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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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immer bleiben. Die Wissenschaft ist international, denn sie kann nur eine sein
wie die Wahrheit, und keine ist es mehr wie die deutsche. So öffnet auch
die Universität Leipzig ihre Pforten bereitwillig und gastfrei nicht nur den
Studierenden aus dem ganzen Reiche und aus allen Ländern deutscher Zunge,
sondern auch den Angehörigen fremder Völker und Weltteile. Aber sie lehrt
deutsch, sie denkt und empfindet deutsch, sie will und soll ihre deutschen Hörer
nicht zu Angehörigen einer internationalen Kirche oder zu Weltbürgern irgend¬
welcher Art erziehen, sondern zu deutschen Staatsbürgern. So ist es denn auch
nicht zufällig, daß sie seit einigen Jahrzehnten zu ihrem Landesherrn in eine neue
und enge persönliche Beziehung getreten ist. Gegenstand fürstlicher Fürsorge ist
sie von ihrer Gründung an gewesen, niemals mehr als unter Herzog Georg,
Kurfürst Moritz, König Johann. Aber erst König Albert, der ruhmvolle und
siegreiche Führer im nationalen Kriege gegen Frankreich, hat die Würde des
reotor mag'niüokutissiinns angenommen, und auch seine Nachfolger tragen sie
nicht nur der Form nach, sondern weil sie sich ihr innerlich verbunden fühlen.
Denn der moderne deutsche Fürstenstand setzt, wie in den besten Zeiten des
alten Reichs, seinen Stolz darein, nicht nur dem eignen Lande, sondern auch
dem Reiche seine Kräfte zu widmen. Ein besondrer Ausdruck dieser Ge¬
sinnung ist die Stellung des rsotor maAniüoönti88linn3 als des höchsten Ober¬
hauptes eine Hochschule, die auf sächsischem Boden den nationalen Geist atmet
und pflegt.

So steht dieses Jubiläum der Universität Leipzig unter den günstigsten Zeichen,
ganz anders als das vierhundertjährige im Jahre 1809 unter dem Drucke des
Rheinbundes und der Napoleonischen Fremdherrschaft. Sie hat allen Wandel
eines halben Jahrtausends überdauert und sich selbst innerlich und äußerlich ge¬
wandelt, aber erhalten hat sie sich, soweit sie ihrer bedarf, die Autonomie ihrer
Verwaltung und die Freiheit der Lehre, einen mittelalterlichen und einen modernen
Besitz. In der Verbindung beider liegen die Bürgschaften für ihre Zukunft.


Veto Kaemmel


Englische Ligenart Brix Förster George Gissing. von übersetzt und bearbeitet von
1

l ville mich ein Fremder um die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten
Englands befragen, so würde ich ihn mir zuerst, ehe ich ihm ant¬
worte, genau ansehen. Ist er ein gewöhnlicher Reisender, würde
ich ihm, damit er staune und bewundre, Groß-London, die "Vlack-
iCountry", Süd-Lancashire und andre Zentren unsrer Kultur
empfehlen; denn sie beweisen sonnenklar, daß wir trotz aller internationalen
Rivalität im Schaffen des Häßlichen immer noch an der Spitze der Zivilisation


Englische «Ligenart

immer bleiben. Die Wissenschaft ist international, denn sie kann nur eine sein
wie die Wahrheit, und keine ist es mehr wie die deutsche. So öffnet auch
die Universität Leipzig ihre Pforten bereitwillig und gastfrei nicht nur den
Studierenden aus dem ganzen Reiche und aus allen Ländern deutscher Zunge,
sondern auch den Angehörigen fremder Völker und Weltteile. Aber sie lehrt
deutsch, sie denkt und empfindet deutsch, sie will und soll ihre deutschen Hörer
nicht zu Angehörigen einer internationalen Kirche oder zu Weltbürgern irgend¬
welcher Art erziehen, sondern zu deutschen Staatsbürgern. So ist es denn auch
nicht zufällig, daß sie seit einigen Jahrzehnten zu ihrem Landesherrn in eine neue
und enge persönliche Beziehung getreten ist. Gegenstand fürstlicher Fürsorge ist
sie von ihrer Gründung an gewesen, niemals mehr als unter Herzog Georg,
Kurfürst Moritz, König Johann. Aber erst König Albert, der ruhmvolle und
siegreiche Führer im nationalen Kriege gegen Frankreich, hat die Würde des
reotor mag'niüokutissiinns angenommen, und auch seine Nachfolger tragen sie
nicht nur der Form nach, sondern weil sie sich ihr innerlich verbunden fühlen.
Denn der moderne deutsche Fürstenstand setzt, wie in den besten Zeiten des
alten Reichs, seinen Stolz darein, nicht nur dem eignen Lande, sondern auch
dem Reiche seine Kräfte zu widmen. Ein besondrer Ausdruck dieser Ge¬
sinnung ist die Stellung des rsotor maAniüoönti88linn3 als des höchsten Ober¬
hauptes eine Hochschule, die auf sächsischem Boden den nationalen Geist atmet
und pflegt.

