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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung

Seezeichen. Die Kompasse auf eisernen Schiffen hätten immer ihre Tücken,
in so hohen Breiten aber vollends. Das Schlimmste sei, daß die Schiffe
immer mit Treibeis rechnen müßten, so daß sie einer tiefgehenden, geschützten
Schraube bedürften. Mit einem Tonnengehalt von etwa 2000 -- das sind
kleine Schiffe -- sei die Größe begrenzt und daher die Kraftersparnis
eingebildet. Das Ausland hat zunächst als Unbeteiligter diesen Streit mit
anzusehen. Sein Ausfall dürfte jedoch weithin seine Wirkungen erstrecken.




Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung
i.

el meinen Untersuchungen über die Zustände in der preußischen
Verwaltung") bin ich davon ausgegangen, daß die Leistungen
der Verwaltung immer abhingen von der Tüchtigkeit der Ver-
waltungsbeamten, und dieser genau entsprächen. Ich habe nun
schon in meinen frühern Artikeln, namentlich im zweiten, aus¬
geführt, daß die Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit der höhern preußischen Ver-
waltungsbeamten durch zwei Gebrechen beeinträchtigt würden, die seit Jahr¬
zehnten allmählich den Verwaltungsdienst ergriffen hätten. Es sind dies
Dilettantismus und Nepotismus, oder auf gut deutsch Stümpertum und
Günstlingswirtschaft. Ich meine damit, daß wir nicht mehr Fachmänner sind,
da wir nicht die gründliche und allseitige fachmännische Ausbildung und Schulung
haben, ohne die wir den gewaltig gesteigerten Aufgaben der Verwaltung nicht
gewachsen sein können. Die Günstlingswirtschaft bedeutet, daß in den Per-
sonalfragen der Verwaltung nicht mehr sachliche Gründe allein den Ausschlag
geben, wie es geboten wäre, sondern allerhand persönliche Erwägungen und
Strebungen, so daß die Entscheidungen nur allzu häufig vom Zufall, namentlich
von zufälligen persönlichen Beziehungen beeinflußt werden. Dadurch wird die
für jeden Fortschritt so überaus wichtige sachgemäße Auslese der Besten und
Tüchtigsten mehr oder weniger vereitelt. Ich muß der Vollständigkeit halber
auch hier noch einmal auf diese Dinge eingehn, wobei ich für weitere Einzel¬
heiten auf meine frühern Artikel verweise.

Das heutige Beamtentum der preußischen Verwaltung ist eine Schöpfung
der Könige Friedrich Wilhelms des Ersten und Friedrichs des Großen, nanlentlich
des ersteren. Diese beiden Herrscher waren, wie sie oft und scharf ausgesprochen



") Vgl. Die Not der preuszischcn Verwaltung, "Grenzboten" 1910 Heft 3 und die
Fortsetzungen Heft 4, 7, 15, 16 und 18>
Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung

Seezeichen. Die Kompasse auf eisernen Schiffen hätten immer ihre Tücken,
in so hohen Breiten aber vollends. Das Schlimmste sei, daß die Schiffe
immer mit Treibeis rechnen müßten, so daß sie einer tiefgehenden, geschützten
Schraube bedürften. Mit einem Tonnengehalt von etwa 2000 — das sind
kleine Schiffe — sei die Größe begrenzt und daher die Kraftersparnis
eingebildet. Das Ausland hat zunächst als Unbeteiligter diesen Streit mit
anzusehen. Sein Ausfall dürfte jedoch weithin seine Wirkungen erstrecken.




Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung
i.

