Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Erdoberfläche entstanden wäre, so würde dieses zarte und winzige Gebilde sehr
wenig Aussicht gehabt haben, erhalten zu bleiben und durch Vermehrung Stamm¬
mutter unzähliger Pflanzen und Tiere zu werden. Sind aber, was weit wahr¬
scheinlicher ist, sobald die Bedingungen für die Entstehung von Zellen vorhanden
waren, deren Millionen und Milliarden über weite Räume hin entstanden, dann
konnte jede dieser Zellen den Ausgangspunkt einer besondern Abstammungslinic
bilden, und jede lebende oder ausgestorbne Tier- oder Pflanzenart wäre somit auf
eine besondre Urzelle (oder auf ganze Haufen gleichgearteter Urzeiten) zurückzu¬
führen. Nach Friedmnnns Hypothese rührt die Ähnlichkeit der großen morpho¬
logischen Gruppen (die also nicht Blntverwandtschaft beweist) wie der Insekte",
Fische, Vögel, Moose teils daher, daß in mehreren verschiednen Urzeiten die Anlage
zu ähnlichen Typen gegeben war, teils daher, daß äußere Umstände die Urtypen
veranlaßten, ähnliche Gestalten anzunehmen (wie denn der Aufenthalt im Wasser
zum Beispiel sogar große Säugetiere fischähnlich gestaltet hat). Nach dieser Hypothese
beruht also die Ähnlichkeit großenteils auf konvergierender Entwicklung ursprünglich
verschiedner Typen, während der Darwinismus nur die divergierende Entwicklung
eines ursprünglich Einen und Dasselbigen kennt. Der Schlußsatz lautet: "Durch
sdie zulässige aber vorläufig nicht bewiesne, nicht einmal beweisbares Annahme einer
Entwicklung des Menschen aus tierischen Vorfahren wird nichts an der Tatsache
geändert, daß der Mensch ein Lebewesen ist, das sich durch seinen Geist und seine
Kulturfähigkeit hoch über alle Tiere, auch über die menschenähnlichsten, erhebt."


Wa. Ostwald, Schule der Elektrizität.

G
emeinverständliche Darstellung
der Elektrik und ihrer Anwendungen nach den modernen Anschauungen und Plau¬
dereien über die neuen Strahlungen. Nach G. Claude, I/VIsotrioits xour tont 1s
inoiulö. (Leipzig, 1909, Verlag von öl>. Werner Klinkhardt.)

Mit dieser Art von gemeinverständlicher Schriftstellerei kann ich mich beim
besten Willen nicht befreunden. Wenn der Bearbeiter seine Vorrede mit dem Satz
beginnt: "An Lehrbüchern der Elektrizität herrscht in Deutschland gewiß kein
Mangel", so ist dem nicht nur beizupflichten, sondern man muß noch hinzufügen:
und zwar an ganz ausgezeichneten. Will man also mit einem neuen derartigen
Werk auf dem Plan erscheinen, so muß man schon etwas besonders Gutes zu bieten
haben. Ich kann mir sehr Wohl denken, daß die fesselnde, graziöse Art zu plaudern,
die einen: gerade in der populär-wissenschaftlichen Literatur Frankreichs häufiger
begegnet, einen Deutschen zur Wiedergabe reizen kann. Wahrscheinlich hat auch
Claudes Originalwerk, das ich nicht kenne, diese eigne Note. Was ist nun in der
Ostwaldschen Bearbeitung daraus geworden? "Hoch lebe die selbsteingerichtete elek¬
trische Hausbelenchtung!" "Das ist mal Reklame, meine Herren Glühlampen¬
fabrikanten. Verstehe ich mich darauf?" "Aha, denkt der Hochspannungsstrom in
der Leitung, da kann ich auch mit! Jawohl!" "Man kann sich nicht wohl einen
Strom ohne Sinn vorstellen -- das soll übrigens kein Witz sein." "Uff! --
sagen Sie? -- Das wäre ein verfrühter Erleichterungsseufzer!" "Eigentlich aber
im Grunde unseres Herzens, da drückt uns der Schuh ganz wo anders." "Sie
befinden sich aber auf einem Holzwege, und auf was für einem." "Was kann denn
nur diese Verrücktheit bedeuten?" "Verflucht! Wo bleiben denn da die Gesetze
von der Schwerkraft?!" Und diese Blütenlese freiwilligen und unfreiwilligen Alles
könnte ich noch spaltenlang fortsetzen. Dazu kommt stellenweise ein ganz wunder¬
liches Deutsch. "Man muß also zugeben, daß alles das von einem Durchströmen
des Drahtes durch einen elektrischen Strom herrührt." "Und seitdem ist der Fort¬
schritt marschiert und mit Riesenschritten marschiert" usw. usw.

