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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

(sein Bildnis ziert den ersten Halbhart) der einzige: "der uW
die ganze Wahrheit ohne jegliche Beimischung des Verkehrten mit voller Bewußt¬
heit in sich trug." Wer einer solchen Übertreibung fähig ist, bei dem wird man
schwerlich "die ganze Wahrheit ohne Beimischung des Verkehrten" finden. -- Auch
die Lektüre des Buches: Werte und Bewertungen in der Denkevolutton
von Henry van de Vos (Berlin, Karl Curtius, 1909) habe ich mir erspart,
weil sein Ergebnis nur das wohlbekannte einer bekannten Schule ist. Er spricht
es am Schluß in den Sätzen aus: "Der Mensch kann Wohl nicht erwarten, von ^
Leid und Kummer ganz befreit zu sein; sein erweitertes Denkleben macht die Freudon,
aber auch die Leiden vielseitiger. Als so erweiterte Freuden des Menschen aber
wird man es bezeichnen müssen, daß ihm durch die höher differenzierte Vernunft
die denkende Vorstellung des harmonischen Naturgeschehens erstand, und die Er¬
kenntnis, daß auch der Mensch und das menschliche Leben der Harmonie der All¬
natur sich einfügt. Das Bedingtsein in der Natur als deren letzterkennbares höchstes
Gesetz, als das ewig beständige und konstante Sein im steten Wechsel und fließenden
Geschehen, als die Harmonie in der notwendigen Anpassung, erscheint uns im
Schönen, Stiches) erkennen wir im Wahren und betätigen wir im Guten; und in
dieser letzten Erkenntnis eines höchsten alles beherrschenden Gesetzes des Natur¬
geschehens, als dem Unveränderlichen Seinsgrund, vermögen wir die Immanenz der
L. Z. "unbekannten Gottheit" in der Allnatur zu verehren."


Eine neue Ausgabe von Luthers Briefen.

Unter den schönen Neu¬
drucken von klassischen Denkmalen deutscher Geistesgeschichte, die der Inselverlag
herausgibt, ist kürzlich auch eine Sammlung von Briefen Luthers erschienen, auf
die wir unsre Leser hierdurch aufmerksam machen. (Martin Luthers Briefe. In
Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald. Leipzig, 1909. 2 Bände. Schön
gebunden 12 Mark.) Da bisher neben den für die wissenschaftliche Arbeit bestimmten
Ausgaben (die große kritische Ausgabe von Enders ist noch unvollendet) nur kleinere
Sammlungen von Briefen Luthers in deutscher Sprache Verbreitung gefunden haben,
so ist es mit Freuden zu begrüßen, daß hier einmal in würdigsten Gewände eine
stattliche Auswahl von Lutherschen Briefen (die lateinischen in deutscher Übersetzung)
geboten wird, ans der man den vielen immer noch recht wenig bekannten großen
Mann mit allen eigentümlichen Gegensätzen seines Wesens, in seinem Glaubenswut
und seiner Bangigkeit, seiner Zartheit und Derbheit, seiner großen Menschlichkeit
und seinen kleinen Menschlichkeiten, in seinem Kampfestrotz und seiner Friedens-
sehnssucht wirklich kennen lernen kann. Freilich hat auch in dieser Sammlung nur
etwa der zehnte Teil aller erhaltnen Briefe Luthers Aufnahme gefunden. Und
wenn so dem Herausgeber die Aufgabe gestellt war. mir das Wertvollste und Be¬
zeichnendste auszuwählen, so scheint uns das doch nicht überall gelungen. Mancher
von ihm aufgenommene Brief hätte wohl ruhig wegbleiben dürfen (wie etwa
Nummer 117, 228 und andre); dagegen vermißt man so wichtige Schreiben wie
die an Leo den Zehnten und an die auf dem Wormser Reichstag versammelten
Fürsten und mit die schönsten Beispiele der herrlichen Trost- und Mahnbriefe Luthers
(an die Christen in Holland 1523, an feine Mutter 1531. an Joachim von An¬
halt 1534. an Benedikt Pauli 1538, an Albrecht von Mansfeld 1542). die doch
gewiß wesentliche Züge im Bilde Luthers verdeutlichen. Auch die in der Einleitung
gegebne Charakteristik Luthers muß Befremden erregen; wenn Luther hier fast nur
als der große Humcmistenfreuud, Theologieerneuerer und Melancholiker geschildert
wird und ausgesprochen wird, daß er nach seiner Rückkehr von der Wartburg der
ihm gestellten Aufgabe körperlich wie geistig nicht mehr gewachsen gewesen sei (I, 221
ist auch von seinem körperlichen und geistigen Siechtum (!) seit 1521 die Rede), so
scheint da doch die rechte Empfindung für das zu fehlen, was Luther zu einem der
größten Männer unsers Volks gemacht hat. Im übrigen bietet der Herausgeber aber


