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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Der rote Hahn

Vollkommen! sagte Seydewitz.

Ich nehme an, daß wir Seine Schrecklichkeit schon am Dienstag hier haben.
Es würde ihm wenig ähnlich sehen, sich gleich über Deichhof herzumachen. Er
Pflegt sein Opfer gewöhnlich einige Monate zu umkreisen, ehe er es packt. Außerdem
steht Deichhof noch nicht zur Behandlung. Ich verlasse mich also auf Sie -- und
dann müssen Sie in den nächsten Tagen nach Deichhof hinausfahren und dort
Besuch machen. Ich habe Ihnen den Weg gebahnt. Die alte Geschichte ist vergessen.

Seydewitz verneigte sich.

Wie der Herr Bürgermeister wollen.

Der Bürgermeister drehte sich auf dem Stuhl um und sah Seydewitz gütig
an. Lieber junger Freund, ich habe mit Hilmer über Sie gesprochen. Er sieht
das, was im Frühjahr vorgefallen ist, jetzt mit andern Augen an -- und er wird
Freunde brauchen -- Freunde, auf die er sich verlasse" kaun. Wir wissen ja alle,
was auf dem Spiel steht. Sie müssen -- versteh" Sie, Sie müssen hinausfahren.
Ich bitte Sie darum, und Sie haben Freunde draußen. Frau Hilmer kann Sie
gut leiden -- und . . .

Der Bürgermeister lächelte und schwieg.

Seydewitz errötete leicht.

Dann machte sich der Bürgermeister an seine Arbeit.

Was wollte der Alte? fragte Imsen, als Seydewitz in das große Bureau
hinauskam.

Seydewitz zuckte die Achseln und schielte zum Gendarmen hinüber.

Nachher.

Dann kam ein Ortsschulze mit einer Alimentationssache, und das war Scyde-
witzcns spezielles Departement. Es war ganz fürchterlich, wie diese Sachen florierten.

Als Seydewitz und Imsen zusammen vom Bureau nach Hause gingen,
bekam der Assessor die Geschichte von Richter zu hören. Er dachte ein wenig
darüber nach.

Sie sind nicht gut Freund mit Hilmers, sagte er und sah rin seinem launigen
Gesicht und schräggeneigten Kopf zu dem jungen Kollegen auf.

Ich den ja mit Hilmer, wie Sie wissen, im Herbst zusammengeraten, kurz
bevor der Brand auskam. Jetzt fahre ich hinaus und entschuldige mich bei
dem Mann.

Ein bißchen spät, sagte Imsen.

Vielleicht, aber ich habe meine Gründe. Kommt Richter vor mir dorthin, so
kann er nur Unheil anstiften, und das darf er nicht.

Klein-Jnger! sagte Imsen und lachte trocken. Sie treffen Sie wohl oft bei
Postmeister Flinte?

Fräulein Hilmer macht sich nichts aus mir. Wie ich Ihnen sage, ich stehe
wich nicht gut mit der Familie.

Und deshalb wollen Sie edel sein, sagte Imsen und lachte. Liebet eure
Feinde, das ist etwas für Muhme Rilke. Nun wird der Verlorne Sohn meiner
Seel gottesfürchtig.

Seydewitz schwieg.


viertes Aapitel. Die Polizei

. Assessor Richter kam und nahm im Gasthofe Wohnung. Mit ihm kamen der
Kommissar Frederiksen und der Schutzmann Imsen, beide von der Kopenhagner
Polizei. Es gab ein Wallfahrten nach dem "Hofe", um die Kopenhagner zu sehen,
und es wurde in den Winkeln gewispert und geflüstert. Richter war elegant und


Der rote Hahn

Vollkommen! sagte Seydewitz.

Ich nehme an, daß wir Seine Schrecklichkeit schon am Dienstag hier haben.
Es würde ihm wenig ähnlich sehen, sich gleich über Deichhof herzumachen. Er
Pflegt sein Opfer gewöhnlich einige Monate zu umkreisen, ehe er es packt. Außerdem
steht Deichhof noch nicht zur Behandlung. Ich verlasse mich also auf Sie — und
dann müssen Sie in den nächsten Tagen nach Deichhof hinausfahren und dort
Besuch machen. Ich habe Ihnen den Weg gebahnt. Die alte Geschichte ist vergessen.

Seydewitz verneigte sich.

Wie der Herr Bürgermeister wollen.

Der Bürgermeister drehte sich auf dem Stuhl um und sah Seydewitz gütig
an. Lieber junger Freund, ich habe mit Hilmer über Sie gesprochen. Er sieht
das, was im Frühjahr vorgefallen ist, jetzt mit andern Augen an — und er wird
Freunde brauchen — Freunde, auf die er sich verlasse» kaun. Wir wissen ja alle,
was auf dem Spiel steht. Sie müssen — versteh» Sie, Sie müssen hinausfahren.
Ich bitte Sie darum, und Sie haben Freunde draußen. Frau Hilmer kann Sie
gut leiden — und . . .

Der Bürgermeister lächelte und schwieg.

Seydewitz errötete leicht.

Dann machte sich der Bürgermeister an seine Arbeit.

Was wollte der Alte? fragte Imsen, als Seydewitz in das große Bureau
hinauskam.

Seydewitz zuckte die Achseln und schielte zum Gendarmen hinüber.

Nachher.