Was mich jedoch am meisten stört, ist die uneinheitliche Behandlung des Ganzen.
Stellenweise glaubt man, der Verfasser, oder wohl richtiger der Bearbeiter, spricht


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Erdoberfläche entstanden wäre, so würde dieses zarte und winzige Gebilde sehr
wenig Aussicht gehabt haben, erhalten zu bleiben und durch Vermehrung Stamm¬
mutter unzähliger Pflanzen und Tiere zu werden. Sind aber, was weit wahr¬
scheinlicher ist, sobald die Bedingungen für die Entstehung von Zellen vorhanden
waren, deren Millionen und Milliarden über weite Räume hin entstanden, dann
konnte jede dieser Zellen den Ausgangspunkt einer besondern Abstammungslinic
bilden, und jede lebende oder ausgestorbne Tier- oder Pflanzenart wäre somit auf
eine besondre Urzelle (oder auf ganze Haufen gleichgearteter Urzeiten) zurückzu¬
führen. Nach Friedmnnns Hypothese rührt die Ähnlichkeit der großen morpho¬
logischen Gruppen (die also nicht Blntverwandtschaft beweist) wie der Insekte»,
Fische, Vögel, Moose teils daher, daß in mehreren verschiednen Urzeiten die Anlage
zu ähnlichen Typen gegeben war, teils daher, daß äußere Umstände die Urtypen
veranlaßten, ähnliche Gestalten anzunehmen (wie denn der Aufenthalt im Wasser
zum Beispiel sogar große Säugetiere fischähnlich gestaltet hat). Nach dieser Hypothese
beruht also die Ähnlichkeit großenteils auf konvergierender Entwicklung ursprünglich
verschiedner Typen, während der Darwinismus nur die divergierende Entwicklung
eines ursprünglich Einen und Dasselbigen kennt. Der Schlußsatz lautet: „Durch
sdie zulässige aber vorläufig nicht bewiesne, nicht einmal beweisbares Annahme einer
Entwicklung des Menschen aus tierischen Vorfahren wird nichts an der Tatsache
geändert, daß der Mensch ein Lebewesen ist, das sich durch seinen Geist und seine
Kulturfähigkeit hoch über alle Tiere, auch über die menschenähnlichsten, erhebt."


Wa. Ostwald, Schule der Elektrizität.

G
emeinverständliche Darstellung
der Elektrik und ihrer Anwendungen nach den modernen Anschauungen und Plau¬
dereien über die neuen Strahlungen. Nach G. Claude, I/VIsotrioits xour tont 1s
inoiulö. (Leipzig, 1909, Verlag von öl>. Werner Klinkhardt.)

