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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Das Zinn

Wanderern, zumeist Söhne kinderreicher ärmerer Familien, kehren mit den
erworbenen Geldsummen zurück, helfen ihre verschuldeten väterlichen Wirtschaften
entlasten oder kaufen weitere Gründe. Aus Königsau nach Amerika aus¬
gewanderte Häuslersöhne haben so viel verdient, daß sie sich nach ihrer Rückkehr
als Wirte niederlassen konnten. Auch Mädchen wandern nach Amerika. Wenn
nun auch durch diese Auswanderung die Zahl der Ansiedler vermindert wird,
so wird andrerseits dadurch die allzu große Zersplitterung der Wirtschaften ver¬
hindert und die Kräftigung der materiellen Lage gefördert. Da nur der wirt¬
schaftlich unabhängige Bauer auch sein Volkstum wahren kann, so kann die
normal ohne äußere Agitation verlaufende Bewegung nicht als unbedingt ver¬
werflich bezeichnet werden. Durch sie ist das allmähliche stetige Wachsen der
Gemeinden nicht beeinträchtigt worden, noch weniger wurde der Bestand der
einzelnen Gemeinden gefährdet. Erst als die deutsche Ostmarkenpolitik sich die
Verpflanzung der galizischen Kolonisten nach Posen und Westpreußen zum Ziele
setzte, trat eine gefahrdrohende Steigerung der Auswanderung ein.

Mi SchlusMtikel folgt in Heft !Z3.)




Das Zinn
Line kulturgeschichtliche und nationalökonomische Besprechung
Dr. Linn Carthcius von

wei Metalle, innig vereint, spielen in der frühen Jugendzeit der
menschlichen Kultur eine höchst wichtige Rolle, nämlich das Zinn
und das Kupfer -- in ihrer Legierung als Bronze. Stark und
unternehmend im Besitze vervollkommneter Geräte und Waffen ist
die jugendliche Kulturmenschheit eigentlich erst geworden, als sie
der Gott, der Eisen wachsen ließ, auch mit all den schier wundersamen Eigen¬
schaften bekannt machte, welche in diesem Metalle ruhen, indessen konnten schon
die Menschen im Bronzezeitalter von sich sagen, daß sie es gar herrlich weit
gebracht hatten im Vergleiche zu ihren Voreltern in der Steinzeit. Wohl sehen
wir bei diesen später das Kupfer neben dein Lurusmetall des Goldes hier und
da eine Rolle spielen, jedoch bei weitem nicht eine so wichtige wie nach ihm die
Bronze. Die Erfindung dieser hat in der menschlichen Kulturgeschichte in der
Tat ein neues Zeitalter heraufbeschworen. -- Auf welche Weise man zuerst dazu
gekommen ist, Bronze aus den in der Erde liegenden Erzen zu gewinnen, würd
wohl immer im uugeivisseu bleiben; doch möchte ich glauben, daß entweder das
zufällige Schmelzen von frei daliegenden! Zinnkies unter der chemisch reduzierend


Das Zinn

Wanderern, zumeist Söhne kinderreicher ärmerer Familien, kehren mit den
erworbenen Geldsummen zurück, helfen ihre verschuldeten väterlichen Wirtschaften
entlasten oder kaufen weitere Gründe. Aus Königsau nach Amerika aus¬
gewanderte Häuslersöhne haben so viel verdient, daß sie sich nach ihrer Rückkehr
als Wirte niederlassen konnten. Auch Mädchen wandern nach Amerika. Wenn
nun auch durch diese Auswanderung die Zahl der Ansiedler vermindert wird,
so wird andrerseits dadurch die allzu große Zersplitterung der Wirtschaften ver¬
hindert und die Kräftigung der materiellen Lage gefördert. Da nur der wirt¬
schaftlich unabhängige Bauer auch sein Volkstum wahren kann, so kann die
normal ohne äußere Agitation verlaufende Bewegung nicht als unbedingt ver¬
werflich bezeichnet werden. Durch sie ist das allmähliche stetige Wachsen der
Gemeinden nicht beeinträchtigt worden, noch weniger wurde der Bestand der
einzelnen Gemeinden gefährdet. Erst als die deutsche Ostmarkenpolitik sich die
Verpflanzung der galizischen Kolonisten nach Posen und Westpreußen zum Ziele
setzte, trat eine gefahrdrohende Steigerung der Auswanderung ein.

Mi SchlusMtikel folgt in Heft !Z3.)




