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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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und politischen Bedenk""!," niedergelegt hat.
(Zweite durchwegs umgearbeitete und ver¬
mehrte Auflage, Verlag bon Gustav Fischer
in Jena. 1810.)

Schallmayer ist ein energischer Verfechter
der Lehre Darwins. Er ist der Überzeugung,
daß das Gesetz der Auslese nicht nur in der
Entivicklungsgeschichte des Tier- und Pflanzen¬
reichs wirksam ist, sondern daß auch die
geistigen Güter, die Sprache, Religion, Sitte,
Sittlichkeit und Rechtsordnung Ergebnisse
einer Entwicklung sind, die bon: auslesenden
Daseinskampf angetrieben und gelenkt wird.
Schallmayer legt, wie Gobineau, besonderes
Gewicht auf die geistige und körperliche Rasse¬
tüchtigkeit, auch er faßt die Gefahr der Ent¬
artung ins Auge. Eine genauere Untersuchung
der Ursachen dos Niedergangs bon Staaten
und Völkern tut aber, nach Schallmayer, dar,
daß dieser nicht naturnotwendig ist, daß es
also für Völker ein Physiologisches Altern nicht
gibt. Deshalb muß das letzte Ziel jeder
staatlichen Politik die Sicherung der Existenz
des Gemeinwesens und die Anpassung seiner
.Kräfte an die Erfordernisse der unablässigen
Daseinskonkurrenz sein. Auf die Wahrung
der organischen Erbgüter kommt eS in erster
Reihe an. Die Ursachengruppen, die in einem
hochzibilisiertenStaate zu einerVerschlechterung
des Volkskörpers an leiblichen und geistigen
Erbanlagen führen können, werden bon
Schallmayer auf Grund biologischer und
soziologischer Forschnngsergebnisse namhaft
gemacht, und damit gelangt er auch, im
Gegensatz zu Gobineau, zu Vorschlägen, wie
dem Verfall hoher Kulturentwicklung zu
steuern ist.

Die Wichtigkeit der hier behandelten Pro¬
bleme anch für die weitere Entwicklung des
Deutschtums haben uns den Wunsch eingegeben,
unsere Leser mit ihnen näher bekannt zu
machen. Wir hoffen, daß es uns gelingen
wird, die in den beiden borliegenden Werken
zutage tretenden gegensätzlichen Anschauungen
in einigen Grenzboten-Aufsätzen namhafter
Fachgelehrter zum Ausdruck zu bringen.

An dieser Stelle sei noch kurz daraufhin¬
gewiesen, daß neuerdings eine bon Dr. Otto
Neurath und Dr. Anna Schapire - Neurath
herrührende einwandfreie deutsche Übersetzung
des berühmten Werkes Francis Galtons, des

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kürzlich verstorbenen Begründers der euge-
nistischen Rassentheorie "Genie und Vcrcrlmnn"
lMreclirm^ Qenius), erschienen ist. (Verlag
bon Dr. Werner Klinkhardt, Leipzig 1910.)
Auch Galtons Forschungen beziehen sich auf
die praktische Frage, ob es möglich sei, den
Prozeß der natürlichen Auslese so zu leiten,
daß eine vollkommene Form der Menschheit
hervorgebracht würde. Galton war der erste,
der die Vererbung der Anlagen statistisch be¬
handelt hat.

Tagesfragen
Fraktur oder Antiqua?

Bei den ReichS-
tagsberhandlungen am 4. Mai über die
Petition des Allgemeinen Vereins für Alt¬
schrift hat der Abg. v. Naumann eine Rede
gehalten, die wir nach dem Bericht der
Täglichen Rundschau hier zum Abdruck
bringen, weil unsere Auffassung in dieser
Frage mit der des Herrn Naumann böllig
übereinstimmt. Zudem zeigen die glänzenden,
formvollendeten Ausführungen den bekannten
Parlamentarier wieder ans streng nationalem
Boden und auf der Höhe seiner rednerischen
Begabung, mit der er früher die nationale
Jugend zu fesseln und mitzureißen ver¬
Die Schriftltg. standen hat.