Mit dieser Art von gemeinverständlicher Schriftstellerei kann ich mich beim
besten Willen nicht befreunden. Wenn der Bearbeiter seine Vorrede mit dem Satz
beginnt: „An Lehrbüchern der Elektrizität herrscht in Deutschland gewiß kein
Mangel", so ist dem nicht nur beizupflichten, sondern man muß noch hinzufügen:
und zwar an ganz ausgezeichneten. Will man also mit einem neuen derartigen
Werk auf dem Plan erscheinen, so muß man schon etwas besonders Gutes zu bieten
haben. Ich kann mir sehr Wohl denken, daß die fesselnde, graziöse Art zu plaudern,
die einen: gerade in der populär-wissenschaftlichen Literatur Frankreichs häufiger
begegnet, einen Deutschen zur Wiedergabe reizen kann. Wahrscheinlich hat auch
Claudes Originalwerk, das ich nicht kenne, diese eigne Note. Was ist nun in der
Ostwaldschen Bearbeitung daraus geworden? „Hoch lebe die selbsteingerichtete elek¬
trische Hausbelenchtung!" „Das ist mal Reklame, meine Herren Glühlampen¬
fabrikanten. Verstehe ich mich darauf?" „Aha, denkt der Hochspannungsstrom in
der Leitung, da kann ich auch mit! Jawohl!" „Man kann sich nicht wohl einen
Strom ohne Sinn vorstellen — das soll übrigens kein Witz sein." „Uff! —
sagen Sie? — Das wäre ein verfrühter Erleichterungsseufzer!" „Eigentlich aber
im Grunde unseres Herzens, da drückt uns der Schuh ganz wo anders." „Sie
befinden sich aber auf einem Holzwege, und auf was für einem." „Was kann denn
nur diese Verrücktheit bedeuten?" „Verflucht! Wo bleiben denn da die Gesetze
von der Schwerkraft?!" Und diese Blütenlese freiwilligen und unfreiwilligen Alles
könnte ich noch spaltenlang fortsetzen. Dazu kommt stellenweise ein ganz wunder¬
liches Deutsch. „Man muß also zugeben, daß alles das von einem Durchströmen
des Drahtes durch einen elektrischen Strom herrührt." „Und seitdem ist der Fort¬
schritt marschiert und mit Riesenschritten marschiert" usw. usw.

