Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Neue Bücher

Neue Bücher
Heinrich Sy i er o von

M^AckU
"SG^er verstorbene Alexander von Roberts erzählte einmal, wie er in
seiner schriftstellerischen Laufbahn von der Novelle zum Roman und
von diesem zum Drama gekommen wäre -- immer erfolgte das auf
^ Grund einer das Gegenteil erwartenden Prophezeiung. Einmal hatte
ihm, der immer mir Erzählungen schmalen Umfanges geschrieben
hatte, Frau Fanny Lewald gesagt: "Roberts, Sie werden nie dreispännig sahren" --
und flugs ging er hin und schrieb einen mehrteiligen Roman. Ein andermal hatte
ihm jemand die dramatische Begabung abgesprochen -- und sofort schrieb Roberts
erfolgreiche Dramen. Nicht immer, ja, nur sehr selten glückt einem in gewisse
Grenzen gebannten Talent ein Hinausrecken über den bisher mit innerer Befriedigung
und äußerem Gelingen ausgefüllten Rahmen; um so öfter aber sehen wir, wie
eine ihrer Kräfte gewisse Begabung immer wieder Schönes und Wertvolles schafft
wenn sie, ohne rechts und links zu blicken, im zugewiesenen Bezirk verharrt. So
ergeht es innerhalb des breiten Flusses ihrer starken Produktion immer wieder den
Brüdern Hans und Fedor von Zobeltitz. Sie sind mit unsere vornehmsten Unter¬
haltungsschriftsteller und gerade so weit Dichter, daß ihre besten Werke durchaus
selbst das gute Niveau der Unterhaltung überragen, zumal da ihnen oft ein fein
festgehaltener heimatlicher Einschlag nicht mangelt. Hebbel hat einmal gesagt, daß
jeder, der seine Poesie in den der Unterhaltung gewidmeten Formen ausgibt, es
büßen müsse; diese Formen seien so bequem, so locker, daß sie, weit entfernt, den
Geist zusammenhalten, wie die höheren es tun, im Gegenteil von ihm zusammen¬
gehalten werden müssen und sich jedem Inhalt bequemen, wenn er einmal die
Spannkraft verliert. Dieser Gefahr, die manches schöne Talent ruiniert, ist Hans
von Zobeltitz immer wieder entgangen und nicht zum mindesten in seinem neuen
Buch "Auf märkischer Erde" (Berlin, Egon Fleischel u. Co.). Es ist ein Roman
aus der Konfliktszeit, der sich abspielt zwischen einem märkischen Gut und Berlin.
Das Hauptthema ist die Herzensgeschichte einer jungen Landedeldame und hoch¬
begabten Künstlerin, die nach einer furchtbaren Enttäuschung schwer in den Hafen
einer warmen, auf Dauer gegründeten Liebe gelangt. Sie und die Ihren, ihr
ganzer Kreis lebt voll mit in dem bewegten Sein der letzten Jahre vor dem
deutschen Kriege; alle Verbitterung der inneren Politik bis zu dem großen Triumph
von 1866 bewegt auch das Haus Hackentin, und es wird nichts bloß von außen
hineingetragen, es herrscht nicht die Bemühung, möglichst viel bunten Stoff
zueinander zu packen, sondern die Stimmung bleibt ganz einheitlich, wird oft zart
und fein wiedergegeben. Und welche Fülle von Gestalten neben der Heldin, von
dem roten Kreisrichter aus adligen Hause bis zu der alten Großmutter, die der
Gatte immer noch wegen einer leisen Neigung zu Theodor Körner neckt, der alte
märkische Edelmann selbst in seinem einfachen Milieu, der Sohn, der den neuen
industriellen Aufschwung wahrnimmt, der junge Offizier aus altem Neuenburger
Geschlecht und alle die anderen. Es ist ein Buch, das man mit Spannung zu
Ende liest, gern wieder vornimmt, und das nicht nur den Namen der märkischen


Neue Bücher

Neue Bücher
Heinrich Sy i er o von

M^AckU
»SG^er verstorbene Alexander von Roberts erzählte einmal, wie er in
