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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Im Flecken

Anschluß bekommen und brauchen dann nur so viel Ortsgespräche zu bezahlen,
als sie auch wirklich geführt haben. Auf dem Lande mit seinen ungezählten
Kleinbetrieben sind noch viel entwicklungsfähige Kräfte, die durch die Verbilligung
und Ausbreitung des Fernsprechers belebt werden könnten und müssen.

Freilich, die Aufhebung der Pauschgebühren ist ein großer Stein des
Anstoßes für viele, die sich an dieses System gewöhnt haben. Es spricht sich
leichter und unbekümmerter, wenn man sein Telephon im voraus mit einem
festen Satze bezahlt hat, als unter dem Bewußtsein, daß für jedes verlangte
Gespräch bezahlt werden muß. Aber das Pauschsystem ist eine zu primitive
Form der Gebührenerhebung, als daß es sich der ungeheuren Verkehrsentwicklung
gegenüber auf die Dauer halten ließe. Man kann mit ihm nicht mehr arbeiten
und Ordnung halten. Die Pauschgebühr wäre schon längst gefallen, wenn wir
im Besitze sicher arbeitender Zählapparate gewesen wären. Nachdem diese
erfunden worden sind und sich bewährt haben, gehen alle größeren Verwaltungen
nacheinander zum Einzelgebührensystem über. Die Schweiz hat es längst,
Frankreich und England sind im Begriffe, es einzuführen, und in New Uork, dem
größten Ortsfernsprechnetz der Erde, hat es ebenfalls die veralteten Pausch¬
gebühren verdrängt.




Im Flecken
Erzählung aus der russischen Provinz
Alexander Andreas-v, Reyher von
Achtes Kapitel: Die Pastete.

Der Polizeiaufseher Wolski war unermüdlich tätig. Er befand sich nicht
allein des Tages auf den Beinen und griff nach allen möglichen und unmöglichen
Mitteln zur Entdeckung der Einbrecher, sondern gönnte sich selbst in der Nacht
nur wenige Stunden Schlaf. Waren es doch, wie er annahm, ihm gehörige drei-
undvierzigtausend Rubel, nach denen er suchte. Er ging so eifrig ans Werk, daß
er sogar seinen äußeren Menschen vernachlässigte und manchmal ziemlich unsauber
und geschäftsmäßig aussah. So trat er energisch auf, daß es ihm Unannehmlich¬
keiten mit verschiedenen Einwohnern eintrug, die sich bei dem Bezirksaufseher über
ihn beschwerten.

Dieser war deshalb mit seiner Art des Führens der Nachforschungen unzufrieden
und wusch ihm mehrmals den Kopf, handelte aber ganz ebenso rücksichtslos und
dabei ebenso erfolglos im Bezirk, weshalb ihm mehrfach gedroht wurde, man werde
ihn bei dem Kreischef verklagen.

Der Untersuchungsrichter war fort. Wolski hatte sich pflichtschuldig zur Post-
station begeben, um bei seiner Abfahrt gegenwärtig zu sein und etwaige schließliche
Andeutungen und Winke in Empfang zu nehmen. Er kehrte langsam über die


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Anschluß bekommen und brauchen dann nur so viel Ortsgespräche zu bezahlen,
als sie auch wirklich geführt haben. Auf dem Lande mit seinen ungezählten
Kleinbetrieben sind noch viel entwicklungsfähige Kräfte, die durch die Verbilligung
und Ausbreitung des Fernsprechers belebt werden könnten und müssen.

Freilich, die Aufhebung der Pauschgebühren ist ein großer Stein des
Anstoßes für viele, die sich an dieses System gewöhnt haben. Es spricht sich
leichter und unbekümmerter, wenn man sein Telephon im voraus mit einem
festen Satze bezahlt hat, als unter dem Bewußtsein, daß für jedes verlangte
Gespräch bezahlt werden muß. Aber das Pauschsystem ist eine zu primitive
Form der Gebührenerhebung, als daß es sich der ungeheuren Verkehrsentwicklung
gegenüber auf die Dauer halten ließe. Man kann mit ihm nicht mehr arbeiten
und Ordnung halten. Die Pauschgebühr wäre schon längst gefallen, wenn wir
im Besitze sicher arbeitender Zählapparate gewesen wären. Nachdem diese
erfunden worden sind und sich bewährt haben, gehen alle größeren Verwaltungen
nacheinander zum Einzelgebührensystem über. Die Schweiz hat es längst,
Frankreich und England sind im Begriffe, es einzuführen, und in New Uork, dem
größten Ortsfernsprechnetz der Erde, hat es ebenfalls die veralteten Pausch¬
gebühren verdrängt.




