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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Die neue Gartenkunst

agitation als Vorspann benutzt zu haben, aber sie können sich dabei immer nur
auf einzelne bedauerliche Ausnahmefälle berufen, während sie auch durch die
gewandteste Dialektik die Tatsache nicht aus der Welt schaffen können, daß in
ihrer eigenen Partei jene Ideen dauernd gepflegt und immer weiter ausgebildet
wurden. Ob die Mehrheit des elsaß-lothringischen Zentrums diese Treibereien
mißbilligt oder nicht, ist gleichgiltig, so lange sie sich nicht entschließen kann, im
eigenen Hause Ordnung zu schaffen und für alle Parteimitglieder die Grund¬
sätze maßgebend zu machen, die bei der Gründung des elsaß-lothringischen
Zentrums als Wegweiser für dessen Tätigkeit aufgestellt wurden. Damals wurde
erklärt, das Programm der elsaß-lothringischen und der im Zentrum geeinten
Katholiken sei sowohl nach der religiösen als auch nach der sozialen und poli¬
tischen Seite identisch; identisch seien auch beider Ziele.
Und heute?

Heute hat der Name Zentrum im elsaß-lothringischen Klerikalismus gesiegt,
nicht aber das Programm des Zentrums; und die Ziele steckt sich jede der
beiden Hauptgruppen nach eigenem Ermessen.




Die neue Gartenkunst
von Dr. Friedrich rvoltcrs

"och erwartet diese Tochter der neueren Zeit, diese jüngste der
liebenswürdigen Künste, in den Akademien ihrer älteren Geschwister
eine Stelle. Ebenso edel wie eine ihrer Schwestern, mehr wie
irgendeine sich verbreitend in dem Aufguß ihrer Ergötzungen, eilet
sie, die ihre bessere Bildung nicht in Griechenland, nicht in Italien
fand, dem Beschützer der Künste im Norden entgegen und freuet sich, von seiner
milden Hand geleitet, die Gefilde zu verschönern, wo unter seinen Augen ein ewiger
Friede wandelt." So leitete vor etwa hundertfünfzig Jahren C. C. L. Hirschfeld
die Widmung seiner "Theorie der Gartenkunst" an den Erbprinzen Friedrich
zu Dänemark und Norwegen ein, die den in England und Frankreich fast schon
ausgefochtenen Kampf um die neue Gartenkunst auch in Deutschland stärker
entflammte und auf die tatsächliche Umwandlung und Neugestaltung der Gärten
bedeutend einwirkte. Das Gartenbild der Zeit um 1770 trägt deutlich das
Merkmal des Hervortretens einer neuen Generationenreihe an sich, die sich in
allem von der vorhergegangenen unterscheiden will, weil sie sich im Bewußt¬
sein eines neuen Zusammenhangs mit dein Lebenszentrum wieder vom
echterer Lebensquell getränkt glaubt. "Gefühl" und "Natur" waren damals
und sind fast immer an den Zeitenwenden die neuerschlossenen Siegel gewesen;
aber die Behauptung ihres wahren Inhaltes bedeutet noch uicht den Besitz einer


Die neue Gartenkunst

agitation als Vorspann benutzt zu haben, aber sie können sich dabei immer nur
auf einzelne bedauerliche Ausnahmefälle berufen, während sie auch durch die
gewandteste Dialektik die Tatsache nicht aus der Welt schaffen können, daß in
ihrer eigenen Partei jene Ideen dauernd gepflegt und immer weiter ausgebildet
wurden. Ob die Mehrheit des elsaß-lothringischen Zentrums diese Treibereien
mißbilligt oder nicht, ist gleichgiltig, so lange sie sich nicht entschließen kann, im
eigenen Hause Ordnung zu schaffen und für alle Parteimitglieder die Grund¬
sätze maßgebend zu machen, die bei der Gründung des elsaß-lothringischen
Zentrums als Wegweiser für dessen Tätigkeit aufgestellt wurden. Damals wurde
erklärt, das Programm der elsaß-lothringischen und der im Zentrum geeinten
Katholiken sei sowohl nach der religiösen als auch nach der sozialen und poli¬
tischen Seite identisch; identisch seien auch beider Ziele.
Und heute?

Heute hat der Name Zentrum im elsaß-lothringischen Klerikalismus gesiegt,
nicht aber das Programm des Zentrums; und die Ziele steckt sich jede der
beiden Hauptgruppen nach eigenem Ermessen.