seiner schriftstellerischen Laufbahn von der Novelle zum Roman und
von diesem zum Drama gekommen wäre — immer erfolgte das auf
^ Grund einer das Gegenteil erwartenden Prophezeiung. Einmal hatte
ihm, der immer mir Erzählungen schmalen Umfanges geschrieben
hatte, Frau Fanny Lewald gesagt: „Roberts, Sie werden nie dreispännig sahren" —
und flugs ging er hin und schrieb einen mehrteiligen Roman. Ein andermal hatte
ihm jemand die dramatische Begabung abgesprochen — und sofort schrieb Roberts
erfolgreiche Dramen. Nicht immer, ja, nur sehr selten glückt einem in gewisse
Grenzen gebannten Talent ein Hinausrecken über den bisher mit innerer Befriedigung
und äußerem Gelingen ausgefüllten Rahmen; um so öfter aber sehen wir, wie
eine ihrer Kräfte gewisse Begabung immer wieder Schönes und Wertvolles schafft
wenn sie, ohne rechts und links zu blicken, im zugewiesenen Bezirk verharrt. So
ergeht es innerhalb des breiten Flusses ihrer starken Produktion immer wieder den
Brüdern Hans und Fedor von Zobeltitz. Sie sind mit unsere vornehmsten Unter¬
haltungsschriftsteller und gerade so weit Dichter, daß ihre besten Werke durchaus
selbst das gute Niveau der Unterhaltung überragen, zumal da ihnen oft ein fein
festgehaltener heimatlicher Einschlag nicht mangelt. Hebbel hat einmal gesagt, daß
jeder, der seine Poesie in den der Unterhaltung gewidmeten Formen ausgibt, es
büßen müsse; diese Formen seien so bequem, so locker, daß sie, weit entfernt, den
Geist zusammenhalten, wie die höheren es tun, im Gegenteil von ihm zusammen¬
gehalten werden müssen und sich jedem Inhalt bequemen, wenn er einmal die
Spannkraft verliert. Dieser Gefahr, die manches schöne Talent ruiniert, ist Hans
von Zobeltitz immer wieder entgangen und nicht zum mindesten in seinem neuen
Buch „Auf märkischer Erde" (Berlin, Egon Fleischel u. Co.). Es ist ein Roman
aus der Konfliktszeit, der sich abspielt zwischen einem märkischen Gut und Berlin.
Das Hauptthema ist die Herzensgeschichte einer jungen Landedeldame und hoch¬
begabten Künstlerin, die nach einer furchtbaren Enttäuschung schwer in den Hafen
einer warmen, auf Dauer gegründeten Liebe gelangt. Sie und die Ihren, ihr
ganzer Kreis lebt voll mit in dem bewegten Sein der letzten Jahre vor dem
deutschen Kriege; alle Verbitterung der inneren Politik bis zu dem großen Triumph
von 1866 bewegt auch das Haus Hackentin, und es wird nichts bloß von außen
hineingetragen, es herrscht nicht die Bemühung, möglichst viel bunten Stoff
zueinander zu packen, sondern die Stimmung bleibt ganz einheitlich, wird oft zart
und fein wiedergegeben. Und welche Fülle von Gestalten neben der Heldin, von
dem roten Kreisrichter aus adligen Hause bis zu der alten Großmutter, die der
Gatte immer noch wegen einer leisen Neigung zu Theodor Körner neckt, der alte
märkische Edelmann selbst in seinem einfachen Milieu, der Sohn, der den neuen
industriellen Aufschwung wahrnimmt, der junge Offizier aus altem Neuenburger
Geschlecht und alle die anderen. Es ist ein Buch, das man mit Spannung zu
Ende liest, gern wieder vornimmt, und das nicht nur den Namen der märkischen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317437"/>
          <fw type="header" place="top"> Neue Bücher</fw><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Neue Bücher<lb/><note type="byline"> Heinrich Sy i er o</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2264" next="#ID_2265"> M^AckU<lb/>