So steht dieses Jubiläum der Universität Leipzig unter den günstigsten Zeichen,
ganz anders als das vierhundertjährige im Jahre 1809 unter dem Drucke des
Rheinbundes und der Napoleonischen Fremdherrschaft. Sie hat allen Wandel
eines halben Jahrtausends überdauert und sich selbst innerlich und äußerlich ge¬
wandelt, aber erhalten hat sie sich, soweit sie ihrer bedarf, die Autonomie ihrer
Verwaltung und die Freiheit der Lehre, einen mittelalterlichen und einen modernen
Besitz. In der Verbindung beider liegen die Bürgschaften für ihre Zukunft.


Veto Kaemmel


Englische Ligenart Brix Förster George Gissing. von übersetzt und bearbeitet von
1

l ville mich ein Fremder um die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten
Englands befragen, so würde ich ihn mir zuerst, ehe ich ihm ant¬
worte, genau ansehen. Ist er ein gewöhnlicher Reisender, würde
ich ihm, damit er staune und bewundre, Groß-London, die „Vlack-
iCountry", Süd-Lancashire und andre Zentren unsrer Kultur
empfehlen; denn sie beweisen sonnenklar, daß wir trotz aller internationalen
Rivalität im Schaffen des Häßlichen immer noch an der Spitze der Zivilisation


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[0163] Englische «Ligenart immer bleiben. Die Wissenschaft ist international, denn sie kann nur eine sein wie die Wahrheit, und keine ist es mehr wie die deutsche. So öffnet auch die Universität Leipzig ihre Pforten bereitwillig und gastfrei nicht nur den Studierenden aus dem ganzen Reiche und aus allen Ländern deutscher Zunge, sondern auch den Angehörigen fremder Völker und Weltteile. Aber sie lehrt deutsch, sie denkt und empfindet deutsch, sie will und soll ihre deutschen Hörer nicht zu Angehörigen einer internationalen Kirche oder zu Weltbürgern irgend¬ welcher Art erziehen, sondern zu deutschen Staatsbürgern. So ist es denn auch nicht zufällig, daß sie seit einigen Jahrzehnten zu ihrem Landesherrn in eine neue und enge persönliche Beziehung getreten ist. Gegenstand fürstlicher Fürsorge ist sie von ihrer Gründung an gewesen, niemals mehr als unter Herzog Georg, Kurfürst Moritz, König Johann. Aber erst König Albert, der ruhmvolle und siegreiche Führer im nationalen Kriege gegen Frankreich, hat die Würde des reotor mag'niüokutissiinns angenommen, und auch seine Nachfolger tragen sie nicht nur der Form nach, sondern weil sie sich ihr innerlich verbunden fühlen. Denn der moderne deutsche Fürstenstand setzt, wie in den besten Zeiten des alten Reichs, seinen Stolz darein, nicht nur dem eignen Lande, sondern auch dem Reiche seine Kräfte zu widmen. Ein besondrer Ausdruck dieser Ge¬ sinnung ist die Stellung des rsotor maAniüoönti88linn3 als des höchsten Ober¬ hauptes eine Hochschule, die auf sächsischem Boden den nationalen Geist atmet und pflegt. So steht dieses Jubiläum der Universität Leipzig unter den günstigsten Zeichen, ganz anders als das vierhundertjährige im Jahre 1809 unter dem Drucke des Rheinbundes und der Napoleonischen Fremdherrschaft. Sie hat allen Wandel eines halben Jahrtausends überdauert und sich selbst innerlich und äußerlich ge¬ wandelt, aber erhalten hat sie sich, soweit sie ihrer bedarf, die Autonomie ihrer Verwaltung und die Freiheit der Lehre, einen mittelalterlichen und einen modernen Besitz. In der Verbindung beider liegen die Bürgschaften für ihre Zukunft. Veto Kaemmel Englische Ligenart Brix Förster George Gissing. von übersetzt und bearbeitet von 1 l ville mich ein Fremder um die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Englands befragen, so würde ich ihn mir zuerst, ehe ich ihm ant¬ worte, genau ansehen. Ist er ein gewöhnlicher Reisender, würde ich ihm, damit er staune und bewundre, Groß-London, die „Vlack- iCountry", Süd-Lancashire und andre Zentren unsrer Kultur empfehlen; denn sie beweisen sonnenklar, daß wir trotz aller internationalen Rivalität im Schaffen des Häßlichen immer noch an der Spitze der Zivilisation

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/163>, abgerufen am 28.04.2024.