Die neue Gartenkunst
von Dr. Friedrich rvoltcrs

»och erwartet diese Tochter der neueren Zeit, diese jüngste der
liebenswürdigen Künste, in den Akademien ihrer älteren Geschwister
eine Stelle. Ebenso edel wie eine ihrer Schwestern, mehr wie
irgendeine sich verbreitend in dem Aufguß ihrer Ergötzungen, eilet
sie, die ihre bessere Bildung nicht in Griechenland, nicht in Italien
fand, dem Beschützer der Künste im Norden entgegen und freuet sich, von seiner
milden Hand geleitet, die Gefilde zu verschönern, wo unter seinen Augen ein ewiger
Friede wandelt." So leitete vor etwa hundertfünfzig Jahren C. C. L. Hirschfeld
die Widmung seiner „Theorie der Gartenkunst" an den Erbprinzen Friedrich
zu Dänemark und Norwegen ein, die den in England und Frankreich fast schon
ausgefochtenen Kampf um die neue Gartenkunst auch in Deutschland stärker
entflammte und auf die tatsächliche Umwandlung und Neugestaltung der Gärten
bedeutend einwirkte. Das Gartenbild der Zeit um 1770 trägt deutlich das
Merkmal des Hervortretens einer neuen Generationenreihe an sich, die sich in
allem von der vorhergegangenen unterscheiden will, weil sie sich im Bewußt¬
sein eines neuen Zusammenhangs mit dein Lebenszentrum wieder vom
echterer Lebensquell getränkt glaubt. „Gefühl" und „Natur" waren damals
und sind fast immer an den Zeitenwenden die neuerschlossenen Siegel gewesen;
aber die Behauptung ihres wahren Inhaltes bedeutet noch uicht den Besitz einer


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[0118] Die neue Gartenkunst agitation als Vorspann benutzt zu haben, aber sie können sich dabei immer nur auf einzelne bedauerliche Ausnahmefälle berufen, während sie auch durch die gewandteste Dialektik die Tatsache nicht aus der Welt schaffen können, daß in ihrer eigenen Partei jene Ideen dauernd gepflegt und immer weiter ausgebildet wurden. Ob die Mehrheit des elsaß-lothringischen Zentrums diese Treibereien mißbilligt oder nicht, ist gleichgiltig, so lange sie sich nicht entschließen kann, im eigenen Hause Ordnung zu schaffen und für alle Parteimitglieder die Grund¬ sätze maßgebend zu machen, die bei der Gründung des elsaß-lothringischen Zentrums als Wegweiser für dessen Tätigkeit aufgestellt wurden. Damals wurde erklärt, das Programm der elsaß-lothringischen und der im Zentrum geeinten Katholiken sei sowohl nach der religiösen als auch nach der sozialen und poli¬ tischen Seite identisch; identisch seien auch beider Ziele. Und heute? Heute hat der Name Zentrum im elsaß-lothringischen Klerikalismus gesiegt, nicht aber das Programm des Zentrums; und die Ziele steckt sich jede der beiden Hauptgruppen nach eigenem Ermessen. Die neue Gartenkunst von Dr. Friedrich rvoltcrs »och erwartet diese Tochter der neueren Zeit, diese jüngste der liebenswürdigen Künste, in den Akademien ihrer älteren Geschwister eine Stelle. Ebenso edel wie eine ihrer Schwestern, mehr wie irgendeine sich verbreitend in dem Aufguß ihrer Ergötzungen, eilet sie, die ihre bessere Bildung nicht in Griechenland, nicht in Italien fand, dem Beschützer der Künste im Norden entgegen und freuet sich, von seiner milden Hand geleitet, die Gefilde zu verschönern, wo unter seinen Augen ein ewiger Friede wandelt." So leitete vor etwa hundertfünfzig Jahren C. C. L. Hirschfeld die Widmung seiner „Theorie der Gartenkunst" an den Erbprinzen Friedrich zu Dänemark und Norwegen ein, die den in England und Frankreich fast schon ausgefochtenen Kampf um die neue Gartenkunst auch in Deutschland stärker entflammte und auf die tatsächliche Umwandlung und Neugestaltung der Gärten bedeutend einwirkte. Das Gartenbild der Zeit um 1770 trägt deutlich das Merkmal des Hervortretens einer neuen Generationenreihe an sich, die sich in allem von der vorhergegangenen unterscheiden will, weil sie sich im Bewußt¬ sein eines neuen Zusammenhangs mit dein Lebenszentrum wieder vom echterer Lebensquell getränkt glaubt. „Gefühl" und „Natur" waren damals und sind fast immer an den Zeitenwenden die neuerschlossenen Siegel gewesen; aber die Behauptung ihres wahren Inhaltes bedeutet noch uicht den Besitz einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/118>, abgerufen am 19.05.2024.