»SG^er verstorbene Alexander von Roberts erzählte einmal, wie er in<lb/>
seiner schriftstellerischen Laufbahn von der Novelle zum Roman und<lb/>
von diesem zum Drama gekommen wäre &#x2014; immer erfolgte das auf<lb/>
^ Grund einer das Gegenteil erwartenden Prophezeiung. Einmal hatte<lb/>
ihm, der immer mir Erzählungen schmalen Umfanges geschrieben<lb/>
hatte, Frau Fanny Lewald gesagt: &#x201E;Roberts, Sie werden nie dreispännig sahren" &#x2014;<lb/>
und flugs ging er hin und schrieb einen mehrteiligen Roman. Ein andermal hatte<lb/>
ihm jemand die dramatische Begabung abgesprochen &#x2014; und sofort schrieb Roberts<lb/>
erfolgreiche Dramen. Nicht immer, ja, nur sehr selten glückt einem in gewisse<lb/>
Grenzen gebannten Talent ein Hinausrecken über den bisher mit innerer Befriedigung<lb/>
und äußerem Gelingen ausgefüllten Rahmen; um so öfter aber sehen wir, wie<lb/>
eine ihrer Kräfte gewisse Begabung immer wieder Schönes und Wertvolles schafft<lb/>
wenn sie, ohne rechts und links zu blicken, im zugewiesenen Bezirk verharrt. So<lb/>
ergeht es innerhalb des breiten Flusses ihrer starken Produktion immer wieder den<lb/>
Brüdern Hans und Fedor von Zobeltitz. Sie sind mit unsere vornehmsten Unter¬<lb/>
haltungsschriftsteller und gerade so weit Dichter, daß ihre besten Werke durchaus<lb/>
selbst das gute Niveau der Unterhaltung überragen, zumal da ihnen oft ein fein<lb/>
festgehaltener heimatlicher Einschlag nicht mangelt. Hebbel hat einmal gesagt, daß<lb/>
jeder, der seine Poesie in den der Unterhaltung gewidmeten Formen ausgibt, es<lb/>
büßen müsse; diese Formen seien so bequem, so locker, daß sie, weit entfernt, den<lb/>
Geist zusammenhalten, wie die höheren es tun, im Gegenteil von ihm zusammen¬<lb/>
gehalten werden müssen und sich jedem Inhalt bequemen, wenn er einmal die<lb/>
Spannkraft verliert. Dieser Gefahr, die manches schöne Talent ruiniert, ist Hans<lb/>
von Zobeltitz immer wieder entgangen und nicht zum mindesten in seinem neuen<lb/>
Buch &#x201E;Auf märkischer Erde" (Berlin, Egon Fleischel u. Co.). Es ist ein Roman<lb/>
aus der Konfliktszeit, der sich abspielt zwischen einem märkischen Gut und Berlin.<lb/>
Das Hauptthema ist die Herzensgeschichte einer jungen Landedeldame und hoch¬<lb/>
begabten Künstlerin, die nach einer furchtbaren Enttäuschung schwer in den Hafen<lb/>
einer warmen, auf Dauer gegründeten Liebe gelangt. Sie und die Ihren, ihr<lb/>
ganzer Kreis lebt voll mit in dem bewegten Sein der letzten Jahre vor dem<lb/>
deutschen Kriege; alle Verbitterung der inneren Politik bis zu dem großen Triumph<lb/>
von 1866 bewegt auch das Haus Hackentin, und es wird nichts bloß von außen<lb/>
hineingetragen, es herrscht nicht die Bemühung, möglichst viel bunten Stoff<lb/>
zueinander zu packen, sondern die Stimmung bleibt ganz einheitlich, wird oft zart<lb/>
und fein wiedergegeben. Und welche Fülle von Gestalten neben der Heldin, von<lb/>
dem roten Kreisrichter aus adligen Hause bis zu der alten Großmutter, die der<lb/>
Gatte immer noch wegen einer leisen Neigung zu Theodor Körner neckt, der alte<lb/>
märkische Edelmann selbst in seinem einfachen Milieu, der Sohn, der den neuen<lb/>
industriellen Aufschwung wahrnimmt, der junge Offizier aus altem Neuenburger<lb/>
Geschlecht und alle die anderen. Es ist ein Buch, das man mit Spannung zu<lb/>
