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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Roms lllachtansprüche und die Pflichten des Staats

immer. Er hatte nur ein Alter von sechsuudvierzigeinhälb Jahren erreicht.
Wenige Freunde gaben ihm das letzte Geleit.

Müssets Persönlichkeit und seine Werke haben in Deutschland lebhafte Teil¬
nahme hervorgerufen, und man hat sich vielseitig mit ihm beschäftigt. Paul
Lindau hat das Verdienst, durch seine liebevoll und unbefangen geschriebene
Biographie des Dichters (1877) auf Müssets Bedeutung hingewiesen zu haben.
Seitdem sind zahlreiche Einzelschriften über Musset erschienen, namentlich ist sür
die Erklärung seiner hervorragendsten Dichtungen viel in Deutschland geleistet
worden. Wir haben sogar mehrere Schulaufgaben von Musset, in denen sich
der Dichter natürlich manche Striche gefallen lassen mußte. Verschiedene Über¬
setzer haben sich mit mehr oder weniger Glück an Musset versucht. Alle Lyrik
bietet der Übertragung in eine fremde Sprache große Schwierigkeiten, besonders
die von Musset mit ihrer Gedankenfülle, ihrer häufig gedrängten Sprache, den
wechselnden Versmaßen, dem melodischen Fluß der Verse. Verschiedenes ist
indessen recht gut übersetzt worden. Die neueste und vollständigste Übersetzung --
auch Prosastücke umfassend -- ist die von M. Hahn (3 Bände).

Musset wird wohl in Deutschland nie eigentlich populär werden, wie uns
ja auch nicht alles, was er geschrieben hat, sympathisch sein wird. Aber gewiß
wird es immer bei uns zahlreiche für Poesie empfängliche Menschen geben, die
erkennen, daß er ein gottbegnadeter Dichter ist, dem sich das ganze Leben in
Poesie verwandelte, der sein und tief empfand und seine Empfindungen wahr
und treu wiederzugeben wußte.




Roms Machtansprüche und die Pflichten des Staats
l^lo, Dr. Hans Becker Von

eit der Borromäus-Enzyklika, die in der ganzen protestantischen
Welt, und nicht nur in ihr, eine tiefgreifende Erregung hervor¬
gerufen hat, ist der Papst keineswegs still gewesen. Mit einer
hartnäckigen Zähigkeit hält er an seinem einmal gefaßten Plane
fest und verfolgt mit Konsequenz sein Ziel. Man kann dieses Ziel
als ein doppeltes bezeichnen: einmal Kampf gegen die moderne vom Geist des
Protestantismus durchtränkte Kultur und dann die Absperrung des Klerus von
dieser modernen Kultur und seine unbedingte Beugung unter den Willen Roms.
Eine Reihe von Verfügungen, die Pius diesen Sommer erlassen hat, bedeutet
weitere Schritte nach dieser von ihm eingeschlagenen Richtung. So hat er in einem
motu proprio vom 24. Juni Vorschriften über den Eid (Modernisteneid) gegeben,


Roms lllachtansprüche und die Pflichten des Staats

immer. Er hatte nur ein Alter von sechsuudvierzigeinhälb Jahren erreicht.
Wenige Freunde gaben ihm das letzte Geleit.

Müssets Persönlichkeit und seine Werke haben in Deutschland lebhafte Teil¬
nahme hervorgerufen, und man hat sich vielseitig mit ihm beschäftigt. Paul
Lindau hat das Verdienst, durch seine liebevoll und unbefangen geschriebene
Biographie des Dichters (1877) auf Müssets Bedeutung hingewiesen zu haben.
Seitdem sind zahlreiche Einzelschriften über Musset erschienen, namentlich ist sür
die Erklärung seiner hervorragendsten Dichtungen viel in Deutschland geleistet
worden. Wir haben sogar mehrere Schulaufgaben von Musset, in denen sich
der Dichter natürlich manche Striche gefallen lassen mußte. Verschiedene Über¬
setzer haben sich mit mehr oder weniger Glück an Musset versucht. Alle Lyrik
bietet der Übertragung in eine fremde Sprache große Schwierigkeiten, besonders
die von Musset mit ihrer Gedankenfülle, ihrer häufig gedrängten Sprache, den
wechselnden Versmaßen, dem melodischen Fluß der Verse. Verschiedenes ist
indessen recht gut übersetzt worden. Die neueste und vollständigste Übersetzung —
auch Prosastücke umfassend — ist die von M. Hahn (3 Bände).

