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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Schauspielerelend

ließ den Verfasser Vortrag darüber im Reichskanzleramt halten. Kennzeichnend
für die Willensfestigkeit der Negierung, den begonnenen Weg weiter zu verfolgen,
ist aus den jüngsten Tagen noch die bestimmte Erklärung zur Reichsfinanz¬
reform, die in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung am 26. April erschien:
"Die Regierung nimmt das Recht für sich in Anspruch, in der öffentlichen
Meinung ihre Vorlagen zu vertreten und die konservative Bevölkerung ebenso
wie die liberale in ihrem Sinne aufzuklären."




Hchauspielerelend
von Georg Jahr

>eit im Dezember vorigen Jahres der Krieg zwischen Bühnen¬
genossenschaft und Bühnenverein losbrach und Schauspielergewerk¬
schaft und Arbeitgeberverband einander feindlich gegenübertraten,
ist die Theaterfrage in der Presse nicht mehr zur Ruhe gekommen.
I Es hat sich seitdem in der Öffentlichkeit eine Bewegung zugunsten
der Schauspieler gebildet, die namentlich durch die Enthüllungen der Bühnen¬
genossenschaft und die Darstellung des "Theaterelends" in der gleichnamigen
Broschüre des Abgeordneten Dr. Pfeiffer verursacht worden ist und schon insofern
ein praktisches Ergebnis erreicht hat, als sich der Reichstag in einer erfreulicher¬
weise einstimmig angenommnen Resolution für den baldigen Erlaß eines Neichs-
theatergesetzes ausgesprochen hat.

Es ist hier nicht der Ort, über die internen Streitigkeiten zwischen den
beiden Häusern des Bühnenparlaments zu berichte". Aber das eine muß hier
doch bemerkt werden: die Verurteilung des Bühnenvereins und seiner Mitglieder
in der Öffentlichkeit hat vereinzelt Formen angenommen, die nicht zu billigen
sind und sicherlich weit über das Ziel hinausschießen. Der Bühnenverein, zu
dem nur 104 Direktoren größerer Stadttheater und Hofbühnen gehören, kann
jedenfalls nicht für das Schauspielereleud, das uoch immer in ungeahnt starken!
Maße besteht, verantwortlich gemacht werden. An den meisten "Vereinsbühnen"
herrschen keineswegs schlechte Zustände. Die Gagen, die hier gezahlt werden,
sind im allgemeinen ausreichend, die Arbeitszeit ist nicht übermüßig lang, und
der Schutz von Leben und Gesundheit im Theaterbetriebe scheint zumeist hin¬
länglich und gut geregelt. Bedauerliche Ausnahmen kommen freilich auch unter
ihnen vor. Was an den Vereinsbühnen vom Standpunkte des Sozialpolitikers aus
gesehen tadelnswert erscheint, das sind vor allem die ungünstige Rechtsstellung,
die die Bühnenangehörigen im Vergleich zur Masse der übrigen Privatangestellten
einnehmen, und der mangelhafte gesetzliche Schutz, den sie heute genießen.

Was zunächst die Rechte der Btthnenleitung und der Bühnenmitglieder bei
der Auflösung eines Vertrages betrifft, so wird am besten eine Gegenüberstellung


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Schauspielerelend

ließ den Verfasser Vortrag darüber im Reichskanzleramt halten. Kennzeichnend
für die Willensfestigkeit der Negierung, den begonnenen Weg weiter zu verfolgen,
ist aus den jüngsten Tagen noch die bestimmte Erklärung zur Reichsfinanz¬
reform, die in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung am 26. April erschien:
„Die Regierung nimmt das Recht für sich in Anspruch, in der öffentlichen
Meinung ihre Vorlagen zu vertreten und die konservative Bevölkerung ebenso
wie die liberale in ihrem Sinne aufzuklären."




Hchauspielerelend
von Georg Jahr

>eit im Dezember vorigen Jahres der Krieg zwischen Bühnen¬
genossenschaft und Bühnenverein losbrach und Schauspielergewerk¬
schaft und Arbeitgeberverband einander feindlich gegenübertraten,
ist die Theaterfrage in der Presse nicht mehr zur Ruhe gekommen.
I Es hat sich seitdem in der Öffentlichkeit eine Bewegung zugunsten
der Schauspieler gebildet, die namentlich durch die Enthüllungen der Bühnen¬
genossenschaft und die Darstellung des „Theaterelends" in der gleichnamigen
Broschüre des Abgeordneten Dr. Pfeiffer verursacht worden ist und schon insofern
ein praktisches Ergebnis erreicht hat, als sich der Reichstag in einer erfreulicher¬
weise einstimmig angenommnen Resolution für den baldigen Erlaß eines Neichs-
theatergesetzes ausgesprochen hat.

