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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

andres, und nur seine Erlebnisse sind das Überraschende; sie sind für ihn über¬
raschend, weil er gewöhnlich ist, Aber im modernen psychologischen Romane ist der
Held ungewöhnlich; darum machen ihm auch die ungeheuerlichsten Abenteuer nicht den
entsprechenden Eindruck -- und das Buch ist monoton Langweilig Ein Drachen¬
kämpfer kann sehr wohl eine Mär abgeben, ein Drache inmitten von Drachen aber
nicht. Das Märchen handelt vom Tun eines vernünftigen Menschen inmitten einer
tollen Welt. Der Roman von heute erzählt vom Tun eines ausgemachten Narren
L. Z. in einer öden Welt."


Heinrich und Charlotte Stieglitz.

Ernest Seilliere hat im letzten
Bande seiner Geschichte des Imperialismus (zweiter Band der vorjährigen Grenz¬
boten, S. 515) alle seelischen Krankheiten, mit denen ihm Europa seit 150 Jahren
behaftet zu sein scheint, in dem Worte Romantizismus zusammengefaßt. Die an
dieser Bezeichnung geübte Kritik will ich nicht noch einmal wiederholen und bemerke
nur, daß zwar die von dem französischen Autor verurteilten Gemütszustande und
Denkungsweisen sehr leicht krankhaft werden und es oft geworden sind, daß man
sie aber nicht ohne weiteres schon an sich und unbedingt verurteilen darf. So z. B.
ist es zwar im allgemeinen vom Übel und zu tadeln, wenn der Individualist sein
persönliches Gewissen als die höchste Autorität proklamiert im Widerspruch zur öffent¬
lichen Meinung und zur anerkannten Moral. Aber wenn diese immer und überall
gegen den Einzelnen Recht hätte, dann müßte man die Begründer des Christentums
und der Reformation, müßte man Savonarolci, Galilei, Giordano Bruno und alle
Opfer der Inquisition verurteilen und jeden Fortschritt ein Verbrechen schelten, denn
fast jeder solcher wird von einzelnen gegen den Willen der Mehrheit durchgesetzt,
und Kant wäre mit seiner Autonomie zu den Romantikern zu zählen, unter denen
er sich einigermaßen komisch ausnehmen würde. Seilliere hat nun zur Erholung
von ernstern Arbeitern eine Doppelbiographie herausgegeben, um seine Theorie des
Romantizismus an zwei Lebensläufen zu demonstrieren: vns LrsA"cUo et'^raour an
tsmxs ein Roraantisins. Hsvri se Onarlotts Ltisglitii. ^oso clss cloounrents insciits.)
^.oso un xortrs.it. (?aris, librairis ?1on, 1909.) Auch hier, Wie in seinen größern
Werken, entfaltet er eine genaue Kenntnis der geistigen Strömungen und Zustände
in Deutschland und der deutschen Literatur, die an einem Franzosen nicht genug
bewundert und anerkannt werden kann, und in Frankreich, wo diese Tragödie wahr¬
scheinlich ganz unbekannt ist, wird das Buch ohne Zweifel Aufsehen erregen und
eifrig gelesen werden. Der Deutsche erinnert sich des Ereignisses vom Gymnasium
her, aber die Einzelheiten sind wohl auch bei uns nur wenigen bekannt, weil die
Literatur jener Zeit, die Seilliere benutzt hat, vergessen ist. Auf mich macht seine
Darstellung den Eindruck, daß Charlotte keineswegs als eine überspannte Närrin
abgetan zu werden verdient. Sie war eine bedeutende und energische Frau von
Intelligenz, liebte ihren Gatten leidenschaftlich, und weil ihr das Leben an seiner
Seite unerträglich wurde -- seine aus Einbildung entsprungnen Seelenleiden machten
ihn zuletzt körperlich krank--, so unternahm sie es, mit einem gewagten Experiment
beide zu erlösen. Man darf dieses Experiment der modernen Alceste, wie Seilliere
sie mit Recht nennt, moralisch verurteilen, aber nicht töricht schelten. Wenn sie, wie
manchmal gesagt wird, das in Heinrich gebunden liegende Genie hätte entfesseln
wollen, wäre es eine Torheit gewesen. Aber sie hat, wie seinen Charakter, so auch
seine Begabung durchschaut und ihm einmal gerade herausgesagt, daß es Sünde sei,
sich Aufgaben zu stellen, denen man nicht gewachsen ist. Seinen Charakter hat sie
stählen, seine eingebildeten Schmerzen mit einem wirklichen Schmerz vertreiben wollen.
Und das ist ihr gelungen. Er hat sich nach ihrem Tode ganz verständig benommen,
hat sogar einen zerfahrnen Menschen, den Nabelaisiibersetzer Regis, in Ordnung zu


