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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Annette von Droste-Hülshoff

heimischen Produktion alles Erforderliche zu tun; solange aber die weinbautreibende
Bevölkerung an ihren übertriebenen Forderungen festhalte, stehe die Regierung
den Verhältnissen machtlos gegenüber. Wenn nun infolge der fehlgeschlagenen
Spekulation der Wein inzwischen ganz unverkäuflich geworden sei, so wären die
Winzer an dieser bedauerlichen Folge selbst schuld. Die Regierung habe jederzeit
das Mögliche zur Wahrung der Winzerinteressen getan: sie sei auch ferner
grundsätzlich durchaus nicht abgeneigt, Mittel und Wege zur Besserung zu suchen,
Vermittlungsvorschläge zu machen usw. usw.

Die Minister hatten gesprochen, wie es sich für Männer der hohen Politik
geziemt, und das Haus ließ es an beifallsrauschenden Vertrauenskundgebungen
nicht fehlen. Die Negierung war glänzend gerechtfertigt. (Fortsetzung folgt.)




Annette von Droste - Hülshoff
von Dr. Hermann Schneid er

n fünfzig Jahren, so äußerte Annette von Droste-Hülshoff einmal,
wünsche sie gelesen und gewürdigt zu werden; das Urteil der Zeit¬
genossen schätze sie gering ein. -- Ihr Wunsch ist in Erfüllung
gegangen: Kurz vor Ablauf dieser Frist erschien ihre Biographie
von Hüffer, die kennzeichnend für das wieder aufkeimende Interesse
an der Dichterin war. Von einem engen Landsmann verfaßt, der zu Annette
selbst in Familienbeziehungen gestanden hatte, konnte sich das Werk weit herum
in Deutschland der Anteilnahme des Publikums erfreuen. Es brachte in manche
Einzelheiten Licht, räumte mit mehreren Legendenbildungen auf und lieferte zum
erstenmal ein lückenloses, meist auf authentischen Schriftstücken beruhendes Lebensbild
der Dichterin. Jetzt ist das Buch in dritter Auflage erschienen (Verlag von F. Perthes
in Gotha), neu bearbeitet von dem verdienstvollen Herausgeber der Briefe Hermann
Cardanus, dem neues, sehr umfangreiches handschriftliches Material zur Ver¬
fügung stand, namentlich der gesamte Briefwechsel mit Schücking, und der daher
zur Vervollständigung der Hüfferschen Lebensskizze noch viel wertvolle Beiträge
liefern konnte.

Es ist kein wechselvolles und äußerlich bewegtes Leben, das hier beschrieben
wird*). Die 1797 geborene Dichterin verbrachte den größten Teil ihres Lebens im
heimischen Münsterland, auf angestammten Grund und Boden, aber nicht als
unabhängige Herrin, sondern als Haustochter, als Gehorsam schuldendes und
leistendes Kind ihrer, sie um einige Jahre überlebenden Mutter. Sie hatte ein
inniges Verhältnis zum Vater und stand manchem männlichen Verwandten nahe,
aber ihr Hauptverkehr war doch frauenzimmerlich; die Großmutter, diese oder jene



") Eine ausführliche Abhandlung über die westfälische Dichterin ist in den Heften 19
und 20 des Jahrgangs 1880 der Grenzboten erschienen. Die Schriftltg,
Annette von Droste-Hülshoff

heimischen Produktion alles Erforderliche zu tun; solange aber die weinbautreibende
Bevölkerung an ihren übertriebenen Forderungen festhalte, stehe die Regierung
den Verhältnissen machtlos gegenüber. Wenn nun infolge der fehlgeschlagenen
Spekulation der Wein inzwischen ganz unverkäuflich geworden sei, so wären die
Winzer an dieser bedauerlichen Folge selbst schuld. Die Regierung habe jederzeit
das Mögliche zur Wahrung der Winzerinteressen getan: sie sei auch ferner
grundsätzlich durchaus nicht abgeneigt, Mittel und Wege zur Besserung zu suchen,
Vermittlungsvorschläge zu machen usw. usw.

Die Minister hatten gesprochen, wie es sich für Männer der hohen Politik
geziemt, und das Haus ließ es an beifallsrauschenden Vertrauenskundgebungen
nicht fehlen. Die Negierung war glänzend gerechtfertigt. (Fortsetzung folgt.)




Annette von Droste - Hülshoff
von Dr. Hermann Schneid er

n fünfzig Jahren, so äußerte Annette von Droste-Hülshoff einmal,
wünsche sie gelesen und gewürdigt zu werden; das Urteil der Zeit¬
genossen schätze sie gering ein. — Ihr Wunsch ist in Erfüllung
gegangen: Kurz vor Ablauf dieser Frist erschien ihre Biographie
von Hüffer, die kennzeichnend für das wieder aufkeimende Interesse
an der Dichterin war. Von einem engen Landsmann verfaßt, der zu Annette
selbst in Familienbeziehungen gestanden hatte, konnte sich das Werk weit herum
in Deutschland der Anteilnahme des Publikums erfreuen. Es brachte in manche
Einzelheiten Licht, räumte mit mehreren Legendenbildungen auf und lieferte zum
erstenmal ein lückenloses, meist auf authentischen Schriftstücken beruhendes Lebensbild
der Dichterin. Jetzt ist das Buch in dritter Auflage erschienen (Verlag von F. Perthes
in Gotha), neu bearbeitet von dem verdienstvollen Herausgeber der Briefe Hermann
Cardanus, dem neues, sehr umfangreiches handschriftliches Material zur Ver¬
fügung stand, namentlich der gesamte Briefwechsel mit Schücking, und der daher
zur Vervollständigung der Hüfferschen Lebensskizze noch viel wertvolle Beiträge
liefern konnte.

Es ist kein wechselvolles und äußerlich bewegtes Leben, das hier beschrieben
wird*). Die 1797 geborene Dichterin verbrachte den größten Teil ihres Lebens im
heimischen Münsterland, auf angestammten Grund und Boden, aber nicht als
unabhängige Herrin, sondern als Haustochter, als Gehorsam schuldendes und
leistendes Kind ihrer, sie um einige Jahre überlebenden Mutter. Sie hatte ein
inniges Verhältnis zum Vater und stand manchem männlichen Verwandten nahe,
aber ihr Hauptverkehr war doch frauenzimmerlich; die Großmutter, diese oder jene



") Eine ausführliche Abhandlung über die westfälische Dichterin ist in den Heften 19
und 20 des Jahrgangs 1880 der Grenzboten erschienen. Die Schriftltg,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/42>, abgerufen am 19.05.2024.