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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Menschen; der menschliche Wert dieser Briefe
ist nicht leicht hoch genug anzuschlagen.

Dr. Hans Körnchen

Zwei Frauen haben im letzten Jahre
von berufener Seite eine eingehende Würdi¬
gung empfangen, zwei Frauen, die zeitweise
im Interesse der Mitwelt und Nachwelt
gestanden haben, nicht um ihrer selbst,
sondern um der Männer willen, denen ihre
Liebe im weitestgehenden Maße gegolten hat.
(Wilhelm Bode: Charlotte von Stein. Bruno
Hennig: Elisa Rndziivill. Ein Leben in
Liebe und Leid. Beide im Verlag von
Mittler u. Sohn, Berlin.) Wie sehr beide
von jeher die Aufmerksamkeit des Historikers
in Anspruch genommen haben, allein ihrer
Beziehungen zu dem Fürsten und dem Dichter
wegen, wie sehr sie aber anch verdienen, um
ihrer selbst willen gekannt zu werden, be¬
weisen diese beiden Bücher. Es ist so ganz
verschieden, wie die Frau Oberstallmeisterin
in Weimar den 'Dr. Goethe kennen, lieben
und verlieren lernt, und wie Prinzeß Elisa
aus dem harmlosen Jugendgespielen und
Better einen Freund und Verlobten gewinnt,
der einem höheren Befehle als dem seines
Herzens folgend sie wieder verlassen muß.
Die Beziehungen Goethes zu Christiane haben
eine Entfremdung zwischen dem Dichter und
seiner Freundin herbeigeführt. Mit den
Jahren hat sich die Entfremdung Wohl etwas
gehoben, die alte Freundschaft ist nicht wieder
in ihrer ganzen Lebendigkeit ausgelebt.
Prinz Wilhelm, der nachmalige Kaiser
Wilhelm I., hat seiner Jugendfreundin und
liebsten Lebensgefährtin Lebewohl sagen
müssen. Die beiden Fürstenkinder haben
sich noch oft wiedersehen müssen; von ihrer
Liebe hat nie mehr die Rede sein dürfen.
Eine in Aussicht stehende anderweitige Ver¬
mählung -- mit dein Fürsten Schwarzenberg --
hat die Prinzessin Elisa Wohl zeitweise auf
andere Gedanken bringen können. In der
Tat aber ist ihre erste Liebe auch ihre letzte
gewesen, wie das auch bei dem Anfall zu
bemerken ist, der sie im Palaste des Prinzen
Wilhelm, in den Gemächern seiner Gemahlin,
der Prinzessin Augusta, betroffen, der sie in
die Arme des Todes geführt.

Frau von Stein ist nach einem, zwar an
bitterer Not und vielfachen Leiden nicht armen,

[Spaltenumbruch]

im ganzen aber reichgesegneten Leben, über
achtzig Jahre alt, dahingegangen. Ihr
Biograph gibt uns in seinem stattlichen Buche
eine Fülle von Einzelheiten, die scheinbar
nur locker aneinandergereiht sind. Aber die
Idee, die dein Werke zugrunde liegt, tritt
doch klar zutage: Die Frau, die unserem
großen Dichter lange Zeit alles und dann
wieder fast nichts sein konnte, hat doch "damals
in Weimar" fast drei Generationen hindurch
in: eigentlichen Mittelpunkte gestanden, bis
sie gänzlich vollendet die Augen geschlossen
hat und in den Schlaf eingegangen ist, den
sie so sehr herbeisehnte.

Elisa Radziwill aber hat nach dem Fehl¬
schlagen ihrer Liebesträume das jähe Geschick
ereilt, das den meisten Gliedern ihrer herr¬
lichen Familie beschieden ist. Diese zarte,
reine Gestalt, die unter den Ihrigen wie ein
Engel zu wandeln schien, ist frühe ein¬
gegangen zu ihrem Erlöser. Gerne hat sie
sich den pietistischen Neigungen des ihrem
Hause befreundeten Grafen Anton Stolberg
hingegeben oder sich mit ihrem väterlichen
Freunde Gerlach über die Vergänglichkeit
alles Irdischen unterredet. Ihr starker
Christenglaube hat ihr ein Scheiden von
dieser Welt leicht gemacht.

