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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Der rote Hahn

der Torgauer und der Hohenfriedberger geblasen -- die beiden Märsche sind mir
seitdem Seelenbeschwinger.

Nicht daß ich gleichgiltig an den Kriegern der engern Heimat vorübergegangen
wäre. Ich fehlte nicht beim Regimentsexerzieren auf dem Kugelfang und zehrte
die soldatenarmen Wochen der Ferien hindurch von dem prächtigen Bilde und den
fröhlichen Klängen des Parademarschs in Negimentskolonne. Ich war jedesmal
Zaungast, wenn eine Militärkapelle im Huttenschen oder im Platzschen Garten
konzertierte und ging jahrelang den bayrischen Sturmmarsch und den Sturmschlag
der Tamboure im Ohr in die Klasse, wenn Schulaufgaben bevorstanden. Aber ich sah
in dieser kriegerischen Schönheit und Kraft nur einen Widerschein der preußischen.

Aus diesem Widerschein und aus dem dürftigen Bilde, das ich mir sonst von
dem bewunderten Königs- und Volkstum zusammensuchte, zog ich die Kraft, die ich
in meinem Leben brauchte.

Ich brauchte viel Kraft, meine Bürde war nicht leicht.

(Schluß folgt)




Der rote Hahn Ida Anders von palle Rosenkrantz. Deutsch von
(Fortsetzung)
Siebentes Aapitel. Justesen rekognosziert

M!nten im Zimmer des Verwalters saß Justesen und bekam einen
Happen Brot und einen Schnaps. Der Verwalter war auf dem
Felde, aber Justesen kannte die Räume. Es ärgerte ihn anfangs
ein wenig, daß er auf Deichhof nicht an den Gasttisch kam, aber
Hilmer war nun einmal der Ansicht, daß er in das Verwaltungs-
I zimmer gehöre. Nun war er daran gewöhnt, und gegen die Ver¬
pflegung auf Deichhof ließ sich nichts sagen. Justesen genoß sein Essen mit gutem
Appetit, dann bekam er Kaffee und einen Kognak.

Die Sonne schien munter ins Fenster hinein, und Justesen machte sichs mollig
und behaglich. Draußen im Garten stand Ole und pnsselte an ein paar Blumen
herum. Justesen winkte ihm zu. Er wußte sehr wohl, daß Ole Mathem ein
Freund des Schnapses war. Ole grinste, er war offenbar vortrefflicher Laune,
und es dauerte denn auch gar nicht lange, dann saß Ole im Zimmer des Verwalters
und bekam die kleinen Kognaks, denen er nun einmal nicht widerstehen konnte.

Justesen war matt und friedlich. Ole bekam Zigarren, und Justesen rückte
sich ihm gegenüber behaglich zurecht.

Ich bin neulich draußen bei Ihrer Mutter gewesen, Ole, sagte Justesen, sie
ist sehr bekümmert wegen ihres Söhnchens, sie sagt, der kleine Ole macht seiner
Mutter Sorgen.

Was ist los? sagte Ole etwas unsicher.

Justesen lachte ihn verschmitzt an: Sie sagt, Olechen kommt nicht von der
Flasche los.

Ole grinste wieder. Ich bin an die fünfzig Jahre, Herr Justesen, und das
habe ich getan, seit ich konfirmiert wurde.


Der rote Hahn

der Torgauer und der Hohenfriedberger geblasen — die beiden Märsche sind mir
seitdem Seelenbeschwinger.

Nicht daß ich gleichgiltig an den Kriegern der engern Heimat vorübergegangen
wäre. Ich fehlte nicht beim Regimentsexerzieren auf dem Kugelfang und zehrte
die soldatenarmen Wochen der Ferien hindurch von dem prächtigen Bilde und den
fröhlichen Klängen des Parademarschs in Negimentskolonne. Ich war jedesmal
Zaungast, wenn eine Militärkapelle im Huttenschen oder im Platzschen Garten
konzertierte und ging jahrelang den bayrischen Sturmmarsch und den Sturmschlag
der Tamboure im Ohr in die Klasse, wenn Schulaufgaben bevorstanden. Aber ich sah
in dieser kriegerischen Schönheit und Kraft nur einen Widerschein der preußischen.

Aus diesem Widerschein und aus dem dürftigen Bilde, das ich mir sonst von
dem bewunderten Königs- und Volkstum zusammensuchte, zog ich die Kraft, die ich
in meinem Leben brauchte.

Ich brauchte viel Kraft, meine Bürde war nicht leicht.

(Schluß folgt)




Der rote Hahn Ida Anders von palle Rosenkrantz. Deutsch von
(Fortsetzung)
Siebentes Aapitel. Justesen rekognosziert

M!nten im Zimmer des Verwalters saß Justesen und bekam einen
Happen Brot und einen Schnaps. Der Verwalter war auf dem
Felde, aber Justesen kannte die Räume. Es ärgerte ihn anfangs
ein wenig, daß er auf Deichhof nicht an den Gasttisch kam, aber
Hilmer war nun einmal der Ansicht, daß er in das Verwaltungs-
I zimmer gehöre. Nun war er daran gewöhnt, und gegen die Ver¬
pflegung auf Deichhof ließ sich nichts sagen. Justesen genoß sein Essen mit gutem
Appetit, dann bekam er Kaffee und einen Kognak.

Die Sonne schien munter ins Fenster hinein, und Justesen machte sichs mollig
und behaglich. Draußen im Garten stand Ole und pnsselte an ein paar Blumen
herum. Justesen winkte ihm zu. Er wußte sehr wohl, daß Ole Mathem ein
Freund des Schnapses war. Ole grinste, er war offenbar vortrefflicher Laune,
und es dauerte denn auch gar nicht lange, dann saß Ole im Zimmer des Verwalters
und bekam die kleinen Kognaks, denen er nun einmal nicht widerstehen konnte.

Justesen war matt und friedlich. Ole bekam Zigarren, und Justesen rückte
sich ihm gegenüber behaglich zurecht.

Ich bin neulich draußen bei Ihrer Mutter gewesen, Ole, sagte Justesen, sie
ist sehr bekümmert wegen ihres Söhnchens, sie sagt, der kleine Ole macht seiner
Mutter Sorgen.

Was ist los? sagte Ole etwas unsicher.

Justesen lachte ihn verschmitzt an: Sie sagt, Olechen kommt nicht von der
Flasche los.

Ole grinste wieder. Ich bin an die fünfzig Jahre, Herr Justesen, und das
habe ich getan, seit ich konfirmiert wurde.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/430>, abgerufen am 27.04.2024.