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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Der Verfasser der vorliegenden Schilderungen protestiert gegen diese auf
beiden Seiten des Ozeans übliche Phrase, und er würde den Zweck dieser
Betrachtungen für erfüllt halten, wenn die Mehrzahl der Leser seinen Protest
durch ebendiese Schilderungen für berechtigt und begründet ansehen würde.

Auf den Vorwurf der Verunglimpfung und der Verhöhnung der amerika¬
nischen Lebensanschauungen, Verhältnisse und Zustände macht sich der Verfasser
gefaßt.

Er kann dies um so ruhiger und gleichmütiger, als er selbst von der Tüchtigkeit
des amerikanischen Volkes und der großen Rolle, die es in der zukünftigen
Kulturentwicklung der Menschheit spielen wird, tief durchdrungen ist, mindestens
ebenso tief wie irgendeiner jener vorwurfsvollen Tadler. Aber gerade weil er davon
so tief durchdrungen ist, weil er trotz alledem und alledem so fest an die Zukunft
der Vereinigten Staaten von Amerika als wirkliches Land der Freiheit glaubt,
deshalb hofft er so zuversichtlich darauf, daß sich das amerikanische Volk allmählich
von jenen unwürdigen Banden der Heuchelei frei machen werde, die es bis
jetzt noch daran verhindern, daß jene schöne Hoffnung in Erfüllung gehe!




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Was können wir von der Weltausstellung in Brüssel lernen?

Seit Jahren schon wird immer wieder die Frage erörtert, ob es nicht richtig wäre,
in Deutschland eine Weltausstellung ins Leben zu rufen, wobei in erster Linie
natürlich immer an Berlin als Ausstellungsstadt gedacht wird. Die stehende
Antwort ist dann: die Welt, Deutschland insbesondere, und die deutsche Industrie
sind ausstellungsmüde und daher ist ein Erfolg nicht zu erwarten. Aber bei jeder
von einer anderen Nation veranstalteten Weltausstellung taucht die Frage wieder
auf und das Wort von der Allsstellungsmüdigkeit wird für ein leeres Schlagwort
erklärt. Neuerdings hat wieder der Erfolg der deutschen Abteilung auf der Welt¬
ausstellung in Brüssel, die Schmeicheleien, die deshalb von allen Seiten auf uns
einströmten, die Hoffnungen der Ausstellungsfreunde aufs neue belebt.

Der Erfolg ist nicht zu bestreiten. Bietet er aber eine Gewähr für ein
Gelingen einer Weltausstellung in Berlin? Um die Frage beantworten zu können,
muß man etwas näher darauf eingehen, wie dem: die gute Meinung über die
deutsche Ausstellung zustande gekommen ist. In erster Linie hat da offenbar die
Pünktlichkeit gewirkt, mit der sie eröffnet werden konnte. In den andren Ab¬
teilungen waren noch Anfang Juli, nachdem über ein Drittel der Ausstellungs¬
dauer verstrichen war, große Teile der Hallen mit Vorhängen verkleidet, hinter
denen eifrig gearbeitet wurde, vereinzelt traf man noch ganz leere Stände; in der
allgemeinen Maschinenhalle war man noch bei der Montage einer großen Kraft¬
maschine und es sah nicht so aus, als ob sie so bald betriebsfähig werden sollte.

Eine Folge der Pünktlichkeit der Deutschen ist die Vollständigkeit und Zu¬
verlässigkeit ihres Katalogs, -- in den anderen Abteilungen hapert es damit sehr --,
es ist also dem ernsthaften Ausstellungsbesucher verhältnismäßig leicht gemacht, sich
zurechtzufinden.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Der Verfasser der vorliegenden Schilderungen protestiert gegen diese auf
beiden Seiten des Ozeans übliche Phrase, und er würde den Zweck dieser
Betrachtungen für erfüllt halten, wenn die Mehrzahl der Leser seinen Protest
durch ebendiese Schilderungen für berechtigt und begründet ansehen würde.

Auf den Vorwurf der Verunglimpfung und der Verhöhnung der amerika¬
nischen Lebensanschauungen, Verhältnisse und Zustände macht sich der Verfasser
gefaßt.

Er kann dies um so ruhiger und gleichmütiger, als er selbst von der Tüchtigkeit
des amerikanischen Volkes und der großen Rolle, die es in der zukünftigen
Kulturentwicklung der Menschheit spielen wird, tief durchdrungen ist, mindestens
ebenso tief wie irgendeiner jener vorwurfsvollen Tadler. Aber gerade weil er davon
so tief durchdrungen ist, weil er trotz alledem und alledem so fest an die Zukunft
der Vereinigten Staaten von Amerika als wirkliches Land der Freiheit glaubt,
deshalb hofft er so zuversichtlich darauf, daß sich das amerikanische Volk allmählich
von jenen unwürdigen Banden der Heuchelei frei machen werde, die es bis
jetzt noch daran verhindern, daß jene schöne Hoffnung in Erfüllung gehe!




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Was können wir von der Weltausstellung in Brüssel lernen?