Abg. O. Naumann (Fortschr. Vgg.): Ich
möchte auch bestätigen, daß es sich keineswegs
um eine Parteiangclegenheit handelt, sondern
um eine Sache, wo den einzelnen sein
künstlerisches, wissenschaftliches und deutsch¬
sprachliches Empfinden den einen oder anderen
Weg weist. In diesem Sinne unterscheide ich
mich von meinem Parteigenossen Stengel, der
sowohl als Referent wie als Privatmann in
dieser Sache uns seine Meinung hier mit¬
geteilt hat. (Heiterkeit.) Ich möchte, daß
der Antrag der Kommission nicht angenommen
wird, weil mir scheint, daß wir dann etwas
annehmen würden, was zwar eine gewisse
Erleichterung für den Schulbetrieb und den
internationalen Verkehr bedeuten würde,
während Psychologische und charakterologische
Werte unseres Volkes in den Hintergrund
treten. (Sehr richtig!) Nur zwölf Herren
haben sich zwar draußen in die Liste mit
dentschen Lettern eingeschrieben, das liegt
aber daran, daß auch Leute, die im übrigen
mit deutscheu Buchstaben zu schreiben Pflegen,

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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und politischen Bedenk»«!," niedergelegt hat.
(Zweite durchwegs umgearbeitete und ver¬
mehrte Auflage, Verlag bon Gustav Fischer
in Jena. 1810.)

Schallmayer ist ein energischer Verfechter
der Lehre Darwins. Er ist der Überzeugung,
daß das Gesetz der Auslese nicht nur in der
Entivicklungsgeschichte des Tier- und Pflanzen¬
reichs wirksam ist, sondern daß auch die
geistigen Güter, die Sprache, Religion, Sitte,
Sittlichkeit und Rechtsordnung Ergebnisse
einer Entwicklung sind, die bon: auslesenden
Daseinskampf angetrieben und gelenkt wird.
Schallmayer legt, wie Gobineau, besonderes
Gewicht auf die geistige und körperliche Rasse¬
tüchtigkeit, auch er faßt die Gefahr der Ent¬
artung ins Auge. Eine genauere Untersuchung
der Ursachen dos Niedergangs bon Staaten
und Völkern tut aber, nach Schallmayer, dar,
daß dieser nicht naturnotwendig ist, daß es
also für Völker ein Physiologisches Altern nicht
gibt. Deshalb muß das letzte Ziel jeder
staatlichen Politik die Sicherung der Existenz
des Gemeinwesens und die Anpassung seiner
.Kräfte an die Erfordernisse der unablässigen
Daseinskonkurrenz sein. Auf die Wahrung
der organischen Erbgüter kommt eS in erster
Reihe an. Die Ursachengruppen, die in einem
hochzibilisiertenStaate zu einerVerschlechterung
des Volkskörpers an leiblichen und geistigen
Erbanlagen führen können, werden bon
Schallmayer auf Grund biologischer und
soziologischer Forschnngsergebnisse namhaft
gemacht, und damit gelangt er auch, im
Gegensatz zu Gobineau, zu Vorschlägen, wie
dem Verfall hoher Kulturentwicklung zu
steuern ist.

Die Wichtigkeit der hier behandelten Pro¬
bleme anch für die weitere Entwicklung des
Deutschtums haben uns den Wunsch eingegeben,
unsere Leser mit ihnen näher bekannt zu
machen. Wir hoffen, daß es uns gelingen
wird, die in den beiden borliegenden Werken
zutage tretenden gegensätzlichen Anschauungen
in einigen Grenzboten-Aufsätzen namhafter
Fachgelehrter zum Ausdruck zu bringen.

