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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

oder vielleicht der Frau -- ich weiß es nicht; aber einerlei, er ist doch in beiden
Fällen der Vetter Mahadas. Er nennt sie jedoch Marja Titowna und Sie, während
sie ihn Jgnatij oder Jgnaschka und Du anredet. Überhaupt spricht sie wegwerfend
mit nur wie mit einem Diener oder noch schlechter."

"Bei dieser echten Kaufmannsart ist die Erklärung nicht so schwer," meinte
der Vater. "Er hat wahrscheinlich das Unglück, arm zu sein, und das ist bei
solchen Leuten allemal ein Verbrechen. Hast du Marja Titowna nicht darum
befragt?"

"Ja, gefragt habe ich. Sie gab keine direkte Antwort. Sie sagte nur: Ach,
der dumme Jgnaschka I" (Fortsetzung folgt.)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

Der Zar in Potsdam -- Die neuen Diplomaten -- Ssasonow -- Seine Haupt¬
kunst -- Frankreich vor neuen Problemen.

Wie jede Monarchenbegegnung, so hat auch der Besuch des Zaren in
Potsdam am Freitag, den 3. d. M., der Presse Gelegenheit gegeben, sich darüber
M verbreitern, ob der Besuch lediglich als ein Akt der Höflichkeit oder als ein
solcher von politischer Tragweite anzusprechen sei. In der russischen Presse wird
die politische Bedeutung des Besuches freimütig zugegeben, in der französischen
sucht man geflissentlich seinen familiären Charakter zu unterstreichen und ihm jede
Politische Tragweite abzusprechen. Wenn sich die Chefs zweier Handelshäuser
besuchen, begnügen sie sich gewöhnlich nicht mit Unterhaltungen über die Kinder;
wenn sie aber zu dem Besuch auch ihre Prokuristen beordern, dann darf man
getrost annehmen, daß die Unterhaltungen sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf
ganz bestimmte, aktuelle Fragen ihrer beiderseitigen Geschäftsbeziehungen erstrecken
werden. Dann hilft kein Vertuschen und Ableugnen: für die Konkurrenz steht die
Tatsache fest, daß bei dem Besuch ernsthaft von Geschäften die Rede gewesen ist. --
Zar Nikolaus der Zweite hat sich den neuen Minister für die auswärtigen An¬
gelegenheiten seines Reichs, Herrn Ssasonow, aus Petersburg kommen lassen,
Kaiser Wilhelm hat außer den Berliner leitenden Diplomaten anch seinen Peters¬
burger Botschafter, den Grafen Pourtalös, und den Militärbevollmächtigten Herrn
von Hintze nach Potsdam beordert. Einen solchen Stab von praktisch tätigen
Diplomaten bietet man nicht auf, um lediglich Pflichten familiärer Höflichkeit
nachzukommen, und so halten wir uns auch für berechtigt, trotz ihres privaten
Charakters in der Potsdamer Zusammenkunft einen politisch bedeutsamen Vorgang
Zu sehen, dessen Folgen sich in kürzerer oder längerer Frist bemerkbar machen
müssen. Zum Überfluß lesen wir heute in der "Norddeutschen Allg. Ztg.": "Die
Zusammenkunft hat Gelegenheit geboten zu wiederholten Besprechungen zwischen
den Souveränen und den deutschen und russischen Staatsmännern und zu einem
beide Teile befriedigenden Gedankenaustausch über politische Dinge."


Maßgebliches und Unmaßgebliches

oder vielleicht der Frau — ich weiß es nicht; aber einerlei, er ist doch in beiden
Fällen der Vetter Mahadas. Er nennt sie jedoch Marja Titowna und Sie, während
sie ihn Jgnatij oder Jgnaschka und Du anredet. Überhaupt spricht sie wegwerfend
mit nur wie mit einem Diener oder noch schlechter."

„Bei dieser echten Kaufmannsart ist die Erklärung nicht so schwer," meinte
der Vater. „Er hat wahrscheinlich das Unglück, arm zu sein, und das ist bei
solchen Leuten allemal ein Verbrechen. Hast du Marja Titowna nicht darum
befragt?"

„Ja, gefragt habe ich. Sie gab keine direkte Antwort. Sie sagte nur: Ach,
der dumme Jgnaschka I" (Fortsetzung folgt.)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

Der Zar in Potsdam — Die neuen Diplomaten — Ssasonow — Seine Haupt¬
kunst — Frankreich vor neuen Problemen.

Wie jede Monarchenbegegnung, so hat auch der Besuch des Zaren in
Potsdam am Freitag, den 3. d. M., der Presse Gelegenheit gegeben, sich darüber
M verbreitern, ob der Besuch lediglich als ein Akt der Höflichkeit oder als ein
solcher von politischer Tragweite anzusprechen sei. In der russischen Presse wird
die politische Bedeutung des Besuches freimütig zugegeben, in der französischen
sucht man geflissentlich seinen familiären Charakter zu unterstreichen und ihm jede
Politische Tragweite abzusprechen. Wenn sich die Chefs zweier Handelshäuser
besuchen, begnügen sie sich gewöhnlich nicht mit Unterhaltungen über die Kinder;
wenn sie aber zu dem Besuch auch ihre Prokuristen beordern, dann darf man
getrost annehmen, daß die Unterhaltungen sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf
ganz bestimmte, aktuelle Fragen ihrer beiderseitigen Geschäftsbeziehungen erstrecken
werden. Dann hilft kein Vertuschen und Ableugnen: für die Konkurrenz steht die
Tatsache fest, daß bei dem Besuch ernsthaft von Geschäften die Rede gewesen ist. —
Zar Nikolaus der Zweite hat sich den neuen Minister für die auswärtigen An¬
gelegenheiten seines Reichs, Herrn Ssasonow, aus Petersburg kommen lassen,
Kaiser Wilhelm hat außer den Berliner leitenden Diplomaten anch seinen Peters¬
burger Botschafter, den Grafen Pourtalös, und den Militärbevollmächtigten Herrn
von Hintze nach Potsdam beordert. Einen solchen Stab von praktisch tätigen
Diplomaten bietet man nicht auf, um lediglich Pflichten familiärer Höflichkeit
nachzukommen, und so halten wir uns auch für berechtigt, trotz ihres privaten
Charakters in der Potsdamer Zusammenkunft einen politisch bedeutsamen Vorgang
Zu sehen, dessen Folgen sich in kürzerer oder längerer Frist bemerkbar machen
müssen. Zum Überfluß lesen wir heute in der „Norddeutschen Allg. Ztg.": „Die
Zusammenkunft hat Gelegenheit geboten zu wiederholten Besprechungen zwischen
den Souveränen und den deutschen und russischen Staatsmännern und zu einem
beide Teile befriedigenden Gedankenaustausch über politische Dinge."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/287>, abgerufen am 29.04.2024.