Seit Jahren schon wird immer wieder die Frage erörtert, ob es nicht richtig wäre,
in Deutschland eine Weltausstellung ins Leben zu rufen, wobei in erster Linie
natürlich immer an Berlin als Ausstellungsstadt gedacht wird. Die stehende
Antwort ist dann: die Welt, Deutschland insbesondere, und die deutsche Industrie
sind ausstellungsmüde und daher ist ein Erfolg nicht zu erwarten. Aber bei jeder
von einer anderen Nation veranstalteten Weltausstellung taucht die Frage wieder
auf und das Wort von der Allsstellungsmüdigkeit wird für ein leeres Schlagwort
erklärt. Neuerdings hat wieder der Erfolg der deutschen Abteilung auf der Welt¬
ausstellung in Brüssel, die Schmeicheleien, die deshalb von allen Seiten auf uns
einströmten, die Hoffnungen der Ausstellungsfreunde aufs neue belebt.

Der Erfolg ist nicht zu bestreiten. Bietet er aber eine Gewähr für ein
Gelingen einer Weltausstellung in Berlin? Um die Frage beantworten zu können,
muß man etwas näher darauf eingehen, wie dem: die gute Meinung über die
deutsche Ausstellung zustande gekommen ist. In erster Linie hat da offenbar die
Pünktlichkeit gewirkt, mit der sie eröffnet werden konnte. In den andren Ab¬
teilungen waren noch Anfang Juli, nachdem über ein Drittel der Ausstellungs¬
dauer verstrichen war, große Teile der Hallen mit Vorhängen verkleidet, hinter
denen eifrig gearbeitet wurde, vereinzelt traf man noch ganz leere Stände; in der
allgemeinen Maschinenhalle war man noch bei der Montage einer großen Kraft¬
maschine und es sah nicht so aus, als ob sie so bald betriebsfähig werden sollte.

Eine Folge der Pünktlichkeit der Deutschen ist die Vollständigkeit und Zu¬
verlässigkeit ihres Katalogs, — in den anderen Abteilungen hapert es damit sehr —,
es ist also dem ernsthaften Ausstellungsbesucher verhältnismäßig leicht gemacht, sich
zurechtzufinden.


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[0362] Maßgebliches und Unmaßgebliches Der Verfasser der vorliegenden Schilderungen protestiert gegen diese auf beiden Seiten des Ozeans übliche Phrase, und er würde den Zweck dieser Betrachtungen für erfüllt halten, wenn die Mehrzahl der Leser seinen Protest durch ebendiese Schilderungen für berechtigt und begründet ansehen würde. Auf den Vorwurf der Verunglimpfung und der Verhöhnung der amerika¬ nischen Lebensanschauungen, Verhältnisse und Zustände macht sich der Verfasser gefaßt. Er kann dies um so ruhiger und gleichmütiger, als er selbst von der Tüchtigkeit des amerikanischen Volkes und der großen Rolle, die es in der zukünftigen Kulturentwicklung der Menschheit spielen wird, tief durchdrungen ist, mindestens ebenso tief wie irgendeiner jener vorwurfsvollen Tadler. Aber gerade weil er davon so tief durchdrungen ist, weil er trotz alledem und alledem so fest an die Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika als wirkliches Land der Freiheit glaubt, deshalb hofft er so zuversichtlich darauf, daß sich das amerikanische Volk allmählich von jenen unwürdigen Banden der Heuchelei frei machen werde, die es bis jetzt noch daran verhindern, daß jene schöne Hoffnung in Erfüllung gehe! Maßgebliches und Unmaßgebliches Was können wir von der Weltausstellung in Brüssel lernen? Seit Jahren schon wird immer wieder die Frage erörtert, ob es nicht richtig wäre, in Deutschland eine Weltausstellung ins Leben zu rufen, wobei in erster Linie natürlich immer an Berlin als Ausstellungsstadt gedacht wird. Die stehende Antwort ist dann: die Welt, Deutschland insbesondere, und die deutsche Industrie sind ausstellungsmüde und daher ist ein Erfolg nicht zu erwarten. Aber bei jeder von einer anderen Nation veranstalteten Weltausstellung taucht die Frage wieder auf und das Wort von der Allsstellungsmüdigkeit wird für ein leeres Schlagwort erklärt. Neuerdings hat wieder der Erfolg der deutschen Abteilung auf der Welt¬ ausstellung in Brüssel, die Schmeicheleien, die deshalb von allen Seiten auf uns einströmten, die Hoffnungen der Ausstellungsfreunde aufs neue belebt. Der Erfolg ist nicht zu bestreiten. Bietet er aber eine Gewähr für ein Gelingen einer Weltausstellung in Berlin? Um die Frage beantworten zu können, muß man etwas näher darauf eingehen, wie dem: die gute Meinung über die deutsche Ausstellung zustande gekommen ist. In erster Linie hat da offenbar die Pünktlichkeit gewirkt, mit der sie eröffnet werden konnte. In den andren Ab¬ teilungen waren noch Anfang Juli, nachdem über ein Drittel der Ausstellungs¬ dauer verstrichen war, große Teile der Hallen mit Vorhängen verkleidet, hinter denen eifrig gearbeitet wurde, vereinzelt traf man noch ganz leere Stände; in der allgemeinen Maschinenhalle war man noch bei der Montage einer großen Kraft¬ maschine und es sah nicht so aus, als ob sie so bald betriebsfähig werden sollte. Eine Folge der Pünktlichkeit der Deutschen ist die Vollständigkeit und Zu¬ verlässigkeit ihres Katalogs, — in den anderen Abteilungen hapert es damit sehr —, es ist also dem ernsthaften Ausstellungsbesucher verhältnismäßig leicht gemacht, sich zurechtzufinden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/362>, abgerufen am 06.05.2024.