el meinen Untersuchungen über die Zustände in der preußischen
Verwaltung") bin ich davon ausgegangen, daß die Leistungen
der Verwaltung immer abhingen von der Tüchtigkeit der Ver-
waltungsbeamten, und dieser genau entsprächen. Ich habe nun
schon in meinen frühern Artikeln, namentlich im zweiten, aus¬
geführt, daß die Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit der höhern preußischen Ver-
waltungsbeamten durch zwei Gebrechen beeinträchtigt würden, die seit Jahr¬
zehnten allmählich den Verwaltungsdienst ergriffen hätten. Es sind dies
Dilettantismus und Nepotismus, oder auf gut deutsch Stümpertum und
Günstlingswirtschaft. Ich meine damit, daß wir nicht mehr Fachmänner sind,
da wir nicht die gründliche und allseitige fachmännische Ausbildung und Schulung
haben, ohne die wir den gewaltig gesteigerten Aufgaben der Verwaltung nicht
gewachsen sein können. Die Günstlingswirtschaft bedeutet, daß in den Per-
sonalfragen der Verwaltung nicht mehr sachliche Gründe allein den Ausschlag
geben, wie es geboten wäre, sondern allerhand persönliche Erwägungen und
Strebungen, so daß die Entscheidungen nur allzu häufig vom Zufall, namentlich
von zufälligen persönlichen Beziehungen beeinflußt werden. Dadurch wird die
für jeden Fortschritt so überaus wichtige sachgemäße Auslese der Besten und
Tüchtigsten mehr oder weniger vereitelt. Ich muß der Vollständigkeit halber
auch hier noch einmal auf diese Dinge eingehn, wobei ich für weitere Einzel¬
heiten auf meine frühern Artikel verweise.

Das heutige Beamtentum der preußischen Verwaltung ist eine Schöpfung
der Könige Friedrich Wilhelms des Ersten und Friedrichs des Großen, nanlentlich
des ersteren. Diese beiden Herrscher waren, wie sie oft und scharf ausgesprochen



") Vgl. Die Not der preuszischcn Verwaltung, „Grenzboten" 1910 Heft 3 und die
Fortsetzungen Heft 4, 7, 15, 16 und 18>
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[0262] Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung Seezeichen. Die Kompasse auf eisernen Schiffen hätten immer ihre Tücken, in so hohen Breiten aber vollends. Das Schlimmste sei, daß die Schiffe immer mit Treibeis rechnen müßten, so daß sie einer tiefgehenden, geschützten Schraube bedürften. Mit einem Tonnengehalt von etwa 2000 — das sind kleine Schiffe — sei die Größe begrenzt und daher die Kraftersparnis eingebildet. Das Ausland hat zunächst als Unbeteiligter diesen Streit mit anzusehen. Sein Ausfall dürfte jedoch weithin seine Wirkungen erstrecken. Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung i. el meinen Untersuchungen über die Zustände in der preußischen Verwaltung") bin ich davon ausgegangen, daß die Leistungen der Verwaltung immer abhingen von der Tüchtigkeit der Ver- waltungsbeamten, und dieser genau entsprächen. Ich habe nun schon in meinen frühern Artikeln, namentlich im zweiten, aus¬ geführt, daß die Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit der höhern preußischen Ver- waltungsbeamten durch zwei Gebrechen beeinträchtigt würden, die seit Jahr¬ zehnten allmählich den Verwaltungsdienst ergriffen hätten. Es sind dies Dilettantismus und Nepotismus, oder auf gut deutsch Stümpertum und Günstlingswirtschaft. Ich meine damit, daß wir nicht mehr Fachmänner sind, da wir nicht die gründliche und allseitige fachmännische Ausbildung und Schulung haben, ohne die wir den gewaltig gesteigerten Aufgaben der Verwaltung nicht gewachsen sein können. Die Günstlingswirtschaft bedeutet, daß in den Per- sonalfragen der Verwaltung nicht mehr sachliche Gründe allein den Ausschlag geben, wie es geboten wäre, sondern allerhand persönliche Erwägungen und Strebungen, so daß die Entscheidungen nur allzu häufig vom Zufall, namentlich von zufälligen persönlichen Beziehungen beeinflußt werden. Dadurch wird die für jeden Fortschritt so überaus wichtige sachgemäße Auslese der Besten und Tüchtigsten mehr oder weniger vereitelt. Ich muß der Vollständigkeit halber auch hier noch einmal auf diese Dinge eingehn, wobei ich für weitere Einzel¬ heiten auf meine frühern Artikel verweise. Das heutige Beamtentum der preußischen Verwaltung ist eine Schöpfung der Könige Friedrich Wilhelms des Ersten und Friedrichs des Großen, nanlentlich des ersteren. Diese beiden Herrscher waren, wie sie oft und scharf ausgesprochen ") Vgl. Die Not der preuszischcn Verwaltung, „Grenzboten" 1910 Heft 3 und die Fortsetzungen Heft 4, 7, 15, 16 und 18>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/262>, abgerufen am 29.04.2024.