Dann kam ein Ortsschulze mit einer Alimentationssache, und das war Scyde-
witzcns spezielles Departement. Es war ganz fürchterlich, wie diese Sachen florierten.

Als Seydewitz und Imsen zusammen vom Bureau nach Hause gingen,
bekam der Assessor die Geschichte von Richter zu hören. Er dachte ein wenig
darüber nach.

Sie sind nicht gut Freund mit Hilmers, sagte er und sah rin seinem launigen
Gesicht und schräggeneigten Kopf zu dem jungen Kollegen auf.

Ich den ja mit Hilmer, wie Sie wissen, im Herbst zusammengeraten, kurz
bevor der Brand auskam. Jetzt fahre ich hinaus und entschuldige mich bei
dem Mann.

Ein bißchen spät, sagte Imsen.

Vielleicht, aber ich habe meine Gründe. Kommt Richter vor mir dorthin, so
kann er nur Unheil anstiften, und das darf er nicht.

Klein-Jnger! sagte Imsen und lachte trocken. Sie treffen Sie wohl oft bei
Postmeister Flinte?

Fräulein Hilmer macht sich nichts aus mir. Wie ich Ihnen sage, ich stehe
wich nicht gut mit der Familie.

Und deshalb wollen Sie edel sein, sagte Imsen und lachte. Liebet eure
Feinde, das ist etwas für Muhme Rilke. Nun wird der Verlorne Sohn meiner
Seel gottesfürchtig.

Seydewitz schwieg.


viertes Aapitel. Die Polizei

. Assessor Richter kam und nahm im Gasthofe Wohnung. Mit ihm kamen der
Kommissar Frederiksen und der Schutzmann Imsen, beide von der Kopenhagner
Polizei. Es gab ein Wallfahrten nach dem „Hofe", um die Kopenhagner zu sehen,
und es wurde in den Winkeln gewispert und geflüstert. Richter war elegant und


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[0335] Der rote Hahn Vollkommen! sagte Seydewitz. Ich nehme an, daß wir Seine Schrecklichkeit schon am Dienstag hier haben. Es würde ihm wenig ähnlich sehen, sich gleich über Deichhof herzumachen. Er Pflegt sein Opfer gewöhnlich einige Monate zu umkreisen, ehe er es packt. Außerdem steht Deichhof noch nicht zur Behandlung. Ich verlasse mich also auf Sie — und dann müssen Sie in den nächsten Tagen nach Deichhof hinausfahren und dort Besuch machen. Ich habe Ihnen den Weg gebahnt. Die alte Geschichte ist vergessen. Seydewitz verneigte sich. Wie der Herr Bürgermeister wollen. Der Bürgermeister drehte sich auf dem Stuhl um und sah Seydewitz gütig an. Lieber junger Freund, ich habe mit Hilmer über Sie gesprochen. Er sieht das, was im Frühjahr vorgefallen ist, jetzt mit andern Augen an — und er wird Freunde brauchen — Freunde, auf die er sich verlasse» kaun. Wir wissen ja alle, was auf dem Spiel steht. Sie müssen — versteh» Sie, Sie müssen hinausfahren. Ich bitte Sie darum, und Sie haben Freunde draußen. Frau Hilmer kann Sie gut leiden — und . . . Der Bürgermeister lächelte und schwieg. Seydewitz errötete leicht. Dann machte sich der Bürgermeister an seine Arbeit. Was wollte der Alte? fragte Imsen, als Seydewitz in das große Bureau hinauskam. Seydewitz zuckte die Achseln und schielte zum Gendarmen hinüber. Nachher. Dann kam ein Ortsschulze mit einer Alimentationssache, und das war Scyde- witzcns spezielles Departement. Es war ganz fürchterlich, wie diese Sachen florierten. Als Seydewitz und Imsen zusammen vom Bureau nach Hause gingen, bekam der Assessor die Geschichte von Richter zu hören. Er dachte ein wenig darüber nach. Sie sind nicht gut Freund mit Hilmers, sagte er und sah rin seinem launigen Gesicht und schräggeneigten Kopf zu dem jungen Kollegen auf. Ich den ja mit Hilmer, wie Sie wissen, im Herbst zusammengeraten, kurz bevor der Brand auskam. Jetzt fahre ich hinaus und entschuldige mich bei dem Mann. Ein bißchen spät, sagte Imsen. Vielleicht, aber ich habe meine Gründe. Kommt Richter vor mir dorthin, so kann er nur Unheil anstiften, und das darf er nicht. Klein-Jnger! sagte Imsen und lachte trocken. Sie treffen Sie wohl oft bei Postmeister Flinte? Fräulein Hilmer macht sich nichts aus mir. Wie ich Ihnen sage, ich stehe wich nicht gut mit der Familie. Und deshalb wollen Sie edel sein, sagte Imsen und lachte. Liebet eure Feinde, das ist etwas für Muhme Rilke. Nun wird der Verlorne Sohn meiner Seel gottesfürchtig. Seydewitz schwieg. viertes Aapitel. Die Polizei . Assessor Richter kam und nahm im Gasthofe Wohnung. Mit ihm kamen der Kommissar Frederiksen und der Schutzmann Imsen, beide von der Kopenhagner Polizei. Es gab ein Wallfahrten nach dem „Hofe", um die Kopenhagner zu sehen, und es wurde in den Winkeln gewispert und geflüstert. Richter war elegant und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/335>, abgerufen am 27.04.2024.