Maßgebliches und Unmaßgebliches

andres, und nur seine Erlebnisse sind das Überraschende; sie sind für ihn über¬
raschend, weil er gewöhnlich ist, Aber im modernen psychologischen Romane ist der
Held ungewöhnlich; darum machen ihm auch die ungeheuerlichsten Abenteuer nicht den
entsprechenden Eindruck — und das Buch ist monoton Langweilig Ein Drachen¬
kämpfer kann sehr wohl eine Mär abgeben, ein Drache inmitten von Drachen aber
nicht. Das Märchen handelt vom Tun eines vernünftigen Menschen inmitten einer
tollen Welt. Der Roman von heute erzählt vom Tun eines ausgemachten Narren
L. Z. in einer öden Welt."


Heinrich und Charlotte Stieglitz.

Ernest Seilliere hat im letzten
Bande seiner Geschichte des Imperialismus (zweiter Band der vorjährigen Grenz¬
boten, S. 515) alle seelischen Krankheiten, mit denen ihm Europa seit 150 Jahren
behaftet zu sein scheint, in dem Worte Romantizismus zusammengefaßt. Die an
dieser Bezeichnung geübte Kritik will ich nicht noch einmal wiederholen und bemerke
nur, daß zwar die von dem französischen Autor verurteilten Gemütszustande und
Denkungsweisen sehr leicht krankhaft werden und es oft geworden sind, daß man
sie aber nicht ohne weiteres schon an sich und unbedingt verurteilen darf. So z. B.
ist es zwar im allgemeinen vom Übel und zu tadeln, wenn der Individualist sein
persönliches Gewissen als die höchste Autorität proklamiert im Widerspruch zur öffent¬
lichen Meinung und zur anerkannten Moral. Aber wenn diese immer und überall
gegen den Einzelnen Recht hätte, dann müßte man die Begründer des Christentums
und der Reformation, müßte man Savonarolci, Galilei, Giordano Bruno und alle
Opfer der Inquisition verurteilen und jeden Fortschritt ein Verbrechen schelten, denn
fast jeder solcher wird von einzelnen gegen den Willen der Mehrheit durchgesetzt,
und Kant wäre mit seiner Autonomie zu den Romantikern zu zählen, unter denen
er sich einigermaßen komisch ausnehmen würde. Seilliere hat nun zur Erholung
von ernstern Arbeitern eine Doppelbiographie herausgegeben, um seine Theorie des
Romantizismus an zwei Lebensläufen zu demonstrieren: vns LrsA«cUo et'^raour an
tsmxs ein Roraantisins. Hsvri se Onarlotts Ltisglitii. ^oso clss cloounrents insciits.)
^.oso un xortrs.it. (?aris, librairis ?1on, 1909.) Auch hier, Wie in seinen größern
Werken, entfaltet er eine genaue Kenntnis der geistigen Strömungen und Zustände
in Deutschland und der deutschen Literatur, die an einem Franzosen nicht genug
bewundert und anerkannt werden kann, und in Frankreich, wo diese Tragödie wahr¬
scheinlich ganz unbekannt ist, wird das Buch ohne Zweifel Aufsehen erregen und
eifrig gelesen werden. Der Deutsche erinnert sich des Ereignisses vom Gymnasium
her, aber die Einzelheiten sind wohl auch bei uns nur wenigen bekannt, weil die
Literatur jener Zeit, die Seilliere benutzt hat, vergessen ist. Auf mich macht seine
Darstellung den Eindruck, daß Charlotte keineswegs als eine überspannte Närrin
abgetan zu werden verdient. Sie war eine bedeutende und energische Frau von
Intelligenz, liebte ihren Gatten leidenschaftlich, und weil ihr das Leben an seiner
Seite unerträglich wurde — seine aus Einbildung entsprungnen Seelenleiden machten
ihn zuletzt körperlich krank—, so unternahm sie es, mit einem gewagten Experiment
beide zu erlösen. Man darf dieses Experiment der modernen Alceste, wie Seilliere
sie mit Recht nennt, moralisch verurteilen, aber nicht töricht schelten. Wenn sie, wie
manchmal gesagt wird, das in Heinrich gebunden liegende Genie hätte entfesseln
wollen, wäre es eine Torheit gewesen. Aber sie hat, wie seinen Charakter, so auch
seine Begabung durchschaut und ihm einmal gerade herausgesagt, daß es Sünde sei,
sich Aufgaben zu stellen, denen man nicht gewachsen ist. Seinen Charakter hat sie
stählen, seine eingebildeten Schmerzen mit einem wirklichen Schmerz vertreiben wollen.
Und das ist ihr gelungen. Er hat sich nach ihrem Tode ganz verständig benommen,
hat sogar einen zerfahrnen Menschen, den Nabelaisiibersetzer Regis, in Ordnung zu