Der Verlag hat beiden Werken die größte
Sorgfalt und beste Ausstattung zuteil werden
lassen; mehrere wenig oder gar nicht bekannte
Bilder in guter Wiedergabe erhöhen den
L. Wert der Bücher.

Bildende Kunst

Impressionismus. Ein Problem der
Malerei in der Antike und Neuzeit von
Werner Wcislmch. Berlin, G. Grotesche
Verlagsbuchhandlung, 1910. Band I.

Seit kurzer Zeit macht sich in der
Kunstwissenschaft, die in einem Chaos von
Spezialistenarbeiten unterzugehen droht, die
Tendenz bemerkbar, eine Tatsachenreihe nach
einem bestimmten Gesichtspunkte zusammen¬
zufassen und auf diese Weise das immer
mehr anwachsende Material übersichtlich und
fruchtbringend zu gruppieren. Dieser Tendenz
folgend hat Wcisvach das unsere Zeit so
lebhaft interessierende Problem des Im¬
pressionismus herausgegriffen und dessen
Erscheinung und Behandlung in alter und

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Menschen; der menschliche Wert dieser Briefe
ist nicht leicht hoch genug anzuschlagen.

Dr. Hans Körnchen

Zwei Frauen haben im letzten Jahre
von berufener Seite eine eingehende Würdi¬
gung empfangen, zwei Frauen, die zeitweise
im Interesse der Mitwelt und Nachwelt
gestanden haben, nicht um ihrer selbst,
sondern um der Männer willen, denen ihre
Liebe im weitestgehenden Maße gegolten hat.
(Wilhelm Bode: Charlotte von Stein. Bruno
Hennig: Elisa Rndziivill. Ein Leben in
Liebe und Leid. Beide im Verlag von
Mittler u. Sohn, Berlin.) Wie sehr beide
von jeher die Aufmerksamkeit des Historikers
in Anspruch genommen haben, allein ihrer
Beziehungen zu dem Fürsten und dem Dichter
wegen, wie sehr sie aber anch verdienen, um
ihrer selbst willen gekannt zu werden, be¬
weisen diese beiden Bücher. Es ist so ganz
verschieden, wie die Frau Oberstallmeisterin
in Weimar den 'Dr. Goethe kennen, lieben
und verlieren lernt, und wie Prinzeß Elisa
aus dem harmlosen Jugendgespielen und
Better einen Freund und Verlobten gewinnt,
der einem höheren Befehle als dem seines
Herzens folgend sie wieder verlassen muß.
Die Beziehungen Goethes zu Christiane haben
eine Entfremdung zwischen dem Dichter und
seiner Freundin herbeigeführt. Mit den
Jahren hat sich die Entfremdung Wohl etwas
gehoben, die alte Freundschaft ist nicht wieder
in ihrer ganzen Lebendigkeit ausgelebt.
Prinz Wilhelm, der nachmalige Kaiser
Wilhelm I., hat seiner Jugendfreundin und
liebsten Lebensgefährtin Lebewohl sagen
müssen. Die beiden Fürstenkinder haben
sich noch oft wiedersehen müssen; von ihrer
Liebe hat nie mehr die Rede sein dürfen.
Eine in Aussicht stehende anderweitige Ver¬
mählung — mit dein Fürsten Schwarzenberg —
hat die Prinzessin Elisa Wohl zeitweise auf
andere Gedanken bringen können. In der
Tat aber ist ihre erste Liebe auch ihre letzte
gewesen, wie das auch bei dem Anfall zu
bemerken ist, der sie im Palaste des Prinzen
Wilhelm, in den Gemächern seiner Gemahlin,
der Prinzessin Augusta, betroffen, der sie in
die Arme des Todes geführt.