Im Flecken
Erzählung aus der russischen Provinz
Alexander Andreas-v, Reyher von
Achtes Kapitel: Die Pastete.

Der Polizeiaufseher Wolski war unermüdlich tätig. Er befand sich nicht
allein des Tages auf den Beinen und griff nach allen möglichen und unmöglichen
Mitteln zur Entdeckung der Einbrecher, sondern gönnte sich selbst in der Nacht
nur wenige Stunden Schlaf. Waren es doch, wie er annahm, ihm gehörige drei-
undvierzigtausend Rubel, nach denen er suchte. Er ging so eifrig ans Werk, daß
er sogar seinen äußeren Menschen vernachlässigte und manchmal ziemlich unsauber
und geschäftsmäßig aussah. So trat er energisch auf, daß es ihm Unannehmlich¬
keiten mit verschiedenen Einwohnern eintrug, die sich bei dem Bezirksaufseher über
ihn beschwerten.

Dieser war deshalb mit seiner Art des Führens der Nachforschungen unzufrieden
und wusch ihm mehrmals den Kopf, handelte aber ganz ebenso rücksichtslos und
dabei ebenso erfolglos im Bezirk, weshalb ihm mehrfach gedroht wurde, man werde
ihn bei dem Kreischef verklagen.

Der Untersuchungsrichter war fort. Wolski hatte sich pflichtschuldig zur Post-
station begeben, um bei seiner Abfahrt gegenwärtig zu sein und etwaige schließliche
Andeutungen und Winke in Empfang zu nehmen. Er kehrte langsam über die


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[0583] Im Flecken Anschluß bekommen und brauchen dann nur so viel Ortsgespräche zu bezahlen, als sie auch wirklich geführt haben. Auf dem Lande mit seinen ungezählten Kleinbetrieben sind noch viel entwicklungsfähige Kräfte, die durch die Verbilligung und Ausbreitung des Fernsprechers belebt werden könnten und müssen. Freilich, die Aufhebung der Pauschgebühren ist ein großer Stein des Anstoßes für viele, die sich an dieses System gewöhnt haben. Es spricht sich leichter und unbekümmerter, wenn man sein Telephon im voraus mit einem festen Satze bezahlt hat, als unter dem Bewußtsein, daß für jedes verlangte Gespräch bezahlt werden muß. Aber das Pauschsystem ist eine zu primitive Form der Gebührenerhebung, als daß es sich der ungeheuren Verkehrsentwicklung gegenüber auf die Dauer halten ließe. Man kann mit ihm nicht mehr arbeiten und Ordnung halten. Die Pauschgebühr wäre schon längst gefallen, wenn wir im Besitze sicher arbeitender Zählapparate gewesen wären. Nachdem diese erfunden worden sind und sich bewährt haben, gehen alle größeren Verwaltungen nacheinander zum Einzelgebührensystem über. Die Schweiz hat es längst, Frankreich und England sind im Begriffe, es einzuführen, und in New Uork, dem größten Ortsfernsprechnetz der Erde, hat es ebenfalls die veralteten Pausch¬ gebühren verdrängt. Im Flecken Erzählung aus der russischen Provinz Alexander Andreas-v, Reyher von Achtes Kapitel: Die Pastete. Der Polizeiaufseher Wolski war unermüdlich tätig. Er befand sich nicht allein des Tages auf den Beinen und griff nach allen möglichen und unmöglichen Mitteln zur Entdeckung der Einbrecher, sondern gönnte sich selbst in der Nacht nur wenige Stunden Schlaf. Waren es doch, wie er annahm, ihm gehörige drei- undvierzigtausend Rubel, nach denen er suchte. Er ging so eifrig ans Werk, daß er sogar seinen äußeren Menschen vernachlässigte und manchmal ziemlich unsauber und geschäftsmäßig aussah. So trat er energisch auf, daß es ihm Unannehmlich¬ keiten mit verschiedenen Einwohnern eintrug, die sich bei dem Bezirksaufseher über ihn beschwerten. Dieser war deshalb mit seiner Art des Führens der Nachforschungen unzufrieden und wusch ihm mehrmals den Kopf, handelte aber ganz ebenso rücksichtslos und dabei ebenso erfolglos im Bezirk, weshalb ihm mehrfach gedroht wurde, man werde ihn bei dem Kreischef verklagen. Der Untersuchungsrichter war fort. Wolski hatte sich pflichtschuldig zur Post- station begeben, um bei seiner Abfahrt gegenwärtig zu sein und etwaige schließliche Andeutungen und Winke in Empfang zu nehmen. Er kehrte langsam über die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/583>, abgerufen am 29.04.2024.