Maßgebliches und Unmaßgebliches

(sein Bildnis ziert den ersten Halbhart) der einzige: „der uW
die ganze Wahrheit ohne jegliche Beimischung des Verkehrten mit voller Bewußt¬
heit in sich trug." Wer einer solchen Übertreibung fähig ist, bei dem wird man
schwerlich „die ganze Wahrheit ohne Beimischung des Verkehrten" finden. — Auch
die Lektüre des Buches: Werte und Bewertungen in der Denkevolutton
von Henry van de Vos (Berlin, Karl Curtius, 1909) habe ich mir erspart,
weil sein Ergebnis nur das wohlbekannte einer bekannten Schule ist. Er spricht
es am Schluß in den Sätzen aus: „Der Mensch kann Wohl nicht erwarten, von ^
Leid und Kummer ganz befreit zu sein; sein erweitertes Denkleben macht die Freudon,
aber auch die Leiden vielseitiger. Als so erweiterte Freuden des Menschen aber
wird man es bezeichnen müssen, daß ihm durch die höher differenzierte Vernunft
die denkende Vorstellung des harmonischen Naturgeschehens erstand, und die Er¬
kenntnis, daß auch der Mensch und das menschliche Leben der Harmonie der All¬
natur sich einfügt. Das Bedingtsein in der Natur als deren letzterkennbares höchstes
Gesetz, als das ewig beständige und konstante Sein im steten Wechsel und fließenden
Geschehen, als die Harmonie in der notwendigen Anpassung, erscheint uns im
Schönen, Stiches) erkennen wir im Wahren und betätigen wir im Guten; und in
dieser letzten Erkenntnis eines höchsten alles beherrschenden Gesetzes des Natur¬
geschehens, als dem Unveränderlichen Seinsgrund, vermögen wir die Immanenz der
L. Z. »unbekannten Gottheit« in der Allnatur zu verehren."


Eine neue Ausgabe von Luthers Briefen.

Unter den schönen Neu¬
drucken von klassischen Denkmalen deutscher Geistesgeschichte, die der Inselverlag
herausgibt, ist kürzlich auch eine Sammlung von Briefen Luthers erschienen, auf
die wir unsre Leser hierdurch aufmerksam machen. (Martin Luthers Briefe. In
Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald. Leipzig, 1909. 2 Bände. Schön
gebunden 12 Mark.) Da bisher neben den für die wissenschaftliche Arbeit bestimmten
Ausgaben (die große kritische Ausgabe von Enders ist noch unvollendet) nur kleinere
Sammlungen von Briefen Luthers in deutscher Sprache Verbreitung gefunden haben,
so ist es mit Freuden zu begrüßen, daß hier einmal in würdigsten Gewände eine
stattliche Auswahl von Lutherschen Briefen (die lateinischen in deutscher Übersetzung)
geboten wird, ans der man den vielen immer noch recht wenig bekannten großen
Mann mit allen eigentümlichen Gegensätzen seines Wesens, in seinem Glaubenswut
und seiner Bangigkeit, seiner Zartheit und Derbheit, seiner großen Menschlichkeit
und seinen kleinen Menschlichkeiten, in seinem Kampfestrotz und seiner Friedens-
sehnssucht wirklich kennen lernen kann. Freilich hat auch in dieser Sammlung nur
etwa der zehnte Teil aller erhaltnen Briefe Luthers Aufnahme gefunden. Und
wenn so dem Herausgeber die Aufgabe gestellt war. mir das Wertvollste und Be¬
zeichnendste auszuwählen, so scheint uns das doch nicht überall gelungen. Mancher
von ihm aufgenommene Brief hätte wohl ruhig wegbleiben dürfen (wie etwa
Nummer 117, 228 und andre); dagegen vermißt man so wichtige Schreiben wie
die an Leo den Zehnten und an die auf dem Wormser Reichstag versammelten
Fürsten und mit die schönsten Beispiele der herrlichen Trost- und Mahnbriefe Luthers
(an die Christen in Holland 1523, an feine Mutter 1531. an Joachim von An¬
halt 1534. an Benedikt Pauli 1538, an Albrecht von Mansfeld 1542). die doch
gewiß wesentliche Züge im Bilde Luthers verdeutlichen. Auch die in der Einleitung
gegebne Charakteristik Luthers muß Befremden erregen; wenn Luther hier fast nur
als der große Humcmistenfreuud, Theologieerneuerer und Melancholiker geschildert
wird und ausgesprochen wird, daß er nach seiner Rückkehr von der Wartburg der
ihm gestellten Aufgabe körperlich wie geistig nicht mehr gewachsen gewesen sei (I, 221
ist auch von seinem körperlichen und geistigen Siechtum (!) seit 1521 die Rede), so
scheint da doch die rechte Empfindung für das zu fehlen, was Luther zu einem der
größten Männer unsers Volks gemacht hat. Im übrigen bietet der Herausgeber aber


