, ungünstig beeinflußten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1489"> Die Nutzbarmachung der Kolonien durch Einführung und Erweiterung<lb/>
von Kulturen aller Art, Bergbau, Viehzucht schreitet vorwärts. Gerade in<lb/>
den nächsten Jahren werden eine ganze Reihe von Unternehmungen ertrag¬<lb/>
fällig werden und verschiedne Eisenbahnen ihre Wirkung äußern, sodaß eine<lb/>
bedeutende Steigerung des Umsatzes sicher ist.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> In materieller Hinsicht</head>
            <p xml:id="ID_1490"> sind wir also auf dem besten Wege, aus unsern<lb/>
Kolonien etwas zu machen. Dagegen scheinen mir unsre moralischen<lb/>
Eroberungen vorläufig nicht sonderlich weit her zu sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1491" next="#ID_1492"> Immer noch nicht haben wir den richtigen Ton in unserm Verhältnis<lb/>
zu den Eingebornen gefunden.  Dieser Mangel kann von einschneidender Be-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0386] Vie deutschen Kolonien im Jahre ^03 Von einer schweren Fessel befreit und eher in der Lage, eine geordnete Finanz¬ wirtschaft zustande zu bringen. Togo bringt schon seit Jahren seine Ver¬ waltungsausgaben selbst auf, und einzelne Kolonien sind nicht mehr weit davon entfernt. Sie werden das Ziel um so rascher erreichen, je besser sie es ver¬ steh«, die Steuerkraft der Eingebornen zu entwickeln. Hiermit steht, wie immer wieder betont werden muß, die Entwicklung der Produktion und des Absatzes in ursächlichen Zusammenhang. Wenn der Eingeborne für die mancherlei Vorteile, die er von uns hat, Steuern bezahlen muß, so muß er arbeiten. Und wenn er arbeitet, so hat er Geld, um die Erzeugnisse unsrer Industrie zu kaufen. Seine Lebenshaltung bessert sich, und die Besteuerung wirkt dadurch sozial. Nun zu den einzelnen Kolonien, wobei ich mich kurz fassen kann, da noch besondre Darstellungen folgen werden. In einigen Kolonien ist nun zufällig der Handel gegen das Vorjahr etwas zurückgegangen. Das will aber nicht viel besagen, da, wie gesagt, in den letzten neun Jahren im allgemeinen eine stetige Zunahme zu verzeichnen war und auch der Gesamthandel der Kolonien im Berichtsjahr gestiegen ist. Der bessern Übersicht wegen seien die Ergebnisse in Tabellenform wieder¬ Einfuhr Ausfuhr 1901/02 1906/07 1907/08 1901/02 1906/07 1907/03 Ostafrika..... 9511000 25153000 23806000 4623000 10995000 12500000 Kamerun..... 9397000 13305000 17297000 6264000 9946000 15891000 Togo....... 4723000 6433000 6700000 3691000 4199000 5916000 Südwestafrika . . 10075000 68626000 32396000 1242000 333000 1616000 Südseeschutzgebtete 2879000 5492000 5720000 2562000 3615000 3470000 Samoa...... 1571000 2889000 2826000 1006000 2026000 1770000 gegeben: Bemerkenswert ist demnach nur der gewaltige Aufschwung um fast zehn Millionen, den der Handel in Kamerun im Jahre 1907/08 aufzuweisen hat, obwohl ein starker Preissturz beim Kautschuk von ungünstigem Einfluß war. Die niedrigen Handelsziffern in Südwestafrika erklären sich leicht aus den Nachwehen des Krieges; im laufenden Jahre 1908/09 werden sie sich jeden¬ falls wesentlich eindrucksvoller gestalten. Der Rückgang in Samoa ist durch verschiedne Zufälligkeiten bedingt gewesen, die den Ausfuhrwert der Kopra, des Hauptartikels, ungünstig beeinflußten. Die Nutzbarmachung der Kolonien durch Einführung und Erweiterung von Kulturen aller Art, Bergbau, Viehzucht schreitet vorwärts. Gerade in den nächsten Jahren werden eine ganze Reihe von Unternehmungen ertrag¬ fällig werden und verschiedne Eisenbahnen ihre Wirkung äußern, sodaß eine bedeutende Steigerung des Umsatzes sicher ist. In materieller Hinsicht sind wir also auf dem besten Wege, aus unsern Kolonien etwas zu machen. Dagegen scheinen mir unsre moralischen Eroberungen vorläufig nicht sonderlich weit her zu sein. Immer noch nicht haben wir den richtigen Ton in unserm Verhältnis zu den Eingebornen gefunden. Dieser Mangel kann von einschneidender Be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/386
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/386>, abgerufen am 05.05.2024.