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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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ist die Frage, ob der angebliche Schaden, der der Wissenschaft zugefügt werden
könnte, nicht wieder ausgeglichen würde durch die Beschaffung des Materials,
das die exakte Wirtschaftsforschung auf dem ihr seitens der Unternehmer
eröffneten Wege erhielte. Die Wissenschaft soll doch dein Fortschritt auf allen
Gebieten und in allen Richtungen dienen. Es kann doch nicht einseitig
Aufgabe der Nationalökonomie sein, die Mittel zu suchen, um die Lage
der unteren Schichten zu bessern, vielniehr soll sie auch den Weg zur
Besserung der Wirtschaftsmethoden zeigen. Daß sich die Unternehmer nicht
von jedem Nationalökonomen in die Bücher gucken' lassen wollen, dürfte
ihnen eigentlich nicht verübelt werden, weil sie dadurch ihre Unter¬
nehmungen zu großen Gefahren aussetzen würden. Wenn sie also gewissen
Vertrauenspersonen Einblick gewähren wollen, so kommen sie der
Wissenschaft außerordentlich weit entgegen. Warum auf diesen wenn auch
kleinen Vorteil verzichten? Gegenwärtig stützen sich die Kenntnisse über die
Geschäftsführung der Großbetriebe, abgesehen von den Geschäftsberichten der ein¬
zelnen Firmen, auf die meist anonym erscheinenden und daher unkontrollierbaren
Berichte der Handelsblätter. Wäre der Forschung nicht gedient, wenn hierzu
ergänzend Arbeiten solcher Gelehrten treten würden, deren Tun und Lassen vor
aller Öffentlichkeit läge? Zweifellos! Und schon ein einziger Gelehrter könnte
gewisse Kenntnisse zum Gemeingut der Unternehmerwelt machen, die gegen¬
wärtig nur von einzelnen Firmen ausgebeutet werden. Darum sollte der Herr
Kultusminister die Wünsche der Steuer- und Wirtschaftsreformer wohlwollend
prüfen und helfen einen Weg zu finden, um die Bedenken Adolf Wagners zu
<Z- <Li, zerstreuen.


Bank und Geld

Hochkonjunktur und Börsentendenz -- Fusionen und Kapitalserhöhungen -- Eisen¬
werk Kraft -- Mnnnstädt-Fasson -- Konkurs Pinke -- Spekulationen im Aus¬
land -- Remisierunivesen -- Serienlosgesellschaften und Klassenlotterie

Befinden wir uns auf dem Wege zu einer neuen wirtschaftlichen Hoch¬
konjunktur? Es ist eigentümlich, daß man eine solche Frage aufwerfen kann;
noch eigentümlicher, daß ihre Beantwortung schwierig und unsicher ist. -- Staats¬
sekretär Delbrück hat kürzlich seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, daß die
wirtschaftliche Konjunktur im Aufsteigen begriffen sei; das gleiche hat dieser
Tage der Direktor der Deutschen Bank, Herr v. Gwinner, getan, als er der
Eisenbahnverwaltung den Rat gab, mit den Investitionen ein rascheres Tempo
einzuschlagen und nicht zu warten, bis die Hochkonjunktur zu einer starken
Preissteigerung geführt habe. Jedesmal hat die Börse diese Äußerungen mit
einer momentanen Hauffe quittiert und damit zum Ausdruck gebracht, wie sehr
diese Beurteilung von autoritativer Seite mit ihrer eigenen, noch mehr aber mit
ihren Wünschen und Erwartungen in Einklang stehe. Sieht man aber von
dieser Auffassung der Börse ab, so erscheint die Gesamtheit der wirtschaftlichen


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ist die Frage, ob der angebliche Schaden, der der Wissenschaft zugefügt werden
könnte, nicht wieder ausgeglichen würde durch die Beschaffung des Materials,
das die exakte Wirtschaftsforschung auf dem ihr seitens der Unternehmer
eröffneten Wege erhielte. Die Wissenschaft soll doch dein Fortschritt auf allen
Gebieten und in allen Richtungen dienen. Es kann doch nicht einseitig
Aufgabe der Nationalökonomie sein, die Mittel zu suchen, um die Lage
der unteren Schichten zu bessern, vielniehr soll sie auch den Weg zur
Besserung der Wirtschaftsmethoden zeigen. Daß sich die Unternehmer nicht
von jedem Nationalökonomen in die Bücher gucken' lassen wollen, dürfte
ihnen eigentlich nicht verübelt werden, weil sie dadurch ihre Unter¬
nehmungen zu großen Gefahren aussetzen würden. Wenn sie also gewissen
Vertrauenspersonen Einblick gewähren wollen, so kommen sie der
Wissenschaft außerordentlich weit entgegen. Warum auf diesen wenn auch
kleinen Vorteil verzichten? Gegenwärtig stützen sich die Kenntnisse über die
Geschäftsführung der Großbetriebe, abgesehen von den Geschäftsberichten der ein¬
zelnen Firmen, auf die meist anonym erscheinenden und daher unkontrollierbaren
Berichte der Handelsblätter. Wäre der Forschung nicht gedient, wenn hierzu
ergänzend Arbeiten solcher Gelehrten treten würden, deren Tun und Lassen vor
aller Öffentlichkeit läge? Zweifellos! Und schon ein einziger Gelehrter könnte
gewisse Kenntnisse zum Gemeingut der Unternehmerwelt machen, die gegen¬
wärtig nur von einzelnen Firmen ausgebeutet werden. Darum sollte der Herr
Kultusminister die Wünsche der Steuer- und Wirtschaftsreformer wohlwollend
prüfen und helfen einen Weg zu finden, um die Bedenken Adolf Wagners zu
<Z- <Li, zerstreuen.


Bank und Geld

Hochkonjunktur und Börsentendenz — Fusionen und Kapitalserhöhungen — Eisen¬
werk Kraft — Mnnnstädt-Fasson — Konkurs Pinke — Spekulationen im Aus¬
land — Remisierunivesen — Serienlosgesellschaften und Klassenlotterie

Befinden wir uns auf dem Wege zu einer neuen wirtschaftlichen Hoch¬
konjunktur? Es ist eigentümlich, daß man eine solche Frage aufwerfen kann;
noch eigentümlicher, daß ihre Beantwortung schwierig und unsicher ist. — Staats¬
sekretär Delbrück hat kürzlich seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, daß die
wirtschaftliche Konjunktur im Aufsteigen begriffen sei; das gleiche hat dieser
Tage der Direktor der Deutschen Bank, Herr v. Gwinner, getan, als er der
Eisenbahnverwaltung den Rat gab, mit den Investitionen ein rascheres Tempo
einzuschlagen und nicht zu warten, bis die Hochkonjunktur zu einer starken
Preissteigerung geführt habe. Jedesmal hat die Börse diese Äußerungen mit
einer momentanen Hauffe quittiert und damit zum Ausdruck gebracht, wie sehr
diese Beurteilung von autoritativer Seite mit ihrer eigenen, noch mehr aber mit
ihren Wünschen und Erwartungen in Einklang stehe. Sieht man aber von
dieser Auffassung der Börse ab, so erscheint die Gesamtheit der wirtschaftlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/103>, abgerufen am 19.05.2024.