Was mich jedoch am meisten stört, ist die uneinheitliche Behandlung des Ganzen.
Stellenweise glaubt man, der Verfasser, oder wohl richtiger der Bearbeiter, spricht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0639" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314986"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2769" prev="#ID_2768"> der Erdoberfläche entstanden wäre, so würde dieses zarte und winzige Gebilde sehr<lb/>
wenig Aussicht gehabt haben, erhalten zu bleiben und durch Vermehrung Stamm¬<lb/>
mutter unzähliger Pflanzen und Tiere zu werden. Sind aber, was weit wahr¬<lb/>
scheinlicher ist, sobald die Bedingungen für die Entstehung von Zellen vorhanden<lb/>
waren, deren Millionen und Milliarden über weite Räume hin entstanden, dann<lb/>
konnte jede dieser Zellen den Ausgangspunkt einer besondern Abstammungslinic<lb/>
bilden, und jede lebende oder ausgestorbne Tier- oder Pflanzenart wäre somit auf<lb/>
eine besondre Urzelle (oder auf ganze Haufen gleichgearteter Urzeiten) zurückzu¬<lb/>
führen. Nach Friedmnnns Hypothese rührt die Ähnlichkeit der großen morpho¬<lb/>
logischen Gruppen (die also nicht Blntverwandtschaft beweist) wie der Insekte»,<lb/>
Fische, Vögel, Moose teils daher, daß in mehreren verschiednen Urzeiten die Anlage<lb/>
zu ähnlichen Typen gegeben war, teils daher, daß äußere Umstände die Urtypen<lb/>
veranlaßten, ähnliche Gestalten anzunehmen (wie denn der Aufenthalt im Wasser<lb/>
zum Beispiel sogar große Säugetiere fischähnlich gestaltet hat). Nach dieser Hypothese<lb/>
beruht also die Ähnlichkeit großenteils auf konvergierender Entwicklung ursprünglich<lb/>
verschiedner Typen, während der Darwinismus nur die divergierende Entwicklung<lb/>
eines ursprünglich Einen und Dasselbigen kennt. Der Schlußsatz lautet: &#x201E;Durch<lb/>
sdie zulässige aber vorläufig nicht bewiesne, nicht einmal beweisbares Annahme einer<lb/>
Entwicklung des Menschen aus tierischen Vorfahren wird nichts an der Tatsache<lb/>
geändert, daß der Mensch ein Lebewesen ist, das sich durch seinen Geist und seine<lb/>
Kulturfähigkeit hoch über alle Tiere, auch über die menschenähnlichsten, erhebt."</p><lb/>
            <note type="byline"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Wa. Ostwald, Schule der Elektrizität.</head>
            <p xml:id="ID_2770"> G<lb/>
emeinverständliche Darstellung<lb/>
der Elektrik und ihrer Anwendungen nach den modernen Anschauungen und Plau¬<lb/>
dereien über die neuen Strahlungen. Nach G. Claude, I/VIsotrioits xour tont 1s<lb/>
inoiulö.  (Leipzig, 1909, Verlag von öl&gt;. Werner Klinkhardt.)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2771"> Mit dieser Art von gemeinverständlicher Schriftstellerei kann ich mich beim<lb/>
besten Willen nicht befreunden. Wenn der Bearbeiter seine Vorrede mit dem Satz<lb/>
beginnt: &#x201E;An Lehrbüchern der Elektrizität herrscht in Deutschland gewiß kein<lb/>
Mangel", so ist dem nicht nur beizupflichten, sondern man muß noch hinzufügen:<lb/>
und zwar an ganz ausgezeichneten. Will man also mit einem neuen derartigen<lb/>
Werk auf dem Plan erscheinen, so muß man schon etwas besonders Gutes zu bieten<lb/>
haben. Ich kann mir sehr Wohl denken, daß die fesselnde, graziöse Art zu plaudern,<lb/>
die einen: gerade in der populär-wissenschaftlichen Literatur Frankreichs häufiger<lb/>
begegnet, einen Deutschen zur Wiedergabe reizen kann. Wahrscheinlich hat auch<lb/>
Claudes Originalwerk, das ich nicht kenne, diese eigne Note. Was ist nun in der<lb/>
Ostwaldschen Bearbeitung daraus geworden? &#x201E;Hoch lebe die selbsteingerichtete elek¬<lb/>
trische Hausbelenchtung!" &#x201E;Das ist mal Reklame, meine Herren Glühlampen¬<lb/>
fabrikanten. Verstehe ich mich darauf?" &#x201E;Aha, denkt der Hochspannungsstrom in<lb/>
der Leitung, da kann ich auch mit! Jawohl!" &#x201E;Man kann sich nicht wohl einen<lb/>
Strom ohne Sinn vorstellen &#x2014; das soll übrigens kein Witz sein." &#x201E;Uff! &#x2014;<lb/>
sagen Sie? &#x2014; Das wäre ein verfrühter Erleichterungsseufzer!" &#x201E;Eigentlich aber<lb/>
im Grunde unseres Herzens, da drückt uns der Schuh ganz wo anders." &#x201E;Sie<lb/>
befinden sich aber auf einem Holzwege, und auf was für einem." &#x201E;Was kann denn<lb/>
nur diese Verrücktheit bedeuten?" &#x201E;Verflucht! Wo bleiben denn da die Gesetze<lb/>
von der Schwerkraft?!" Und diese Blütenlese freiwilligen und unfreiwilligen Alles<lb/>
könnte ich noch spaltenlang fortsetzen. Dazu kommt stellenweise ein ganz wunder¬<lb/>
liches Deutsch. &#x201E;Man muß also zugeben, daß alles das von einem Durchströmen<lb/>
