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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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streikten sie einfach, es dem Zufall überlassend, was wird. Und doch bestand
ihre Pflicht, nachdem sich ein Scheitern des Gesetzes als unwahrscheinlich erwies,
darin, in das Gesetz so viel von ihren Ideen hineinzuarbeiten, wie nur möglich.
Taten sie das, dann handelten sie patriotisch und als wahre Stützen des
Staates; da sie es ablehnten zu tun, handelten sie wie verzweifelte Spieler,
die Haus und Hof fahren lassen und bei denen schließlich jede Empfindung sür
höhere Pflichten erstirbt. Herr v. Bethmann hat leider nicht die scharfen Worte
gefunden, die um Platze gewesen wären, um das Gebaren der Herren um
Hendebrand zu brandmarken. Im Lande draußen urteilt man schärfer, und
das Vertrauen in die konservativen Führer, das bereits durch die Vorgänge
seit der Reichsfinanzreform erheblich gelitten hatte, dürfte durch die Haltung
der Fraktion in der elsaß-lothringischen Verfassungsfrage einen weiteren kräftigen
Stoß erhalten haben.

Den Nutzen aus dieser traurigen Situation zieht die Demokratie. Während
die Konservativen die bisherige Taktik der Sozialdemokraten betreiben, schwenkte
die sozialdemokratische Fraktion in den Weg zur positiven Mitarbeit, und während
die Konservativen höhnend von einer Morgengabe aus der Hand der Sozial¬
demokratie an den Kaiser sprechen, stellen die Sozialdemokraten sich in Reih
und Glied mit den bürgerlichen Parteien, um im Sinne der Regierung staat-
crhaltende Arbeit zu leisten. Das Zusammenstimmen der Sozialdemokraten
mit den bürgerlichen Parteien zugunsten eines Gesetzes, das nur sehr wenig
ihrem Programm Rechnung trägt, bedeutet einen Wendepunkt in der deutschen
Geschichte, bedeutet aber auch für viele Gebildete eine Erschütterung mancher
traditionellen Auffassung über die Partei. Und wenn bei den nächsten
Wahlen die Zahl der sozialdemokratischen Abgeordneten um einige
dreißig zugenommen haben wird, dann darf sich die Leitung der deutsch¬
konservativen Partei das Verdienst daran in erster Linie zuschreiben. Daß
wir uns mit unserer Anerkennung der Sozialdemokratie in der besten Gesellschaft
befinden, beweisen die Ausführungen der Nordd. Allg. Ztg. vom Sonntag
zu den Verhandlungen über die Reichsversicherungsordnung. Das dort der
Minderheit gespendete Lob ist an die Sozialdemokraten gerichtet.


Bank und Geld

Süddeutsche Bankenkonzentration -- Übermacht der Großbanken -- Der Pfälzischen
Bank Aufstieg und Ende -- Nachteile der Zentralisation im Bankverkehr -- Ungünstiger
Einfluß auf den Geldmarkt -- Anspannung der Neichsbanl -- Mittel zur Abhilfe

Die Konzentration des Großkapitals im deutschen Bankgewerbe
schreitet unaufhaltsam weiter fort. Enger und enger ziehen die großen Konzerne
die Maschen des Netzes, durch welches sie das provinzielle Bankgeschäft mit
ihren Interessen verknüpft haben. Es dürfte schwer fallen, heute auch nur ein
Dutzend Institute von einiger Bedeutung aufzuzählen, die nicht in mehr oder
weniger enger Form einer der Berliner Großbanken angegliedert und tribut-


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streikten sie einfach, es dem Zufall überlassend, was wird. Und doch bestand
ihre Pflicht, nachdem sich ein Scheitern des Gesetzes als unwahrscheinlich erwies,
darin, in das Gesetz so viel von ihren Ideen hineinzuarbeiten, wie nur möglich.
Taten sie das, dann handelten sie patriotisch und als wahre Stützen des
Staates; da sie es ablehnten zu tun, handelten sie wie verzweifelte Spieler,
die Haus und Hof fahren lassen und bei denen schließlich jede Empfindung sür
höhere Pflichten erstirbt. Herr v. Bethmann hat leider nicht die scharfen Worte
gefunden, die um Platze gewesen wären, um das Gebaren der Herren um
Hendebrand zu brandmarken. Im Lande draußen urteilt man schärfer, und
das Vertrauen in die konservativen Führer, das bereits durch die Vorgänge
seit der Reichsfinanzreform erheblich gelitten hatte, dürfte durch die Haltung
der Fraktion in der elsaß-lothringischen Verfassungsfrage einen weiteren kräftigen
Stoß erhalten haben.