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[0634] Maßgebliches und Unmaßgebliches andres, und nur seine Erlebnisse sind das Überraschende; sie sind für ihn über¬ raschend, weil er gewöhnlich ist, Aber im modernen psychologischen Romane ist der Held ungewöhnlich; darum machen ihm auch die ungeheuerlichsten Abenteuer nicht den entsprechenden Eindruck — und das Buch ist monoton Langweilig Ein Drachen¬ kämpfer kann sehr wohl eine Mär abgeben, ein Drache inmitten von Drachen aber nicht. Das Märchen handelt vom Tun eines vernünftigen Menschen inmitten einer tollen Welt. Der Roman von heute erzählt vom Tun eines ausgemachten Narren L. Z. in einer öden Welt." Heinrich und Charlotte Stieglitz. Ernest Seilliere hat im letzten Bande seiner Geschichte des Imperialismus (zweiter Band der vorjährigen Grenz¬ boten, S. 515) alle seelischen Krankheiten, mit denen ihm Europa seit 150 Jahren behaftet zu sein scheint, in dem Worte Romantizismus zusammengefaßt. Die an dieser Bezeichnung geübte Kritik will ich nicht noch einmal wiederholen und bemerke nur, daß zwar die von dem französischen Autor verurteilten Gemütszustande und Denkungsweisen sehr leicht krankhaft werden und es oft geworden sind, daß man sie aber nicht ohne weiteres schon an sich und unbedingt verurteilen darf. So z. B. ist es zwar im allgemeinen vom Übel und zu tadeln, wenn der Individualist sein persönliches Gewissen als die höchste Autorität proklamiert im Widerspruch zur öffent¬ lichen Meinung und zur anerkannten Moral. Aber wenn diese immer und überall gegen den Einzelnen Recht hätte, dann müßte man die Begründer des Christentums und der Reformation, müßte man Savonarolci, Galilei, Giordano Bruno und alle Opfer der Inquisition verurteilen und jeden Fortschritt ein Verbrechen schelten, denn fast jeder solcher wird von einzelnen gegen den Willen der Mehrheit durchgesetzt, und Kant wäre mit seiner Autonomie zu den Romantikern zu zählen, unter denen er sich einigermaßen komisch ausnehmen würde. Seilliere hat nun zur Erholung von ernstern Arbeitern eine Doppelbiographie herausgegeben, um seine Theorie des Romantizismus an zwei Lebensläufen zu demonstrieren: vns LrsA«cUo et'^raour an tsmxs ein Roraantisins. Hsvri se Onarlotts Ltisglitii. ^oso clss cloounrents insciits.) ^.oso un xortrs.it. (?aris, librairis ?1on, 1909.) Auch hier, Wie in seinen größern Werken, entfaltet er eine genaue Kenntnis der geistigen Strömungen und Zustände in Deutschland und der deutschen Literatur, die an einem Franzosen nicht genug bewundert und anerkannt werden kann, und in Frankreich, wo diese Tragödie wahr¬ scheinlich ganz unbekannt ist, wird das Buch ohne Zweifel Aufsehen erregen und eifrig gelesen werden. Der Deutsche erinnert sich des Ereignisses vom Gymnasium her, aber die Einzelheiten sind wohl auch bei uns nur wenigen bekannt, weil die Literatur jener Zeit, die Seilliere benutzt hat, vergessen ist. Auf mich macht seine Darstellung den Eindruck, daß Charlotte keineswegs als eine überspannte Närrin abgetan zu werden verdient. Sie war eine bedeutende und energische Frau von Intelligenz, liebte ihren Gatten leidenschaftlich, und weil ihr das Leben an seiner Seite unerträglich wurde — seine aus Einbildung entsprungnen Seelenleiden machten ihn zuletzt körperlich krank—, so unternahm sie es, mit einem gewagten Experiment beide zu erlösen. Man darf dieses Experiment der modernen Alceste, wie Seilliere sie mit Recht nennt, moralisch verurteilen, aber nicht töricht schelten. Wenn sie, wie manchmal gesagt wird, das in Heinrich gebunden liegende Genie hätte entfesseln wollen, wäre es eine Torheit gewesen. Aber sie hat, wie seinen Charakter, so auch seine Begabung durchschaut und ihm einmal gerade herausgesagt, daß es Sünde sei, sich Aufgaben zu stellen, denen man nicht gewachsen ist. Seinen Charakter hat sie stählen, seine eingebildeten Schmerzen mit einem wirklichen Schmerz vertreiben wollen. Und das ist ihr gelungen. Er hat sich nach ihrem Tode ganz verständig benommen, hat sogar einen zerfahrnen Menschen, den Nabelaisiibersetzer Regis, in Ordnung zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/634>, abgerufen am 28.04.2024.