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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches ^ut Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Wer fähig ist, das Ganze zu übersehen und
sich selbst in all dem einzelnen gesteigert zu
erleben, wird mit Dank dieser Entwicklung
gegenüberstehen, um der eine große Künstler¬
schar in allen Gegenden Deutschlands
gearbeitet hat, unermüdlich, entsagungsvoll,
hoffnungsreich.

In dem Neo-Impressionismus liegen die
Möglichkeiten eines großzügigen, monumen¬
talen Freskostils, der die Wände mit einem
schillernden, flimmernden Kleid überspinnt
und aus der Fernwirkung seine bedeutsamste
Berechtigung zur Bewältigung großer Auf¬
gaben entnimmt. Schon meldet sich in
Paris eine neue Generation, die der strengen
Komposition sich wieder zuzuwenden beginnt
und die ganze Arbeit der Mitlebenden als
einen Umweg zu diesem Ziele auffaßt, der
Wohl notwendig war, aber nicht die aus¬
schließliche Aufgabe darstellte. Notwendig,
damit das akademische Schema überwunden
wurde und Technik und Persönlichkeit sich
durchringen konnten zu neuen Mitteln und
zu neuem Ausdruck.

Auf einem anderen Wege kommt man zu
den gleichen Folgerungen. Dus Kunstgewerbe
zog die Maler an sich. Daraus erweiterte
sich zu neuen Problemen die Raumkunst, der
gegenüber das Kunstgewerbe als Spiel und
Versuch erschien. Diese wieder fügt sich der
Baukunst. Der tektonische Gedanke beherrscht
die jüngste Gegenwart. Bisher war die
Malerei von dieser Entwicklung aus¬
geschlossen. Der tektonische Gedanke aber
braucht zu seiner reichsten Entfaltung einer
großzügigen Malerei, eines Freskostils. Das
Bild galt nicht mehr viel im Haushalt der
modernen Kultur, die sich den kunstgcwerblich-
raumkünstlerischen Ideen überlieferte. Um
so nachhaltiger ruft die neue Baukunst, die
die lnngentbehrte Herrschaft anzutreten
beginnt, nach der feierlichen Schönheit
monumentaler Malerei.

Es ist freudig zu begrüßen, daß die Stadt
Berlin ein Preisausschrciben für Wand¬
gemälde, die die Aula des Königstädtischen
Gymnasiums schmücken sollen, erließ. Es ist
ganz gleich, ob im gegebenen Fall ein
günstiges Resultat erreicht wurde oder nicht.
Es hat auch keinen begründeten Sinn, um
dem einzelnen Kritik zu üben. Es soll nur

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betont werden, daß Staat, .Kommunen,
Kirchen die Pflicht haben, durch Stellung
solcher Aufgaben diese Entwicklung nach¬
drücklichst zu fördern. Wenn der ganze
Apparat, der damit zusammenhängt, dann
richtig gehandhabt wird, muß das Gute,
Tüchtige sich schließlich durchringen. Mögen
die Auftraggeber und Juroren sich ihrer
Verantwortlicher Pflicht bewußt sein; für das
andere werden die Künstler sorgen.

Lrnst Schur - Gr
Bildungsfragen

Volksbildungswesen, Ein fesselndes, über¬
aus erfreuliches Bild vom freien Volksbildungs-
wesen in Wien entwirft Josef Luitpold Stern
in einen: Büchlein von hundert Seiten (verlegt
bei Eugen Diederichs in Jena 191V). Sein
Zweck ist, die Bedeutung der Planmäßigkeit
in den weitverzweigten Bestrebungen der freien
Volksbildung darzulegen. Tntsächlich tritt in
den Schilderungen Sterns der Wert der Zen¬
tralisierung, des organischen Zusammenwirkens
aller Faktoren, die dem gleichen Zwecke dienen
wollen, ins hellste Licht. An dieser Stelle
genüge ein Hinweis uns die zum Teil sehr
lehrreichen, dnrch statistisches Material ge¬
stützten Angaben Sterns über die Organisation
und das Wirken der verschiedenen Vereine
und Institutionen, die, bei aller Selbständigkeit
im einzelnen, durch gegenseitiges Entgegen¬
kommen und Arbeitsteilung den inneren Zu¬
sammenhalt zum Wohle der Gesamtheit zu
wahren wissen. Besonders hervorgehoben zu
werden verdienen aber zwei in die Augen
fallende Tatsachen, die einen Borzug Wiens
Berlin gegenüber bedeuten: erstens ist in
Wien die Teilnahme der Universität an den
BolksbildnngSbestrebungen eine viel intensivere
als bei uns und zweitens gibt eS dort eigens
der freien Fortbildung dienende BollShäuser,
wie sie sich auch in vielen Städten Deutsch¬
lands -- freilich, nach Sterns Ausspruch, in
weniger vollkommener Form --, nicht aber in
Berlin finden.