Den Nutzen aus dieser traurigen Situation zieht die Demokratie. Während
die Konservativen die bisherige Taktik der Sozialdemokraten betreiben, schwenkte
die sozialdemokratische Fraktion in den Weg zur positiven Mitarbeit, und während
die Konservativen höhnend von einer Morgengabe aus der Hand der Sozial¬
demokratie an den Kaiser sprechen, stellen die Sozialdemokraten sich in Reih
und Glied mit den bürgerlichen Parteien, um im Sinne der Regierung staat-
crhaltende Arbeit zu leisten. Das Zusammenstimmen der Sozialdemokraten
mit den bürgerlichen Parteien zugunsten eines Gesetzes, das nur sehr wenig
ihrem Programm Rechnung trägt, bedeutet einen Wendepunkt in der deutschen
Geschichte, bedeutet aber auch für viele Gebildete eine Erschütterung mancher
traditionellen Auffassung über die Partei. Und wenn bei den nächsten
Wahlen die Zahl der sozialdemokratischen Abgeordneten um einige
dreißig zugenommen haben wird, dann darf sich die Leitung der deutsch¬
konservativen Partei das Verdienst daran in erster Linie zuschreiben. Daß
wir uns mit unserer Anerkennung der Sozialdemokratie in der besten Gesellschaft
befinden, beweisen die Ausführungen der Nordd. Allg. Ztg. vom Sonntag
zu den Verhandlungen über die Reichsversicherungsordnung. Das dort der
Minderheit gespendete Lob ist an die Sozialdemokraten gerichtet.


Bank und Geld

Süddeutsche Bankenkonzentration — Übermacht der Großbanken — Der Pfälzischen
Bank Aufstieg und Ende — Nachteile der Zentralisation im Bankverkehr — Ungünstiger
Einfluß auf den Geldmarkt — Anspannung der Neichsbanl — Mittel zur Abhilfe

Die Konzentration des Großkapitals im deutschen Bankgewerbe
schreitet unaufhaltsam weiter fort. Enger und enger ziehen die großen Konzerne
die Maschen des Netzes, durch welches sie das provinzielle Bankgeschäft mit
ihren Interessen verknüpft haben. Es dürfte schwer fallen, heute auch nur ein
Dutzend Institute von einiger Bedeutung aufzuzählen, die nicht in mehr oder
weniger enger Form einer der Berliner Großbanken angegliedert und tribut-


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[0439] Reichssxiegcl streikten sie einfach, es dem Zufall überlassend, was wird. Und doch bestand ihre Pflicht, nachdem sich ein Scheitern des Gesetzes als unwahrscheinlich erwies, darin, in das Gesetz so viel von ihren Ideen hineinzuarbeiten, wie nur möglich. Taten sie das, dann handelten sie patriotisch und als wahre Stützen des Staates; da sie es ablehnten zu tun, handelten sie wie verzweifelte Spieler, die Haus und Hof fahren lassen und bei denen schließlich jede Empfindung sür höhere Pflichten erstirbt. Herr v. Bethmann hat leider nicht die scharfen Worte gefunden, die um Platze gewesen wären, um das Gebaren der Herren um Hendebrand zu brandmarken. Im Lande draußen urteilt man schärfer, und das Vertrauen in die konservativen Führer, das bereits durch die Vorgänge seit der Reichsfinanzreform erheblich gelitten hatte, dürfte durch die Haltung der Fraktion in der elsaß-lothringischen Verfassungsfrage einen weiteren kräftigen Stoß erhalten haben. Den Nutzen aus dieser traurigen Situation zieht die Demokratie. Während die Konservativen die bisherige Taktik der Sozialdemokraten betreiben, schwenkte die sozialdemokratische Fraktion in den Weg zur positiven Mitarbeit, und während die Konservativen höhnend von einer Morgengabe aus der Hand der Sozial¬ demokratie an den Kaiser sprechen, stellen die Sozialdemokraten sich in Reih und Glied mit den bürgerlichen Parteien, um im Sinne der Regierung staat- crhaltende Arbeit zu leisten. Das Zusammenstimmen der Sozialdemokraten mit den bürgerlichen Parteien zugunsten eines Gesetzes, das nur sehr wenig ihrem Programm Rechnung trägt, bedeutet einen Wendepunkt in der deutschen Geschichte, bedeutet aber auch für viele Gebildete eine Erschütterung mancher traditionellen Auffassung über die Partei. Und wenn bei den nächsten Wahlen die Zahl der sozialdemokratischen Abgeordneten um einige dreißig zugenommen haben wird, dann darf sich die Leitung der deutsch¬ konservativen Partei das Verdienst daran in erster Linie zuschreiben. Daß wir uns mit unserer Anerkennung der Sozialdemokratie in der besten Gesellschaft befinden, beweisen die Ausführungen der Nordd. Allg. Ztg. vom Sonntag zu den Verhandlungen über die Reichsversicherungsordnung. Das dort der Minderheit gespendete Lob ist an die Sozialdemokraten gerichtet. Bank und Geld Süddeutsche Bankenkonzentration — Übermacht der Großbanken — Der Pfälzischen Bank Aufstieg und Ende — Nachteile der Zentralisation im Bankverkehr — Ungünstiger Einfluß auf den Geldmarkt — Anspannung der Neichsbanl — Mittel zur Abhilfe Die Konzentration des Großkapitals im deutschen Bankgewerbe schreitet unaufhaltsam weiter fort. Enger und enger ziehen die großen Konzerne die Maschen des Netzes, durch welches sie das provinzielle Bankgeschäft mit ihren Interessen verknüpft haben. Es dürfte schwer fallen, heute auch nur ein Dutzend Institute von einiger Bedeutung aufzuzählen, die nicht in mehr oder weniger enger Form einer der Berliner Großbanken angegliedert und tribut-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/439>, abgerufen am 19.05.2024.