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[0207] Maßgebliches und Unmaßgebliches (sein Bildnis ziert den ersten Halbhart) der einzige: „der uW die ganze Wahrheit ohne jegliche Beimischung des Verkehrten mit voller Bewußt¬ heit in sich trug." Wer einer solchen Übertreibung fähig ist, bei dem wird man schwerlich „die ganze Wahrheit ohne Beimischung des Verkehrten" finden. — Auch die Lektüre des Buches: Werte und Bewertungen in der Denkevolutton von Henry van de Vos (Berlin, Karl Curtius, 1909) habe ich mir erspart, weil sein Ergebnis nur das wohlbekannte einer bekannten Schule ist. Er spricht es am Schluß in den Sätzen aus: „Der Mensch kann Wohl nicht erwarten, von ^ Leid und Kummer ganz befreit zu sein; sein erweitertes Denkleben macht die Freudon, aber auch die Leiden vielseitiger. Als so erweiterte Freuden des Menschen aber wird man es bezeichnen müssen, daß ihm durch die höher differenzierte Vernunft die denkende Vorstellung des harmonischen Naturgeschehens erstand, und die Er¬ kenntnis, daß auch der Mensch und das menschliche Leben der Harmonie der All¬ natur sich einfügt. Das Bedingtsein in der Natur als deren letzterkennbares höchstes Gesetz, als das ewig beständige und konstante Sein im steten Wechsel und fließenden Geschehen, als die Harmonie in der notwendigen Anpassung, erscheint uns im Schönen, Stiches) erkennen wir im Wahren und betätigen wir im Guten; und in dieser letzten Erkenntnis eines höchsten alles beherrschenden Gesetzes des Natur¬ geschehens, als dem Unveränderlichen Seinsgrund, vermögen wir die Immanenz der L. Z. »unbekannten Gottheit« in der Allnatur zu verehren." Eine neue Ausgabe von Luthers Briefen. Unter den schönen Neu¬ drucken von klassischen Denkmalen deutscher Geistesgeschichte, die der Inselverlag herausgibt, ist kürzlich auch eine Sammlung von Briefen Luthers erschienen, auf die wir unsre Leser hierdurch aufmerksam machen. (Martin Luthers Briefe. In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald. Leipzig, 1909. 2 Bände. Schön gebunden 12 Mark.) Da bisher neben den für die wissenschaftliche Arbeit bestimmten Ausgaben (die große kritische Ausgabe von Enders ist noch unvollendet) nur kleinere Sammlungen von Briefen Luthers in deutscher Sprache Verbreitung gefunden haben, so ist es mit Freuden zu begrüßen, daß hier einmal in würdigsten Gewände eine stattliche Auswahl von Lutherschen Briefen (die lateinischen in deutscher Übersetzung) geboten wird, ans der man den vielen immer noch recht wenig bekannten großen Mann mit allen eigentümlichen Gegensätzen seines Wesens, in seinem Glaubenswut und seiner Bangigkeit, seiner Zartheit und Derbheit, seiner großen Menschlichkeit und seinen kleinen Menschlichkeiten, in seinem Kampfestrotz und seiner Friedens- sehnssucht wirklich kennen lernen kann. Freilich hat auch in dieser Sammlung nur etwa der zehnte Teil aller erhaltnen Briefe Luthers Aufnahme gefunden. Und wenn so dem Herausgeber die Aufgabe gestellt war. mir das Wertvollste und Be¬ zeichnendste auszuwählen, so scheint uns das doch nicht überall gelungen. Mancher von ihm aufgenommene Brief hätte wohl ruhig wegbleiben dürfen (wie etwa Nummer 117, 228 und andre); dagegen vermißt man so wichtige Schreiben wie die an Leo den Zehnten und an die auf dem Wormser Reichstag versammelten Fürsten und mit die schönsten Beispiele der herrlichen Trost- und Mahnbriefe Luthers (an die Christen in Holland 1523, an feine Mutter 1531. an Joachim von An¬ halt 1534. an Benedikt Pauli 1538, an Albrecht von Mansfeld 1542). die doch gewiß wesentliche Züge im Bilde Luthers verdeutlichen. Auch die in der Einleitung gegebne Charakteristik Luthers muß Befremden erregen; wenn Luther hier fast nur als der große Humcmistenfreuud, Theologieerneuerer und Melancholiker geschildert wird und ausgesprochen wird, daß er nach seiner Rückkehr von der Wartburg der ihm gestellten Aufgabe körperlich wie geistig nicht mehr gewachsen gewesen sei (I, 221 ist auch von seinem körperlichen und geistigen Siechtum (!) seit 1521 die Rede), so scheint da doch die rechte Empfindung für das zu fehlen, was Luther zu einem der größten Männer unsers Volks gemacht hat. Im übrigen bietet der Herausgeber aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/207>, abgerufen am 04.05.2024.