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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die Grgmiisation des Reichsversichcrnngswesens

sein zerstörtes Leben, und die greise Frau Universitätsfechtmeisterin aus Jena
hält ihre treuen Mutterhände über seine letzte, nie mehr heilende Müdigkeit.
Bis dann die eine Hand, um die allein er mit dem Leben in tausend Gestalten
bis zum letzten Verbluten rang, ihm doch noch im Hinübergehen deu lösenden
Trost ihrer Nähe um die Stirne schmiegt.

Wohl ist es eine zeitlose Tragödie, was sich da zu Ende kämpft, aber doch
gibt's gerade dein letzten Geschehen die feste Zeichnung des Schauplatzes und
die warme Abtönung des Hintergrundes eine tiefeindringliche Bestimmtheit: es
entwächst alles einem vertrauten Grunde. Und die letzte dunkle Schicksalswoge
versinket schließlich in dem rastlosen Drängen der Tausende und Abertausende. --

Noch im späten Werke hat Wilhelm Raabe die Welt im nahen Umkreis
um die Stildienstätte seiner Jugend neu lebendig werden lassen, und der letzte
Lebenskämpfer, den seine Hand gestaltet hat, geht in ihren Bezirken seinen Weg
zu Ende. Darum hat es sich eigen sinnvoll gefügt, daß die letzte Ehre, die
dem Dichter im Leben ward, ausging von der Berliner Universität. Sie hat
es ihn in der Abenddämmerung seines reichen Tagewerkes noch einmal spüren
lassen, daß auch sie ihm Dank weiß für die Fülle wahrhaftigen, tiefen Lebens,
das seine Hand zur Gestalt schuf, und daß sie stolz darauf ist, wenn sie als
Hüterin der Wissenschaft ihm an ihrem Teile helfen dürfte, den Blick zu schärfen
und zu vertiefen, der über ihrer Herrschaft begrenzte" Bereich hinausdrang
in die Weite der Welt und in die Tiefen des vollen Menschendaseins.




Die Organisation des Reichsversicherungswesens
Dr. Raimund Köhler von

or wenigen Tagen hat die Sommerkommission des Reichs¬
tags zur Vorberatung des Entwurfs einer Reichsversicherungs¬
ordnung ihre erste Lesung beendet. Dies bietet einen Anlaß, sich
mit den vorläufigen Ergebnissen der Kommissionsberatung etwas
näher zu beschäftigen. Bemerkenswert uuter den vielfach ein¬
schneidenden Beschlüssen war gleich im Anfang die ablehnende Stellungnahme
gegenüber den von der Reichsregieruug geplanten neuen (selbständigen) Ver¬
sicherungsämtern. Damit hat die Konnnission der Neuorganisation der Arbeiter¬
versicherung in der Hauptsache ihre Zustimmung versagt.

Für den Fall, daß der Reichstag dieses Votum seiner Kommission gutheißt,
die neue Reichsversicherungsordnung im übrigen aber annimmt, verweigert das


Die Grgmiisation des Reichsversichcrnngswesens

sein zerstörtes Leben, und die greise Frau Universitätsfechtmeisterin aus Jena
hält ihre treuen Mutterhände über seine letzte, nie mehr heilende Müdigkeit.
Bis dann die eine Hand, um die allein er mit dem Leben in tausend Gestalten
bis zum letzten Verbluten rang, ihm doch noch im Hinübergehen deu lösenden
Trost ihrer Nähe um die Stirne schmiegt.

Wohl ist es eine zeitlose Tragödie, was sich da zu Ende kämpft, aber doch
gibt's gerade dein letzten Geschehen die feste Zeichnung des Schauplatzes und
die warme Abtönung des Hintergrundes eine tiefeindringliche Bestimmtheit: es
entwächst alles einem vertrauten Grunde. Und die letzte dunkle Schicksalswoge
versinket schließlich in dem rastlosen Drängen der Tausende und Abertausende. —

Noch im späten Werke hat Wilhelm Raabe die Welt im nahen Umkreis
um die Stildienstätte seiner Jugend neu lebendig werden lassen, und der letzte
Lebenskämpfer, den seine Hand gestaltet hat, geht in ihren Bezirken seinen Weg
zu Ende. Darum hat es sich eigen sinnvoll gefügt, daß die letzte Ehre, die
dem Dichter im Leben ward, ausging von der Berliner Universität. Sie hat
es ihn in der Abenddämmerung seines reichen Tagewerkes noch einmal spüren
lassen, daß auch sie ihm Dank weiß für die Fülle wahrhaftigen, tiefen Lebens,
das seine Hand zur Gestalt schuf, und daß sie stolz darauf ist, wenn sie als
Hüterin der Wissenschaft ihm an ihrem Teile helfen dürfte, den Blick zu schärfen
und zu vertiefen, der über ihrer Herrschaft begrenzte» Bereich hinausdrang
in die Weite der Welt und in die Tiefen des vollen Menschendaseins.




