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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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4) Im Aamps gegen die Übermacht
Berne Lie Roman von
Berechtigte Übersetzung von Mathilde Mann
(Fortsetzung.)

Aus dein Kirchen- und Schnlfonds war eine Summe zum Bau eines Schul¬
gebäudes in der Storsleter Gemeinde bewilligt worden. Der Bischof hatte nach
der Einführung mit Sören Römer über die Sache geredet und ihm erklärt, daß
es sich darum handele, ob dies Geld zu einer erforderlichen Reparation des Schul¬
hauses in Storslet selbst oder zu einem Neubau am Ende des Fjordes verwendet
werden sollte. Der Bischof selbst wolle keine Entscheidung treffen, sondern sie dem
Pfarrer überlassen, der bessere Gelegenheit als irgendein anderer habe, sich mit
den Verhältnissen vertraut zu machen.

Diese Schulhausfrage hatte Sören Römer die größten Schwierigkeiten bereitet.
Über nichts stritt man sich so sehr wie hierüber. Und da der Streit hier wie stets
verdeckt geführt wurde, nur in verblümten Andeutungen und auf allerlei privat¬
gastfreundliche Weise, lebte er in einer beständigen Angst, in seinem Wohlwollen
und seiner Höflichkeit bald dem einen, bald dem anderen zuviel gesagt oder ver¬
sprochen zu haben.

Noch verwickelter wurde die Sache, als ihm klar wurde, daß in Sandövär,
nämlich bei Herrn Dankert Steenbuks, für eine dritte Möglichkeit gewirkt wurde,
nämlich für die Errichtung eines ganz neuen Schulkreises für das große Schären¬
gebiet da draußen, mit Lehrer und neuem Hause.

Er mußte sich selbst sagen, daß alle drei Forderungen die größte Berechtigung
hatten. Aber die endgültige Entscheidung hing von übersichtlichen Aufklärungen,
von bestimmten, offenen Aussprüchen ab, -- und es war ihm nicht möglich, einem
der Teile diese abzuringen. Wandte er sich in dieser Sache schriftlich an irgend
jemand, so erhielt er regelmäßig die Antwort, diese Frage könne man ja am besten
mündlich, bei der nächsten Begegnung, bereden. Nach jeder Richtung hin aus¬
weichend. Und er begriff, daß trotz aller Erbitterung und Mißgunst eine tiefe
Angst unter diesen Menschen herrschte, einander offen zu verletzen oder zu beleidige".

So verging die Zeit, die Stunde der Entscheidung rückte näher, und der
Pfarrer hatte ein peinigendes Gefühl, daß aller Augen auf ihm ruhten in sicherer
Erwartung einer für sie, nicht aber für irgendeinen andern günstigen Ent¬
scheidung. -- --

Endlich, eines Tages im März, durchbrach Herr Willatz Steenbuk den Nebel
und das Schweigen und ging bei Tische direkt auf die Sache los, indem er --
mit entschiedener Unterstützung von feiten der Madame, Tante Marena und Jungfer
Kane -- den ersten Rang der Storsleter Hauptgemeinde und ihre ersten Ansprüche
auf die bewilligte Summe Geldes hervorhob.




4) Im Aamps gegen die Übermacht
Berne Lie Roman von
Berechtigte Übersetzung von Mathilde Mann
(Fortsetzung.)

Aus dein Kirchen- und Schnlfonds war eine Summe zum Bau eines Schul¬
gebäudes in der Storsleter Gemeinde bewilligt worden. Der Bischof hatte nach
der Einführung mit Sören Römer über die Sache geredet und ihm erklärt, daß
es sich darum handele, ob dies Geld zu einer erforderlichen Reparation des Schul¬
hauses in Storslet selbst oder zu einem Neubau am Ende des Fjordes verwendet
werden sollte. Der Bischof selbst wolle keine Entscheidung treffen, sondern sie dem
Pfarrer überlassen, der bessere Gelegenheit als irgendein anderer habe, sich mit
den Verhältnissen vertraut zu machen.

Diese Schulhausfrage hatte Sören Römer die größten Schwierigkeiten bereitet.
Über nichts stritt man sich so sehr wie hierüber. Und da der Streit hier wie stets
verdeckt geführt wurde, nur in verblümten Andeutungen und auf allerlei privat¬
gastfreundliche Weise, lebte er in einer beständigen Angst, in seinem Wohlwollen
und seiner Höflichkeit bald dem einen, bald dem anderen zuviel gesagt oder ver¬
sprochen zu haben.

Noch verwickelter wurde die Sache, als ihm klar wurde, daß in Sandövär,
nämlich bei Herrn Dankert Steenbuks, für eine dritte Möglichkeit gewirkt wurde,
nämlich für die Errichtung eines ganz neuen Schulkreises für das große Schären¬
gebiet da draußen, mit Lehrer und neuem Hause.