Es ist hier nicht der Ort, über die internen Streitigkeiten zwischen den
beiden Häusern des Bühnenparlaments zu berichte«. Aber das eine muß hier
doch bemerkt werden: die Verurteilung des Bühnenvereins und seiner Mitglieder
in der Öffentlichkeit hat vereinzelt Formen angenommen, die nicht zu billigen
sind und sicherlich weit über das Ziel hinausschießen. Der Bühnenverein, zu
dem nur 104 Direktoren größerer Stadttheater und Hofbühnen gehören, kann
jedenfalls nicht für das Schauspielereleud, das uoch immer in ungeahnt starken!
Maße besteht, verantwortlich gemacht werden. An den meisten „Vereinsbühnen"
herrschen keineswegs schlechte Zustände. Die Gagen, die hier gezahlt werden,
sind im allgemeinen ausreichend, die Arbeitszeit ist nicht übermüßig lang, und
der Schutz von Leben und Gesundheit im Theaterbetriebe scheint zumeist hin¬
länglich und gut geregelt. Bedauerliche Ausnahmen kommen freilich auch unter
ihnen vor. Was an den Vereinsbühnen vom Standpunkte des Sozialpolitikers aus
gesehen tadelnswert erscheint, das sind vor allem die ungünstige Rechtsstellung,
die die Bühnenangehörigen im Vergleich zur Masse der übrigen Privatangestellten
einnehmen, und der mangelhafte gesetzliche Schutz, den sie heute genießen.

Was zunächst die Rechte der Btthnenleitung und der Bühnenmitglieder bei
der Auflösung eines Vertrages betrifft, so wird am besten eine Gegenüberstellung


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[0025] Schauspielerelend ließ den Verfasser Vortrag darüber im Reichskanzleramt halten. Kennzeichnend für die Willensfestigkeit der Negierung, den begonnenen Weg weiter zu verfolgen, ist aus den jüngsten Tagen noch die bestimmte Erklärung zur Reichsfinanz¬ reform, die in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung am 26. April erschien: „Die Regierung nimmt das Recht für sich in Anspruch, in der öffentlichen Meinung ihre Vorlagen zu vertreten und die konservative Bevölkerung ebenso wie die liberale in ihrem Sinne aufzuklären." Hchauspielerelend von Georg Jahr >eit im Dezember vorigen Jahres der Krieg zwischen Bühnen¬ genossenschaft und Bühnenverein losbrach und Schauspielergewerk¬ schaft und Arbeitgeberverband einander feindlich gegenübertraten, ist die Theaterfrage in der Presse nicht mehr zur Ruhe gekommen. I Es hat sich seitdem in der Öffentlichkeit eine Bewegung zugunsten der Schauspieler gebildet, die namentlich durch die Enthüllungen der Bühnen¬ genossenschaft und die Darstellung des „Theaterelends" in der gleichnamigen Broschüre des Abgeordneten Dr. Pfeiffer verursacht worden ist und schon insofern ein praktisches Ergebnis erreicht hat, als sich der Reichstag in einer erfreulicher¬ weise einstimmig angenommnen Resolution für den baldigen Erlaß eines Neichs- theatergesetzes ausgesprochen hat. Es ist hier nicht der Ort, über die internen Streitigkeiten zwischen den beiden Häusern des Bühnenparlaments zu berichte«. Aber das eine muß hier doch bemerkt werden: die Verurteilung des Bühnenvereins und seiner Mitglieder in der Öffentlichkeit hat vereinzelt Formen angenommen, die nicht zu billigen sind und sicherlich weit über das Ziel hinausschießen. Der Bühnenverein, zu dem nur 104 Direktoren größerer Stadttheater und Hofbühnen gehören, kann jedenfalls nicht für das Schauspielereleud, das uoch immer in ungeahnt starken! Maße besteht, verantwortlich gemacht werden. An den meisten „Vereinsbühnen" herrschen keineswegs schlechte Zustände. Die Gagen, die hier gezahlt werden, sind im allgemeinen ausreichend, die Arbeitszeit ist nicht übermüßig lang, und der Schutz von Leben und Gesundheit im Theaterbetriebe scheint zumeist hin¬ länglich und gut geregelt. Bedauerliche Ausnahmen kommen freilich auch unter ihnen vor. Was an den Vereinsbühnen vom Standpunkte des Sozialpolitikers aus gesehen tadelnswert erscheint, das sind vor allem die ungünstige Rechtsstellung, die die Bühnenangehörigen im Vergleich zur Masse der übrigen Privatangestellten einnehmen, und der mangelhafte gesetzliche Schutz, den sie heute genießen. Was zunächst die Rechte der Btthnenleitung und der Bühnenmitglieder bei der Auflösung eines Vertrages betrifft, so wird am besten eine Gegenüberstellung Grenzboten lit 1W» !Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/25>, abgerufen am 27.04.2024.