des Drahtes durch einen elektrischen Strom herrührt." &#x201E;Und seitdem ist der Fort¬<lb/>
schritt marschiert und mit Riesenschritten marschiert" usw. usw.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2772" next="#ID_2773"> Was mich jedoch am meisten stört, ist die uneinheitliche Behandlung des Ganzen.<lb/>
Stellenweise glaubt man, der Verfasser, oder wohl richtiger der Bearbeiter, spricht</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0639] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Erdoberfläche entstanden wäre, so würde dieses zarte und winzige Gebilde sehr wenig Aussicht gehabt haben, erhalten zu bleiben und durch Vermehrung Stamm¬ mutter unzähliger Pflanzen und Tiere zu werden. Sind aber, was weit wahr¬ scheinlicher ist, sobald die Bedingungen für die Entstehung von Zellen vorhanden waren, deren Millionen und Milliarden über weite Räume hin entstanden, dann konnte jede dieser Zellen den Ausgangspunkt einer besondern Abstammungslinic bilden, und jede lebende oder ausgestorbne Tier- oder Pflanzenart wäre somit auf eine besondre Urzelle (oder auf ganze Haufen gleichgearteter Urzeiten) zurückzu¬ führen. Nach Friedmnnns Hypothese rührt die Ähnlichkeit der großen morpho¬ logischen Gruppen (die also nicht Blntverwandtschaft beweist) wie der Insekte», Fische, Vögel, Moose teils daher, daß in mehreren verschiednen Urzeiten die Anlage zu ähnlichen Typen gegeben war, teils daher, daß äußere Umstände die Urtypen veranlaßten, ähnliche Gestalten anzunehmen (wie denn der Aufenthalt im Wasser zum Beispiel sogar große Säugetiere fischähnlich gestaltet hat). Nach dieser Hypothese beruht also die Ähnlichkeit großenteils auf konvergierender Entwicklung ursprünglich verschiedner Typen, während der Darwinismus nur die divergierende Entwicklung eines ursprünglich Einen und Dasselbigen kennt. Der Schlußsatz lautet: „Durch sdie zulässige aber vorläufig nicht bewiesne, nicht einmal beweisbares Annahme einer Entwicklung des Menschen aus tierischen Vorfahren wird nichts an der Tatsache geändert, daß der Mensch ein Lebewesen ist, das sich durch seinen Geist und seine Kulturfähigkeit hoch über alle Tiere, auch über die menschenähnlichsten, erhebt." Wa. Ostwald, Schule der Elektrizität. G emeinverständliche Darstellung der Elektrik und ihrer Anwendungen nach den modernen Anschauungen und Plau¬ dereien über die neuen Strahlungen. Nach G. Claude, I/VIsotrioits xour tont 1s inoiulö. (Leipzig, 1909, Verlag von öl>. Werner Klinkhardt.) Mit dieser Art von gemeinverständlicher Schriftstellerei kann ich mich beim besten Willen nicht befreunden. Wenn der Bearbeiter seine Vorrede mit dem Satz beginnt: „An Lehrbüchern der Elektrizität herrscht in Deutschland gewiß kein Mangel", so ist dem nicht nur beizupflichten, sondern man muß noch hinzufügen: und zwar an ganz ausgezeichneten. Will man also mit einem neuen derartigen Werk auf dem Plan erscheinen, so muß man schon etwas besonders Gutes zu bieten haben. Ich kann mir sehr Wohl denken, daß die fesselnde, graziöse Art zu plaudern, die einen: gerade in der populär-wissenschaftlichen Literatur Frankreichs häufiger begegnet, einen Deutschen zur Wiedergabe reizen kann. Wahrscheinlich hat auch Claudes Originalwerk, das ich nicht kenne, diese eigne Note. Was ist nun in der Ostwaldschen Bearbeitung daraus geworden? „Hoch lebe die selbsteingerichtete elek¬ trische Hausbelenchtung!" „Das ist mal Reklame, meine Herren Glühlampen¬ fabrikanten. Verstehe ich mich darauf?" „Aha, denkt der Hochspannungsstrom in der Leitung, da kann ich auch mit! Jawohl!" „Man kann sich nicht wohl einen Strom ohne Sinn vorstellen — das soll übrigens kein Witz sein." „Uff! — sagen Sie? — Das wäre ein verfrühter Erleichterungsseufzer!" „Eigentlich aber im Grunde unseres Herzens, da drückt uns der Schuh ganz wo anders." „Sie befinden sich aber auf einem Holzwege, und auf was für einem." „Was kann denn nur diese Verrücktheit bedeuten?" „Verflucht! Wo bleiben denn da die Gesetze von der Schwerkraft?!" Und diese Blütenlese freiwilligen und unfreiwilligen Alles könnte ich noch spaltenlang fortsetzen. Dazu kommt stellenweise ein ganz wunder¬ liches Deutsch. „Man muß also zugeben, daß alles das von einem Durchströmen des Drahtes durch einen elektrischen Strom herrührt." „Und seitdem ist der Fort¬ schritt marschiert und mit Riesenschritten marschiert" usw. usw. Was mich jedoch am meisten stört, ist die uneinheitliche Behandlung des Ganzen. Stellenweise glaubt man, der Verfasser, oder wohl richtiger der Bearbeiter, spricht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/639
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/639>, abgerufen am 04.05.2024.