Was zunächst die Anteilnahme der Uni¬
versität an der freien Fortbildung der breiten
Massen betrifft, so haben wir zwar einen
Verein für volkstümliche Kurse von Berliner
Hochschullehrern, aber dieser Verein ist von
der Universität völlig unabhängig, während

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Wer fähig ist, das Ganze zu übersehen und
sich selbst in all dem einzelnen gesteigert zu
erleben, wird mit Dank dieser Entwicklung
gegenüberstehen, um der eine große Künstler¬
schar in allen Gegenden Deutschlands
gearbeitet hat, unermüdlich, entsagungsvoll,
hoffnungsreich.

In dem Neo-Impressionismus liegen die
Möglichkeiten eines großzügigen, monumen¬
talen Freskostils, der die Wände mit einem
schillernden, flimmernden Kleid überspinnt
und aus der Fernwirkung seine bedeutsamste
Berechtigung zur Bewältigung großer Auf¬
gaben entnimmt. Schon meldet sich in
Paris eine neue Generation, die der strengen
Komposition sich wieder zuzuwenden beginnt
und die ganze Arbeit der Mitlebenden als
einen Umweg zu diesem Ziele auffaßt, der
Wohl notwendig war, aber nicht die aus¬
schließliche Aufgabe darstellte. Notwendig,
damit das akademische Schema überwunden
wurde und Technik und Persönlichkeit sich
durchringen konnten zu neuen Mitteln und
zu neuem Ausdruck.

Auf einem anderen Wege kommt man zu
den gleichen Folgerungen. Dus Kunstgewerbe
zog die Maler an sich. Daraus erweiterte
sich zu neuen Problemen die Raumkunst, der
gegenüber das Kunstgewerbe als Spiel und
Versuch erschien. Diese wieder fügt sich der
Baukunst. Der tektonische Gedanke beherrscht
die jüngste Gegenwart. Bisher war die
Malerei von dieser Entwicklung aus¬
geschlossen. Der tektonische Gedanke aber
braucht zu seiner reichsten Entfaltung einer
großzügigen Malerei, eines Freskostils. Das
Bild galt nicht mehr viel im Haushalt der
modernen Kultur, die sich den kunstgcwerblich-
raumkünstlerischen Ideen überlieferte. Um
so nachhaltiger ruft die neue Baukunst, die
die lnngentbehrte Herrschaft anzutreten
beginnt, nach der feierlichen Schönheit
monumentaler Malerei.

Es ist freudig zu begrüßen, daß die Stadt
Berlin ein Preisausschrciben für Wand¬
gemälde, die die Aula des Königstädtischen
Gymnasiums schmücken sollen, erließ. Es ist
ganz gleich, ob im gegebenen Fall ein
günstiges Resultat erreicht wurde oder nicht.
Es hat auch keinen begründeten Sinn, um
dem einzelnen Kritik zu üben. Es soll nur

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betont werden, daß Staat, .Kommunen,
Kirchen die Pflicht haben, durch Stellung
solcher Aufgaben diese Entwicklung nach¬
drücklichst zu fördern. Wenn der ganze
Apparat, der damit zusammenhängt, dann
richtig gehandhabt wird, muß das Gute,
Tüchtige sich schließlich durchringen. Mögen
die Auftraggeber und Juroren sich ihrer
Verantwortlicher Pflicht bewußt sein; für das
andere werden die Künstler sorgen.

Lrnst Schur - Gr
Bildungsfragen

Volksbildungswesen, Ein fesselndes, über¬
aus erfreuliches Bild vom freien Volksbildungs-
wesen in Wien entwirft Josef Luitpold Stern
in einen: Büchlein von hundert Seiten (verlegt
bei Eugen Diederichs in Jena 191V). Sein
Zweck ist, die Bedeutung der Planmäßigkeit
in den weitverzweigten Bestrebungen der freien
Volksbildung darzulegen. Tntsächlich tritt in
den Schilderungen Sterns der Wert der Zen¬
tralisierung, des organischen Zusammenwirkens
aller Faktoren, die dem gleichen Zwecke dienen
wollen, ins hellste Licht. An dieser Stelle
genüge ein Hinweis uns die zum Teil sehr
lehrreichen, dnrch statistisches Material ge¬
stützten Angaben Sterns über die Organisation
und das Wirken der verschiedenen Vereine
und Institutionen, die, bei aller Selbständigkeit
im einzelnen, durch gegenseitiges Entgegen¬
kommen und Arbeitsteilung den inneren Zu¬
sammenhalt zum Wohle der Gesamtheit zu
wahren wissen. Besonders hervorgehoben zu
werden verdienen aber zwei in die Augen
fallende Tatsachen, die einen Borzug Wiens
Berlin gegenüber bedeuten: erstens ist in
Wien die Teilnahme der Universität an den
BolksbildnngSbestrebungen eine viel intensivere
als bei uns und zweitens gibt eS dort eigens
der freien Fortbildung dienende BollShäuser,
wie sie sich auch in vielen Städten Deutsch¬
lands — freilich, nach Sterns Ausspruch, in
weniger vollkommener Form —, nicht aber in
Berlin finden.

Was zunächst die Anteilnahme der Uni¬
versität an der freien Fortbildung der breiten
Massen betrifft, so haben wir zwar einen
Verein für volkstümliche Kurse von Berliner
Hochschullehrern, aber dieser Verein ist von
der Universität völlig unabhängig, während

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/506>, abgerufen am 04.05.2024.