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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Die Amerikaner auf Hawai

Sie ist unlogisch und hat eine große Reihe von Nachteilen für
Staat und Kirche im Gefolge. Dennoch kann sie sich unter Umständen
von selbst aufdrängen, kann sich als vorübergehende Erscheinung durch die
toros mitjöuro, die jede um ihre Existenz besorgte Minorität zusammentreibt,
mit einer gewissen Naturnotwendigkeit ergeben, von niemand gewünscht und in
jedem Falle ein Übel, aber für die Betroffnen unter Umständen das kleinere.
Hoffen wir, daß eine von allen Seiten besonnen geführte Ent¬
wicklung unsrer deutschen Verhältnisse es nie wieder zu einer
solchen Bildung, auch nicht vorübergehend, kommen läßt. Die mit
dem Zentrum gemachten Erfahrungen müssen uns zur steten
Warnung dienen.




Vie Amerikaner auf Hawai
or. Lrnst Schultze vonin

le Wachsamkeit der amerikanischen Behörden auf Hawai ist einer
japanischen Verschwörung auf die Spur gekommen, die mit einem
Streik von 8000 japanischen Zuckerarbcitern in Verbindung steht.
Eine (dein Wortlaut der Gesetze zwar zuwiderlaufende) Haus¬
suchung hat genügendes Material ergeben, um den Verdacht der
amerikanischen Behörden zu rechtfertigen, und obwohl einige der verhafteten
Japaner lebhaft protestieren, wird ihnen nun der Prozeß gemacht werden.

Daß es einmal zu ähnlichen Dingen kommen würde, war vorauszusehen.
Denn es ist den Japanern von jeher ein Dorn im Auge gewesen, daß sich die
Vereinigten Staaten in den Besitz Hawais gesetzt haben. Als 1897 seine
Annexion vorbereitet, und als sie 1898 formell vollzogen wurde, vermochten
die Vereinigten Staaten keinen andern Grund dafür anzugeben als den, daß
eben sein Besitz für sie wertvoll sei. Für Japan aber würde ganz dasselbe
gegolten haben. Hawai stellt gerade so gut einen Vorposten Japans dar wie
einen solchen Amerikas: seine Entfernung von Japan betrügt etwa 3000, die
von San Francisco etwa 2000 Seemeilen. So protestierte denn die japa¬
nische Regierung energisch. Sie erklärte, fortfahren zu wollen, diplomatisch
Krieg dagegen zu führen; möglicherweise würde sie auch noch weitere Mittel
ergreifen, um die Amerikaner an der Annexion zu hindern. Denn es sei Japan
unmöglich, teilnahmlos mit anzusehen, wie die Selbständigkeit Hawais erlösche,
und ruhig die Folgen dieses Erlöschens hinzunehmen.

Wenn nun auch dieser Drohung keinerlei Taten gefolgt sind, so hat doch
Hawai immer ein klein wenig die Bedeutung eines Pulverfasses für Nord¬
amerika behalten. Die Zahl der dort lebenden Japaner übersteigt die der


Die Amerikaner auf Hawai

Sie ist unlogisch und hat eine große Reihe von Nachteilen für
Staat und Kirche im Gefolge. Dennoch kann sie sich unter Umständen
von selbst aufdrängen, kann sich als vorübergehende Erscheinung durch die
toros mitjöuro, die jede um ihre Existenz besorgte Minorität zusammentreibt,
mit einer gewissen Naturnotwendigkeit ergeben, von niemand gewünscht und in
jedem Falle ein Übel, aber für die Betroffnen unter Umständen das kleinere.
Hoffen wir, daß eine von allen Seiten besonnen geführte Ent¬
wicklung unsrer deutschen Verhältnisse es nie wieder zu einer
solchen Bildung, auch nicht vorübergehend, kommen läßt. Die mit
dem Zentrum gemachten Erfahrungen müssen uns zur steten
Warnung dienen.




Vie Amerikaner auf Hawai
or. Lrnst Schultze vonin

le Wachsamkeit der amerikanischen Behörden auf Hawai ist einer
japanischen Verschwörung auf die Spur gekommen, die mit einem
Streik von 8000 japanischen Zuckerarbcitern in Verbindung steht.
Eine (dein Wortlaut der Gesetze zwar zuwiderlaufende) Haus¬
suchung hat genügendes Material ergeben, um den Verdacht der
amerikanischen Behörden zu rechtfertigen, und obwohl einige der verhafteten
Japaner lebhaft protestieren, wird ihnen nun der Prozeß gemacht werden.