Frau von Stein ist nach einem, zwar an
bitterer Not und vielfachen Leiden nicht armen,

[Spaltenumbruch]

im ganzen aber reichgesegneten Leben, über
achtzig Jahre alt, dahingegangen. Ihr
Biograph gibt uns in seinem stattlichen Buche
eine Fülle von Einzelheiten, die scheinbar
nur locker aneinandergereiht sind. Aber die
Idee, die dein Werke zugrunde liegt, tritt
doch klar zutage: Die Frau, die unserem
großen Dichter lange Zeit alles und dann
wieder fast nichts sein konnte, hat doch „damals
in Weimar" fast drei Generationen hindurch
in: eigentlichen Mittelpunkte gestanden, bis
sie gänzlich vollendet die Augen geschlossen
hat und in den Schlaf eingegangen ist, den
sie so sehr herbeisehnte.

Elisa Radziwill aber hat nach dem Fehl¬
schlagen ihrer Liebesträume das jähe Geschick
ereilt, das den meisten Gliedern ihrer herr¬
lichen Familie beschieden ist. Diese zarte,
reine Gestalt, die unter den Ihrigen wie ein
Engel zu wandeln schien, ist frühe ein¬
gegangen zu ihrem Erlöser. Gerne hat sie
sich den pietistischen Neigungen des ihrem
Hause befreundeten Grafen Anton Stolberg
hingegeben oder sich mit ihrem väterlichen
Freunde Gerlach über die Vergänglichkeit
alles Irdischen unterredet. Ihr starker
Christenglaube hat ihr ein Scheiden von
dieser Welt leicht gemacht.

Der Verlag hat beiden Werken die größte
Sorgfalt und beste Ausstattung zuteil werden
lassen; mehrere wenig oder gar nicht bekannte
Bilder in guter Wiedergabe erhöhen den
L. Wert der Bücher.

Bildende Kunst

Impressionismus. Ein Problem der
Malerei in der Antike und Neuzeit von
Werner Wcislmch. Berlin, G. Grotesche
Verlagsbuchhandlung, 1910. Band I.

Seit kurzer Zeit macht sich in der
Kunstwissenschaft, die in einem Chaos von
Spezialistenarbeiten unterzugehen droht, die
Tendenz bemerkbar, eine Tatsachenreihe nach
einem bestimmten Gesichtspunkte zusammen¬
zufassen und auf diese Weise das immer
mehr anwachsende Material übersichtlich und
fruchtbringend zu gruppieren. Dieser Tendenz
folgend hat Wcisvach das unsere Zeit so
lebhaft interessierende Problem des Im¬
pressionismus herausgegriffen und dessen
Erscheinung und Behandlung in alter und