Er mußte sich selbst sagen, daß alle drei Forderungen die größte Berechtigung
hatten. Aber die endgültige Entscheidung hing von übersichtlichen Aufklärungen,
von bestimmten, offenen Aussprüchen ab, — und es war ihm nicht möglich, einem
der Teile diese abzuringen. Wandte er sich in dieser Sache schriftlich an irgend
jemand, so erhielt er regelmäßig die Antwort, diese Frage könne man ja am besten
mündlich, bei der nächsten Begegnung, bereden. Nach jeder Richtung hin aus¬
weichend. Und er begriff, daß trotz aller Erbitterung und Mißgunst eine tiefe
Angst unter diesen Menschen herrschte, einander offen zu verletzen oder zu beleidige».

So verging die Zeit, die Stunde der Entscheidung rückte näher, und der
Pfarrer hatte ein peinigendes Gefühl, daß aller Augen auf ihm ruhten in sicherer
Erwartung einer für sie, nicht aber für irgendeinen andern günstigen Ent¬
scheidung. — —

Endlich, eines Tages im März, durchbrach Herr Willatz Steenbuk den Nebel
und das Schweigen und ging bei Tische direkt auf die Sache los, indem er —
mit entschiedener Unterstützung von feiten der Madame, Tante Marena und Jungfer
Kane — den ersten Rang der Storsleter Hauptgemeinde und ihre ersten Ansprüche
auf die bewilligte Summe Geldes hervorhob.


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[0434] [Abbildung] 4) Im Aamps gegen die Übermacht Berne Lie Roman von Berechtigte Übersetzung von Mathilde Mann (Fortsetzung.) Aus dein Kirchen- und Schnlfonds war eine Summe zum Bau eines Schul¬ gebäudes in der Storsleter Gemeinde bewilligt worden. Der Bischof hatte nach der Einführung mit Sören Römer über die Sache geredet und ihm erklärt, daß es sich darum handele, ob dies Geld zu einer erforderlichen Reparation des Schul¬ hauses in Storslet selbst oder zu einem Neubau am Ende des Fjordes verwendet werden sollte. Der Bischof selbst wolle keine Entscheidung treffen, sondern sie dem Pfarrer überlassen, der bessere Gelegenheit als irgendein anderer habe, sich mit den Verhältnissen vertraut zu machen. Diese Schulhausfrage hatte Sören Römer die größten Schwierigkeiten bereitet. Über nichts stritt man sich so sehr wie hierüber. Und da der Streit hier wie stets verdeckt geführt wurde, nur in verblümten Andeutungen und auf allerlei privat¬ gastfreundliche Weise, lebte er in einer beständigen Angst, in seinem Wohlwollen und seiner Höflichkeit bald dem einen, bald dem anderen zuviel gesagt oder ver¬ sprochen zu haben. Noch verwickelter wurde die Sache, als ihm klar wurde, daß in Sandövär, nämlich bei Herrn Dankert Steenbuks, für eine dritte Möglichkeit gewirkt wurde, nämlich für die Errichtung eines ganz neuen Schulkreises für das große Schären¬ gebiet da draußen, mit Lehrer und neuem Hause. Er mußte sich selbst sagen, daß alle drei Forderungen die größte Berechtigung hatten. Aber die endgültige Entscheidung hing von übersichtlichen Aufklärungen, von bestimmten, offenen Aussprüchen ab, — und es war ihm nicht möglich, einem der Teile diese abzuringen. Wandte er sich in dieser Sache schriftlich an irgend jemand, so erhielt er regelmäßig die Antwort, diese Frage könne man ja am besten mündlich, bei der nächsten Begegnung, bereden. Nach jeder Richtung hin aus¬ weichend. Und er begriff, daß trotz aller Erbitterung und Mißgunst eine tiefe Angst unter diesen Menschen herrschte, einander offen zu verletzen oder zu beleidige». So verging die Zeit, die Stunde der Entscheidung rückte näher, und der Pfarrer hatte ein peinigendes Gefühl, daß aller Augen auf ihm ruhten in sicherer Erwartung einer für sie, nicht aber für irgendeinen andern günstigen Ent¬ scheidung. — — Endlich, eines Tages im März, durchbrach Herr Willatz Steenbuk den Nebel und das Schweigen und ging bei Tische direkt auf die Sache los, indem er — mit entschiedener Unterstützung von feiten der Madame, Tante Marena und Jungfer Kane — den ersten Rang der Storsleter Hauptgemeinde und ihre ersten Ansprüche auf die bewilligte Summe Geldes hervorhob.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/434>, abgerufen am 21.05.2024.