Musset wird wohl in Deutschland nie eigentlich populär werden, wie uns
ja auch nicht alles, was er geschrieben hat, sympathisch sein wird. Aber gewiß
wird es immer bei uns zahlreiche für Poesie empfängliche Menschen geben, die
erkennen, daß er ein gottbegnadeter Dichter ist, dem sich das ganze Leben in
Poesie verwandelte, der sein und tief empfand und seine Empfindungen wahr
und treu wiederzugeben wußte.




Roms Machtansprüche und die Pflichten des Staats
l^lo, Dr. Hans Becker Von

eit der Borromäus-Enzyklika, die in der ganzen protestantischen
Welt, und nicht nur in ihr, eine tiefgreifende Erregung hervor¬
gerufen hat, ist der Papst keineswegs still gewesen. Mit einer
hartnäckigen Zähigkeit hält er an seinem einmal gefaßten Plane
fest und verfolgt mit Konsequenz sein Ziel. Man kann dieses Ziel
als ein doppeltes bezeichnen: einmal Kampf gegen die moderne vom Geist des
Protestantismus durchtränkte Kultur und dann die Absperrung des Klerus von
dieser modernen Kultur und seine unbedingte Beugung unter den Willen Roms.
Eine Reihe von Verfügungen, die Pius diesen Sommer erlassen hat, bedeutet
weitere Schritte nach dieser von ihm eingeschlagenen Richtung. So hat er in einem
motu proprio vom 24. Juni Vorschriften über den Eid (Modernisteneid) gegeben,


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[0474] Roms lllachtansprüche und die Pflichten des Staats immer. Er hatte nur ein Alter von sechsuudvierzigeinhälb Jahren erreicht. Wenige Freunde gaben ihm das letzte Geleit. Müssets Persönlichkeit und seine Werke haben in Deutschland lebhafte Teil¬ nahme hervorgerufen, und man hat sich vielseitig mit ihm beschäftigt. Paul Lindau hat das Verdienst, durch seine liebevoll und unbefangen geschriebene Biographie des Dichters (1877) auf Müssets Bedeutung hingewiesen zu haben. Seitdem sind zahlreiche Einzelschriften über Musset erschienen, namentlich ist sür die Erklärung seiner hervorragendsten Dichtungen viel in Deutschland geleistet worden. Wir haben sogar mehrere Schulaufgaben von Musset, in denen sich der Dichter natürlich manche Striche gefallen lassen mußte. Verschiedene Über¬ setzer haben sich mit mehr oder weniger Glück an Musset versucht. Alle Lyrik bietet der Übertragung in eine fremde Sprache große Schwierigkeiten, besonders die von Musset mit ihrer Gedankenfülle, ihrer häufig gedrängten Sprache, den wechselnden Versmaßen, dem melodischen Fluß der Verse. Verschiedenes ist indessen recht gut übersetzt worden. Die neueste und vollständigste Übersetzung — auch Prosastücke umfassend — ist die von M. Hahn (3 Bände). Musset wird wohl in Deutschland nie eigentlich populär werden, wie uns ja auch nicht alles, was er geschrieben hat, sympathisch sein wird. Aber gewiß wird es immer bei uns zahlreiche für Poesie empfängliche Menschen geben, die erkennen, daß er ein gottbegnadeter Dichter ist, dem sich das ganze Leben in Poesie verwandelte, der sein und tief empfand und seine Empfindungen wahr und treu wiederzugeben wußte. Roms Machtansprüche und die Pflichten des Staats l^lo, Dr. Hans Becker Von eit der Borromäus-Enzyklika, die in der ganzen protestantischen Welt, und nicht nur in ihr, eine tiefgreifende Erregung hervor¬ gerufen hat, ist der Papst keineswegs still gewesen. Mit einer hartnäckigen Zähigkeit hält er an seinem einmal gefaßten Plane fest und verfolgt mit Konsequenz sein Ziel. Man kann dieses Ziel als ein doppeltes bezeichnen: einmal Kampf gegen die moderne vom Geist des Protestantismus durchtränkte Kultur und dann die Absperrung des Klerus von dieser modernen Kultur und seine unbedingte Beugung unter den Willen Roms. Eine Reihe von Verfügungen, die Pius diesen Sommer erlassen hat, bedeutet weitere Schritte nach dieser von ihm eingeschlagenen Richtung. So hat er in einem motu proprio vom 24. Juni Vorschriften über den Eid (Modernisteneid) gegeben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/474>, abgerufen am 29.04.2024.