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[0433] Maßgebliches und Unmaßgebliches Menschen; der menschliche Wert dieser Briefe ist nicht leicht hoch genug anzuschlagen. Dr. Hans Körnchen Zwei Frauen haben im letzten Jahre von berufener Seite eine eingehende Würdi¬ gung empfangen, zwei Frauen, die zeitweise im Interesse der Mitwelt und Nachwelt gestanden haben, nicht um ihrer selbst, sondern um der Männer willen, denen ihre Liebe im weitestgehenden Maße gegolten hat. (Wilhelm Bode: Charlotte von Stein. Bruno Hennig: Elisa Rndziivill. Ein Leben in Liebe und Leid. Beide im Verlag von Mittler u. Sohn, Berlin.) Wie sehr beide von jeher die Aufmerksamkeit des Historikers in Anspruch genommen haben, allein ihrer Beziehungen zu dem Fürsten und dem Dichter wegen, wie sehr sie aber anch verdienen, um ihrer selbst willen gekannt zu werden, be¬ weisen diese beiden Bücher. Es ist so ganz verschieden, wie die Frau Oberstallmeisterin in Weimar den 'Dr. Goethe kennen, lieben und verlieren lernt, und wie Prinzeß Elisa aus dem harmlosen Jugendgespielen und Better einen Freund und Verlobten gewinnt, der einem höheren Befehle als dem seines Herzens folgend sie wieder verlassen muß. Die Beziehungen Goethes zu Christiane haben eine Entfremdung zwischen dem Dichter und seiner Freundin herbeigeführt. Mit den Jahren hat sich die Entfremdung Wohl etwas gehoben, die alte Freundschaft ist nicht wieder in ihrer ganzen Lebendigkeit ausgelebt. Prinz Wilhelm, der nachmalige Kaiser Wilhelm I., hat seiner Jugendfreundin und liebsten Lebensgefährtin Lebewohl sagen müssen. Die beiden Fürstenkinder haben sich noch oft wiedersehen müssen; von ihrer Liebe hat nie mehr die Rede sein dürfen. Eine in Aussicht stehende anderweitige Ver¬ mählung — mit dein Fürsten Schwarzenberg — hat die Prinzessin Elisa Wohl zeitweise auf andere Gedanken bringen können. In der Tat aber ist ihre erste Liebe auch ihre letzte gewesen, wie das auch bei dem Anfall zu bemerken ist, der sie im Palaste des Prinzen Wilhelm, in den Gemächern seiner Gemahlin, der Prinzessin Augusta, betroffen, der sie in die Arme des Todes geführt. Frau von Stein ist nach einem, zwar an bitterer Not und vielfachen Leiden nicht armen, im ganzen aber reichgesegneten Leben, über achtzig Jahre alt, dahingegangen. Ihr Biograph gibt uns in seinem stattlichen Buche eine Fülle von Einzelheiten, die scheinbar nur locker aneinandergereiht sind. Aber die Idee, die dein Werke zugrunde liegt, tritt doch klar zutage: Die Frau, die unserem großen Dichter lange Zeit alles und dann wieder fast nichts sein konnte, hat doch „damals in Weimar" fast drei Generationen hindurch in: eigentlichen Mittelpunkte gestanden, bis sie gänzlich vollendet die Augen geschlossen hat und in den Schlaf eingegangen ist, den sie so sehr herbeisehnte. Elisa Radziwill aber hat nach dem Fehl¬ schlagen ihrer Liebesträume das jähe Geschick ereilt, das den meisten Gliedern ihrer herr¬ lichen Familie beschieden ist. Diese zarte, reine Gestalt, die unter den Ihrigen wie ein Engel zu wandeln schien, ist frühe ein¬ gegangen zu ihrem Erlöser. Gerne hat sie sich den pietistischen Neigungen des ihrem Hause befreundeten Grafen Anton Stolberg hingegeben oder sich mit ihrem väterlichen Freunde Gerlach über die Vergänglichkeit alles Irdischen unterredet. Ihr starker Christenglaube hat ihr ein Scheiden von dieser Welt leicht gemacht. Der Verlag hat beiden Werken die größte Sorgfalt und beste Ausstattung zuteil werden lassen; mehrere wenig oder gar nicht bekannte Bilder in guter Wiedergabe erhöhen den L. Wert der Bücher. Bildende Kunst Impressionismus. Ein Problem der Malerei in der Antike und Neuzeit von Werner Wcislmch. Berlin, G. Grotesche Verlagsbuchhandlung, 1910. Band I. Seit kurzer Zeit macht sich in der Kunstwissenschaft, die in einem Chaos von Spezialistenarbeiten unterzugehen droht, die Tendenz bemerkbar, eine Tatsachenreihe nach einem bestimmten Gesichtspunkte zusammen¬ zufassen und auf diese Weise das immer mehr anwachsende Material übersichtlich und fruchtbringend zu gruppieren. Dieser Tendenz folgend hat Wcisvach das unsere Zeit so lebhaft interessierende Problem des Im¬ pressionismus herausgegriffen und dessen Erscheinung und Behandlung in alter und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/433>, abgerufen am 18.05.2024.