Das Zinn
Line kulturgeschichtliche und nationalökonomische Besprechung
Dr. Linn Carthcius von

wei Metalle, innig vereint, spielen in der frühen Jugendzeit der
menschlichen Kultur eine höchst wichtige Rolle, nämlich das Zinn
und das Kupfer — in ihrer Legierung als Bronze. Stark und
unternehmend im Besitze vervollkommneter Geräte und Waffen ist
die jugendliche Kulturmenschheit eigentlich erst geworden, als sie
der Gott, der Eisen wachsen ließ, auch mit all den schier wundersamen Eigen¬
schaften bekannt machte, welche in diesem Metalle ruhen, indessen konnten schon
die Menschen im Bronzezeitalter von sich sagen, daß sie es gar herrlich weit
gebracht hatten im Vergleiche zu ihren Voreltern in der Steinzeit. Wohl sehen
wir bei diesen später das Kupfer neben dein Lurusmetall des Goldes hier und
da eine Rolle spielen, jedoch bei weitem nicht eine so wichtige wie nach ihm die
Bronze. Die Erfindung dieser hat in der menschlichen Kulturgeschichte in der
Tat ein neues Zeitalter heraufbeschworen. — Auf welche Weise man zuerst dazu
gekommen ist, Bronze aus den in der Erde liegenden Erzen zu gewinnen, würd
wohl immer im uugeivisseu bleiben; doch möchte ich glauben, daß entweder das
zufällige Schmelzen von frei daliegenden! Zinnkies unter der chemisch reduzierend


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[0524] Das Zinn Wanderern, zumeist Söhne kinderreicher ärmerer Familien, kehren mit den erworbenen Geldsummen zurück, helfen ihre verschuldeten väterlichen Wirtschaften entlasten oder kaufen weitere Gründe. Aus Königsau nach Amerika aus¬ gewanderte Häuslersöhne haben so viel verdient, daß sie sich nach ihrer Rückkehr als Wirte niederlassen konnten. Auch Mädchen wandern nach Amerika. Wenn nun auch durch diese Auswanderung die Zahl der Ansiedler vermindert wird, so wird andrerseits dadurch die allzu große Zersplitterung der Wirtschaften ver¬ hindert und die Kräftigung der materiellen Lage gefördert. Da nur der wirt¬ schaftlich unabhängige Bauer auch sein Volkstum wahren kann, so kann die normal ohne äußere Agitation verlaufende Bewegung nicht als unbedingt ver¬ werflich bezeichnet werden. Durch sie ist das allmähliche stetige Wachsen der Gemeinden nicht beeinträchtigt worden, noch weniger wurde der Bestand der einzelnen Gemeinden gefährdet. Erst als die deutsche Ostmarkenpolitik sich die Verpflanzung der galizischen Kolonisten nach Posen und Westpreußen zum Ziele setzte, trat eine gefahrdrohende Steigerung der Auswanderung ein. Mi SchlusMtikel folgt in Heft !Z3.) Das Zinn Line kulturgeschichtliche und nationalökonomische Besprechung Dr. Linn Carthcius von wei Metalle, innig vereint, spielen in der frühen Jugendzeit der menschlichen Kultur eine höchst wichtige Rolle, nämlich das Zinn und das Kupfer — in ihrer Legierung als Bronze. Stark und unternehmend im Besitze vervollkommneter Geräte und Waffen ist die jugendliche Kulturmenschheit eigentlich erst geworden, als sie der Gott, der Eisen wachsen ließ, auch mit all den schier wundersamen Eigen¬ schaften bekannt machte, welche in diesem Metalle ruhen, indessen konnten schon die Menschen im Bronzezeitalter von sich sagen, daß sie es gar herrlich weit gebracht hatten im Vergleiche zu ihren Voreltern in der Steinzeit. Wohl sehen wir bei diesen später das Kupfer neben dein Lurusmetall des Goldes hier und da eine Rolle spielen, jedoch bei weitem nicht eine so wichtige wie nach ihm die Bronze. Die Erfindung dieser hat in der menschlichen Kulturgeschichte in der Tat ein neues Zeitalter heraufbeschworen. — Auf welche Weise man zuerst dazu gekommen ist, Bronze aus den in der Erde liegenden Erzen zu gewinnen, würd wohl immer im uugeivisseu bleiben; doch möchte ich glauben, daß entweder das zufällige Schmelzen von frei daliegenden! Zinnkies unter der chemisch reduzierend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/524>, abgerufen am 07.05.2024.