An dieser Stelle sei noch kurz daraufhin¬
gewiesen, daß neuerdings eine bon Dr. Otto
Neurath und Dr. Anna Schapire - Neurath
herrührende einwandfreie deutsche Übersetzung
des berühmten Werkes Francis Galtons, des

[Spaltenumbruch]

kürzlich verstorbenen Begründers der euge-
nistischen Rassentheorie „Genie und Vcrcrlmnn"
lMreclirm^ Qenius), erschienen ist. (Verlag
bon Dr. Werner Klinkhardt, Leipzig 1910.)
Auch Galtons Forschungen beziehen sich auf
die praktische Frage, ob es möglich sei, den
Prozeß der natürlichen Auslese so zu leiten,
daß eine vollkommene Form der Menschheit
hervorgebracht würde. Galton war der erste,
der die Vererbung der Anlagen statistisch be¬
handelt hat.

Tagesfragen
Fraktur oder Antiqua?

Bei den ReichS-
tagsberhandlungen am 4. Mai über die
Petition des Allgemeinen Vereins für Alt¬
schrift hat der Abg. v. Naumann eine Rede
gehalten, die wir nach dem Bericht der
Täglichen Rundschau hier zum Abdruck
bringen, weil unsere Auffassung in dieser
Frage mit der des Herrn Naumann böllig
übereinstimmt. Zudem zeigen die glänzenden,
formvollendeten Ausführungen den bekannten
Parlamentarier wieder ans streng nationalem
Boden und auf der Höhe seiner rednerischen
Begabung, mit der er früher die nationale
Jugend zu fesseln und mitzureißen ver¬
Die Schriftltg. standen hat.

Abg. O. Naumann (Fortschr. Vgg.): Ich
möchte auch bestätigen, daß es sich keineswegs
um eine Parteiangclegenheit handelt, sondern
um eine Sache, wo den einzelnen sein
künstlerisches, wissenschaftliches und deutsch¬
sprachliches Empfinden den einen oder anderen
Weg weist. In diesem Sinne unterscheide ich
mich von meinem Parteigenossen Stengel, der
sowohl als Referent wie als Privatmann in
dieser Sache uns seine Meinung hier mit¬
geteilt hat. (Heiterkeit.) Ich möchte, daß
der Antrag der Kommission nicht angenommen
wird, weil mir scheint, daß wir dann etwas
annehmen würden, was zwar eine gewisse
Erleichterung für den Schulbetrieb und den
internationalen Verkehr bedeuten würde,
während Psychologische und charakterologische
Werte unseres Volkes in den Hintergrund
treten. (Sehr richtig!) Nur zwölf Herren
haben sich zwar draußen in die Liste mit
dentschen Lettern eingeschrieben, das liegt
aber daran, daß auch Leute, die im übrigen
mit deutscheu Buchstaben zu schreiben Pflegen,