Ende liest, gern wieder vornimmt, und das nicht nur den Namen der märkischen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0486] Neue Bücher Neue Bücher Heinrich Sy i er o von M^AckU »SG^er verstorbene Alexander von Roberts erzählte einmal, wie er in seiner schriftstellerischen Laufbahn von der Novelle zum Roman und von diesem zum Drama gekommen wäre — immer erfolgte das auf ^ Grund einer das Gegenteil erwartenden Prophezeiung. Einmal hatte ihm, der immer mir Erzählungen schmalen Umfanges geschrieben hatte, Frau Fanny Lewald gesagt: „Roberts, Sie werden nie dreispännig sahren" — und flugs ging er hin und schrieb einen mehrteiligen Roman. Ein andermal hatte ihm jemand die dramatische Begabung abgesprochen — und sofort schrieb Roberts erfolgreiche Dramen. Nicht immer, ja, nur sehr selten glückt einem in gewisse Grenzen gebannten Talent ein Hinausrecken über den bisher mit innerer Befriedigung und äußerem Gelingen ausgefüllten Rahmen; um so öfter aber sehen wir, wie eine ihrer Kräfte gewisse Begabung immer wieder Schönes und Wertvolles schafft wenn sie, ohne rechts und links zu blicken, im zugewiesenen Bezirk verharrt. So ergeht es innerhalb des breiten Flusses ihrer starken Produktion immer wieder den Brüdern Hans und Fedor von Zobeltitz. Sie sind mit unsere vornehmsten Unter¬ haltungsschriftsteller und gerade so weit Dichter, daß ihre besten Werke durchaus selbst das gute Niveau der Unterhaltung überragen, zumal da ihnen oft ein fein festgehaltener heimatlicher Einschlag nicht mangelt. Hebbel hat einmal gesagt, daß jeder, der seine Poesie in den der Unterhaltung gewidmeten Formen ausgibt, es büßen müsse; diese Formen seien so bequem, so locker, daß sie, weit entfernt, den Geist zusammenhalten, wie die höheren es tun, im Gegenteil von ihm zusammen¬ gehalten werden müssen und sich jedem Inhalt bequemen, wenn er einmal die Spannkraft verliert. Dieser Gefahr, die manches schöne Talent ruiniert, ist Hans von Zobeltitz immer wieder entgangen und nicht zum mindesten in seinem neuen Buch „Auf märkischer Erde" (Berlin, Egon Fleischel u. Co.). Es ist ein Roman aus der Konfliktszeit, der sich abspielt zwischen einem märkischen Gut und Berlin. Das Hauptthema ist die Herzensgeschichte einer jungen Landedeldame und hoch¬ begabten Künstlerin, die nach einer furchtbaren Enttäuschung schwer in den Hafen einer warmen, auf Dauer gegründeten Liebe gelangt. Sie und die Ihren, ihr ganzer Kreis lebt voll mit in dem bewegten Sein der letzten Jahre vor dem deutschen Kriege; alle Verbitterung der inneren Politik bis zu dem großen Triumph von 1866 bewegt auch das Haus Hackentin, und es wird nichts bloß von außen hineingetragen, es herrscht nicht die Bemühung, möglichst viel bunten Stoff zueinander zu packen, sondern die Stimmung bleibt ganz einheitlich, wird oft zart und fein wiedergegeben. Und welche Fülle von Gestalten neben der Heldin, von dem roten Kreisrichter aus adligen Hause bis zu der alten Großmutter, die der Gatte immer noch wegen einer leisen Neigung zu Theodor Körner neckt, der alte märkische Edelmann selbst in seinem einfachen Milieu, der Sohn, der den neuen industriellen Aufschwung wahrnimmt, der junge Offizier aus altem Neuenburger Geschlecht und alle die anderen. Es ist ein Buch, das man mit Spannung zu Ende liest, gern wieder vornimmt, und das nicht nur den Namen der märkischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/486
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/486>, abgerufen am 29.04.2024.