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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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von der Gstmarkensahrt süddeutscher Parlamentarier und Journalisten

Mitteln der praktischen Unwiderstehlichkeit, die er solange geübt hatte. Und als
ihm klar wurde, daß er wohl nur noch Wochen zu leben habe, traf er in voller
Seelenruhe feste Bestimmungen über die möglichste Fortführung seinerBestrebungen
und fand dann, daß auch das bevorstehende Sterben etwas Schönes sei.

Dabei durfte ihm doch wohl auch vorschweben, wie wenig er sein Leben
verschwendet habe, wie manches Bedeutende und Dauernde ihm zu leisten ver¬
gönnt gewesen sei. Übrigens hatte man ihn gelegentlich sehr bestimmt und
offenherzig, natürlich auch mit derben Worten, der großen Fehler gedenken
hören, die er im Laufe seiner Amtsführung begangen habe; er tröstete sich
dafür mit dem Bewußtsein, auch nicht wenig Übles verhindert oder ausgeglichen
zu haben, das andre verschuldeten. Er hatte sich nun ausgelebt in einem un¬
vergleichlich viel bessern Sinne, als so viele Menschen von heute dies zu ihrem
Programm machen. Wie oft ihn auch Kraftgefühl oder Kraftüberschuß, ja auch
das Bewußtsein seines Machtbereichs zu weit fortriß, er war durch Fleiß und
Hingabe das Muster eines Staatsbeamten, während er mit der Selbständigkeit
seiner Ideen und der Lebendigkeit seines Wesens immer vielmehr als Ausnahme
gelten mußte denn als Vorbild. Auf seine Leistungen selbst sollte in dem gegen¬
wärtigen Zusammenhang nicht bestimmter die Rede kommen. Es galt nur die
Zeichnung der ganz eigenartigen und der Welt weithin bekannt, aber den
meisten nie recht klar gewordnen Persönlichkeit. Es galt keinen Panegyrikus:
aber bei allem Willen zu ganz objektiver Kennzeichnung muß der Schreibende
am Ende doch selbst finden, daß das Licht den Schatten sehr überstrahlt. Und
so darf hier zum Schluß um so zuversichtlicher wiederholt werden, was zum
Eingang gesagt wurde: die einzelnen müssen dem viel verzeihen können, der
für das Ganze viel Gutes getan hat. Und der -- so dürfen wir getrost fort¬
fahren -- mit seinen persönlichsten Eigenschaften unzweifelhaft zu den Guten
Wilhelm Münch in der Welt gehörte.




Von der Gstmarkenfahrt süddeutscher Parlamentarier
und Journalisten
M. Reisten Reiseeindrücke von

AMIm Laufe des Tages kamen wir an Gehöften von Ansiedlern aus
allen Teilen Deutschlands vorbei, die zum Teil recht verschieden¬
artig aussahen. Schon in der Umrahmung konnte man da und
Idort die Herkunft der Ansiedler erkennen: wo hohe, schnell-
^ wachsende Zierbäume das Haus überschatteten, da brauchte man
keinen Schwaben zu suchen; der baut nur Obstbüume und Beerensträucher, diese
aber sicher und in Masse, er will seinen Obstgarten ums Haus wie am Neckar.


von der Gstmarkensahrt süddeutscher Parlamentarier und Journalisten

Mitteln der praktischen Unwiderstehlichkeit, die er solange geübt hatte. Und als
ihm klar wurde, daß er wohl nur noch Wochen zu leben habe, traf er in voller
Seelenruhe feste Bestimmungen über die möglichste Fortführung seinerBestrebungen
und fand dann, daß auch das bevorstehende Sterben etwas Schönes sei.

Dabei durfte ihm doch wohl auch vorschweben, wie wenig er sein Leben
verschwendet habe, wie manches Bedeutende und Dauernde ihm zu leisten ver¬
gönnt gewesen sei. Übrigens hatte man ihn gelegentlich sehr bestimmt und
offenherzig, natürlich auch mit derben Worten, der großen Fehler gedenken
hören, die er im Laufe seiner Amtsführung begangen habe; er tröstete sich
dafür mit dem Bewußtsein, auch nicht wenig Übles verhindert oder ausgeglichen
zu haben, das andre verschuldeten. Er hatte sich nun ausgelebt in einem un¬
vergleichlich viel bessern Sinne, als so viele Menschen von heute dies zu ihrem
Programm machen. Wie oft ihn auch Kraftgefühl oder Kraftüberschuß, ja auch
das Bewußtsein seines Machtbereichs zu weit fortriß, er war durch Fleiß und
Hingabe das Muster eines Staatsbeamten, während er mit der Selbständigkeit
seiner Ideen und der Lebendigkeit seines Wesens immer vielmehr als Ausnahme
gelten mußte denn als Vorbild. Auf seine Leistungen selbst sollte in dem gegen¬
wärtigen Zusammenhang nicht bestimmter die Rede kommen. Es galt nur die
Zeichnung der ganz eigenartigen und der Welt weithin bekannt, aber den
meisten nie recht klar gewordnen Persönlichkeit. Es galt keinen Panegyrikus:
aber bei allem Willen zu ganz objektiver Kennzeichnung muß der Schreibende
am Ende doch selbst finden, daß das Licht den Schatten sehr überstrahlt. Und
so darf hier zum Schluß um so zuversichtlicher wiederholt werden, was zum
Eingang gesagt wurde: die einzelnen müssen dem viel verzeihen können, der
für das Ganze viel Gutes getan hat. Und der — so dürfen wir getrost fort¬
fahren — mit seinen persönlichsten Eigenschaften unzweifelhaft zu den Guten
Wilhelm Münch in der Welt gehörte.




Von der Gstmarkenfahrt süddeutscher Parlamentarier
und Journalisten
M. Reisten Reiseeindrücke von

AMIm Laufe des Tages kamen wir an Gehöften von Ansiedlern aus
allen Teilen Deutschlands vorbei, die zum Teil recht verschieden¬
artig aussahen. Schon in der Umrahmung konnte man da und
Idort die Herkunft der Ansiedler erkennen: wo hohe, schnell-
^ wachsende Zierbäume das Haus überschatteten, da brauchte man
keinen Schwaben zu suchen; der baut nur Obstbüume und Beerensträucher, diese
aber sicher und in Masse, er will seinen Obstgarten ums Haus wie am Neckar.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/118>, abgerufen am 03.05.2024.