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[0289] Maßgebliches und Unmaßgebliches und politischen Bedenk»«!," niedergelegt hat. (Zweite durchwegs umgearbeitete und ver¬ mehrte Auflage, Verlag bon Gustav Fischer in Jena. 1810.) Schallmayer ist ein energischer Verfechter der Lehre Darwins. Er ist der Überzeugung, daß das Gesetz der Auslese nicht nur in der Entivicklungsgeschichte des Tier- und Pflanzen¬ reichs wirksam ist, sondern daß auch die geistigen Güter, die Sprache, Religion, Sitte, Sittlichkeit und Rechtsordnung Ergebnisse einer Entwicklung sind, die bon: auslesenden Daseinskampf angetrieben und gelenkt wird. Schallmayer legt, wie Gobineau, besonderes Gewicht auf die geistige und körperliche Rasse¬ tüchtigkeit, auch er faßt die Gefahr der Ent¬ artung ins Auge. Eine genauere Untersuchung der Ursachen dos Niedergangs bon Staaten und Völkern tut aber, nach Schallmayer, dar, daß dieser nicht naturnotwendig ist, daß es also für Völker ein Physiologisches Altern nicht gibt. Deshalb muß das letzte Ziel jeder staatlichen Politik die Sicherung der Existenz des Gemeinwesens und die Anpassung seiner .Kräfte an die Erfordernisse der unablässigen Daseinskonkurrenz sein. Auf die Wahrung der organischen Erbgüter kommt eS in erster Reihe an. Die Ursachengruppen, die in einem hochzibilisiertenStaate zu einerVerschlechterung des Volkskörpers an leiblichen und geistigen Erbanlagen führen können, werden bon Schallmayer auf Grund biologischer und soziologischer Forschnngsergebnisse namhaft gemacht, und damit gelangt er auch, im Gegensatz zu Gobineau, zu Vorschlägen, wie dem Verfall hoher Kulturentwicklung zu steuern ist. Die Wichtigkeit der hier behandelten Pro¬ bleme anch für die weitere Entwicklung des Deutschtums haben uns den Wunsch eingegeben, unsere Leser mit ihnen näher bekannt zu machen. Wir hoffen, daß es uns gelingen wird, die in den beiden borliegenden Werken zutage tretenden gegensätzlichen Anschauungen in einigen Grenzboten-Aufsätzen namhafter Fachgelehrter zum Ausdruck zu bringen. An dieser Stelle sei noch kurz daraufhin¬ gewiesen, daß neuerdings eine bon Dr. Otto Neurath und Dr. Anna Schapire - Neurath herrührende einwandfreie deutsche Übersetzung des berühmten Werkes Francis Galtons, des kürzlich verstorbenen Begründers der euge- nistischen Rassentheorie „Genie und Vcrcrlmnn" lMreclirm^ Qenius), erschienen ist. (Verlag bon Dr. Werner Klinkhardt, Leipzig 1910.) Auch Galtons Forschungen beziehen sich auf die praktische Frage, ob es möglich sei, den Prozeß der natürlichen Auslese so zu leiten, daß eine vollkommene Form der Menschheit hervorgebracht würde. Galton war der erste, der die Vererbung der Anlagen statistisch be¬ handelt hat. Tagesfragen Fraktur oder Antiqua? Bei den ReichS- tagsberhandlungen am 4. Mai über die Petition des Allgemeinen Vereins für Alt¬ schrift hat der Abg. v. Naumann eine Rede gehalten, die wir nach dem Bericht der Täglichen Rundschau hier zum Abdruck bringen, weil unsere Auffassung in dieser Frage mit der des Herrn Naumann böllig übereinstimmt. Zudem zeigen die glänzenden, formvollendeten Ausführungen den bekannten Parlamentarier wieder ans streng nationalem Boden und auf der Höhe seiner rednerischen Begabung, mit der er früher die nationale Jugend zu fesseln und mitzureißen ver¬ Die Schriftltg. standen hat. Abg. O. Naumann (Fortschr. Vgg.): Ich möchte auch bestätigen, daß es sich keineswegs um eine Parteiangclegenheit handelt, sondern um eine Sache, wo den einzelnen sein künstlerisches, wissenschaftliches und deutsch¬ sprachliches Empfinden den einen oder anderen Weg weist. In diesem Sinne unterscheide ich mich von meinem Parteigenossen Stengel, der sowohl als Referent wie als Privatmann in dieser Sache uns seine Meinung hier mit¬ geteilt hat. (Heiterkeit.) Ich möchte, daß der Antrag der Kommission nicht angenommen wird, weil mir scheint, daß wir dann etwas annehmen würden, was zwar eine gewisse Erleichterung für den Schulbetrieb und den internationalen Verkehr bedeuten würde, während Psychologische und charakterologische Werte unseres Volkes in den Hintergrund treten. (Sehr richtig!) Nur zwölf Herren haben sich zwar draußen in die Liste mit dentschen Lettern eingeschrieben, das liegt aber daran, daß auch Leute, die im übrigen mit deutscheu Buchstaben zu schreiben Pflegen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/289>, abgerufen am 19.05.2024.