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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover

zu stören, und die "gewaltige" englische Koalition verschwand hinter einem
Häufchen Zeitungspapier. Unsre Diplomatie hat sich als gut unterrichtet er¬
wiesen, ihrer würdevollen Haltung dankt Deutschland und mit ihm ganz Europa
den Frieden. Aber das deutsche Volk dankt ihr auch das erhebende Bewußt¬
sein, nach außen hin stark genug zu sein, um im Innern einen tiefgehenden
Reinigungsprozeß durchmachen zu können.


s. Li.


Zur Hchicksalsstunde des ehemaligen Königreichs
Hannover
von G. v. Bismarck 1

is König Georg von Hannover im Jahre 1866 den Entschluß
faßte, die preußischen Vorschlüge schroff zurückweisen zu lassen,
hoffte er auf Österreich und -- auf Frankreich. Auch nachdem
er sein Land verloren hatte, setzte er seine Hoffnung auf das
Ausland. So schreibt er in dem letzten seiner sieben Briefe, dein
Vom 13. Juni 1869, an seinen in Paris lebenden Agenten Meding:") "Da
ich nur das eine Ziel mit der strengsten Konsequenz und nie ermattender
Energie verfolge, unter Gottes gnädigem Beistand und Segen ein großes und
mächtiges Welfenreich wiederherzustellen und meinen Thron wieder aufzu¬
richten, sowie von den teuern Meinigen umgeben als König in alter Selb¬
ständigkeit und Unabhängigkeit zu meinem teuern und so beispiellos treuen
Volke heimzukehren, überdies auch mit des Allmächtigen Hilfe meinen Thron
und mein Reich mit eignen Waffen als Verbündeter Frankreichs und Öster¬
reichs mir wieder zu erobern." Die Ereignisse der Jahre 1870/71 haben
diesen Zielen alle Voraussetzungen abgeschnitten. Der blinde Monarch jedoch
war und blieb das Opfer welsischer Starrköpfigkeit, romantischer Auffassungen
u"d gänzlich unzulänglicher Ratgeber.

Nun befand sich König Georg in der Lage, an seinem Hoflager einen
Gesandten Preußens beglaubigt zu sehen, dem unbedingt Vertrauen zu schenken
er Wohl alle Ursache gehabt hätte; auch dann noch, als die durch eigne und
seiner Berater Schuld schon aufs Äußerste gespannten Beziehungen mit dem
mächtigen Nachbarstaate den Bruch fast unvermeidlich erscheinen ließen. Dieser
Preußische Gesandte, der Prinz Gustav Asenburg-Büdingen, hatte es sich stets



^) Veröffentlicht in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 3. und 4. November 1874,
abgedruckt bei Zlegidi, Band III, Ur. 1022S.
Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover

zu stören, und die „gewaltige" englische Koalition verschwand hinter einem
Häufchen Zeitungspapier. Unsre Diplomatie hat sich als gut unterrichtet er¬
wiesen, ihrer würdevollen Haltung dankt Deutschland und mit ihm ganz Europa
den Frieden. Aber das deutsche Volk dankt ihr auch das erhebende Bewußt¬
sein, nach außen hin stark genug zu sein, um im Innern einen tiefgehenden
Reinigungsprozeß durchmachen zu können.


s. Li.


Zur Hchicksalsstunde des ehemaligen Königreichs
Hannover
von G. v. Bismarck 1

is König Georg von Hannover im Jahre 1866 den Entschluß
faßte, die preußischen Vorschlüge schroff zurückweisen zu lassen,
hoffte er auf Österreich und — auf Frankreich. Auch nachdem
er sein Land verloren hatte, setzte er seine Hoffnung auf das
Ausland. So schreibt er in dem letzten seiner sieben Briefe, dein
Vom 13. Juni 1869, an seinen in Paris lebenden Agenten Meding:") „Da
ich nur das eine Ziel mit der strengsten Konsequenz und nie ermattender
Energie verfolge, unter Gottes gnädigem Beistand und Segen ein großes und
mächtiges Welfenreich wiederherzustellen und meinen Thron wieder aufzu¬
richten, sowie von den teuern Meinigen umgeben als König in alter Selb¬
ständigkeit und Unabhängigkeit zu meinem teuern und so beispiellos treuen
Volke heimzukehren, überdies auch mit des Allmächtigen Hilfe meinen Thron
und mein Reich mit eignen Waffen als Verbündeter Frankreichs und Öster¬
reichs mir wieder zu erobern." Die Ereignisse der Jahre 1870/71 haben
diesen Zielen alle Voraussetzungen abgeschnitten. Der blinde Monarch jedoch
war und blieb das Opfer welsischer Starrköpfigkeit, romantischer Auffassungen
u»d gänzlich unzulänglicher Ratgeber.

Nun befand sich König Georg in der Lage, an seinem Hoflager einen
Gesandten Preußens beglaubigt zu sehen, dem unbedingt Vertrauen zu schenken
er Wohl alle Ursache gehabt hätte; auch dann noch, als die durch eigne und
seiner Berater Schuld schon aufs Äußerste gespannten Beziehungen mit dem
mächtigen Nachbarstaate den Bruch fast unvermeidlich erscheinen ließen. Dieser
Preußische Gesandte, der Prinz Gustav Asenburg-Büdingen, hatte es sich stets



^) Veröffentlicht in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 3. und 4. November 1874,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/15>, abgerufen am 28.04.2024.