Daß es einmal zu ähnlichen Dingen kommen würde, war vorauszusehen.
Denn es ist den Japanern von jeher ein Dorn im Auge gewesen, daß sich die
Vereinigten Staaten in den Besitz Hawais gesetzt haben. Als 1897 seine
Annexion vorbereitet, und als sie 1898 formell vollzogen wurde, vermochten
die Vereinigten Staaten keinen andern Grund dafür anzugeben als den, daß
eben sein Besitz für sie wertvoll sei. Für Japan aber würde ganz dasselbe
gegolten haben. Hawai stellt gerade so gut einen Vorposten Japans dar wie
einen solchen Amerikas: seine Entfernung von Japan betrügt etwa 3000, die
von San Francisco etwa 2000 Seemeilen. So protestierte denn die japa¬
nische Regierung energisch. Sie erklärte, fortfahren zu wollen, diplomatisch
Krieg dagegen zu führen; möglicherweise würde sie auch noch weitere Mittel
ergreifen, um die Amerikaner an der Annexion zu hindern. Denn es sei Japan
unmöglich, teilnahmlos mit anzusehen, wie die Selbständigkeit Hawais erlösche,
und ruhig die Folgen dieses Erlöschens hinzunehmen.

Wenn nun auch dieser Drohung keinerlei Taten gefolgt sind, so hat doch
Hawai immer ein klein wenig die Bedeutung eines Pulverfasses für Nord¬
amerika behalten. Die Zahl der dort lebenden Japaner übersteigt die der


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[0549] Die Amerikaner auf Hawai Sie ist unlogisch und hat eine große Reihe von Nachteilen für Staat und Kirche im Gefolge. Dennoch kann sie sich unter Umständen von selbst aufdrängen, kann sich als vorübergehende Erscheinung durch die toros mitjöuro, die jede um ihre Existenz besorgte Minorität zusammentreibt, mit einer gewissen Naturnotwendigkeit ergeben, von niemand gewünscht und in jedem Falle ein Übel, aber für die Betroffnen unter Umständen das kleinere. Hoffen wir, daß eine von allen Seiten besonnen geführte Ent¬ wicklung unsrer deutschen Verhältnisse es nie wieder zu einer solchen Bildung, auch nicht vorübergehend, kommen läßt. Die mit dem Zentrum gemachten Erfahrungen müssen uns zur steten Warnung dienen. Vie Amerikaner auf Hawai or. Lrnst Schultze vonin le Wachsamkeit der amerikanischen Behörden auf Hawai ist einer japanischen Verschwörung auf die Spur gekommen, die mit einem Streik von 8000 japanischen Zuckerarbcitern in Verbindung steht. Eine (dein Wortlaut der Gesetze zwar zuwiderlaufende) Haus¬ suchung hat genügendes Material ergeben, um den Verdacht der amerikanischen Behörden zu rechtfertigen, und obwohl einige der verhafteten Japaner lebhaft protestieren, wird ihnen nun der Prozeß gemacht werden. Daß es einmal zu ähnlichen Dingen kommen würde, war vorauszusehen. Denn es ist den Japanern von jeher ein Dorn im Auge gewesen, daß sich die Vereinigten Staaten in den Besitz Hawais gesetzt haben. Als 1897 seine Annexion vorbereitet, und als sie 1898 formell vollzogen wurde, vermochten die Vereinigten Staaten keinen andern Grund dafür anzugeben als den, daß eben sein Besitz für sie wertvoll sei. Für Japan aber würde ganz dasselbe gegolten haben. Hawai stellt gerade so gut einen Vorposten Japans dar wie einen solchen Amerikas: seine Entfernung von Japan betrügt etwa 3000, die von San Francisco etwa 2000 Seemeilen. So protestierte denn die japa¬ nische Regierung energisch. Sie erklärte, fortfahren zu wollen, diplomatisch Krieg dagegen zu führen; möglicherweise würde sie auch noch weitere Mittel ergreifen, um die Amerikaner an der Annexion zu hindern. Denn es sei Japan unmöglich, teilnahmlos mit anzusehen, wie die Selbständigkeit Hawais erlösche, und ruhig die Folgen dieses Erlöschens hinzunehmen. Wenn nun auch dieser Drohung keinerlei Taten gefolgt sind, so hat doch Hawai immer ein klein wenig die Bedeutung eines Pulverfasses für Nord¬ amerika behalten. Die Zahl der dort lebenden Japaner übersteigt die der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/549>, abgerufen am 28.04.2024.