Die Organisation des Reichsversicherungswesens
Dr. Raimund Köhler von

or wenigen Tagen hat die Sommerkommission des Reichs¬
tags zur Vorberatung des Entwurfs einer Reichsversicherungs¬
ordnung ihre erste Lesung beendet. Dies bietet einen Anlaß, sich
mit den vorläufigen Ergebnissen der Kommissionsberatung etwas
näher zu beschäftigen. Bemerkenswert uuter den vielfach ein¬
schneidenden Beschlüssen war gleich im Anfang die ablehnende Stellungnahme
gegenüber den von der Reichsregieruug geplanten neuen (selbständigen) Ver¬
sicherungsämtern. Damit hat die Konnnission der Neuorganisation der Arbeiter¬
versicherung in der Hauptsache ihre Zustimmung versagt.

Für den Fall, daß der Reichstag dieses Votum seiner Kommission gutheißt,
die neue Reichsversicherungsordnung im übrigen aber annimmt, verweigert das


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[0428] Die Grgmiisation des Reichsversichcrnngswesens sein zerstörtes Leben, und die greise Frau Universitätsfechtmeisterin aus Jena hält ihre treuen Mutterhände über seine letzte, nie mehr heilende Müdigkeit. Bis dann die eine Hand, um die allein er mit dem Leben in tausend Gestalten bis zum letzten Verbluten rang, ihm doch noch im Hinübergehen deu lösenden Trost ihrer Nähe um die Stirne schmiegt. Wohl ist es eine zeitlose Tragödie, was sich da zu Ende kämpft, aber doch gibt's gerade dein letzten Geschehen die feste Zeichnung des Schauplatzes und die warme Abtönung des Hintergrundes eine tiefeindringliche Bestimmtheit: es entwächst alles einem vertrauten Grunde. Und die letzte dunkle Schicksalswoge versinket schließlich in dem rastlosen Drängen der Tausende und Abertausende. — Noch im späten Werke hat Wilhelm Raabe die Welt im nahen Umkreis um die Stildienstätte seiner Jugend neu lebendig werden lassen, und der letzte Lebenskämpfer, den seine Hand gestaltet hat, geht in ihren Bezirken seinen Weg zu Ende. Darum hat es sich eigen sinnvoll gefügt, daß die letzte Ehre, die dem Dichter im Leben ward, ausging von der Berliner Universität. Sie hat es ihn in der Abenddämmerung seines reichen Tagewerkes noch einmal spüren lassen, daß auch sie ihm Dank weiß für die Fülle wahrhaftigen, tiefen Lebens, das seine Hand zur Gestalt schuf, und daß sie stolz darauf ist, wenn sie als Hüterin der Wissenschaft ihm an ihrem Teile helfen dürfte, den Blick zu schärfen und zu vertiefen, der über ihrer Herrschaft begrenzte» Bereich hinausdrang in die Weite der Welt und in die Tiefen des vollen Menschendaseins. Die Organisation des Reichsversicherungswesens Dr. Raimund Köhler von or wenigen Tagen hat die Sommerkommission des Reichs¬ tags zur Vorberatung des Entwurfs einer Reichsversicherungs¬ ordnung ihre erste Lesung beendet. Dies bietet einen Anlaß, sich mit den vorläufigen Ergebnissen der Kommissionsberatung etwas näher zu beschäftigen. Bemerkenswert uuter den vielfach ein¬ schneidenden Beschlüssen war gleich im Anfang die ablehnende Stellungnahme gegenüber den von der Reichsregieruug geplanten neuen (selbständigen) Ver¬ sicherungsämtern. Damit hat die Konnnission der Neuorganisation der Arbeiter¬ versicherung in der Hauptsache ihre Zustimmung versagt. Für den Fall, daß der Reichstag dieses Votum seiner Kommission gutheißt, die neue Reichsversicherungsordnung im übrigen aber annimmt, verweigert das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/428>, abgerufen am 29.04.2024.