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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Legende vom Macholderhügcl

Reich ein monarchischer Einheitsstaat") unternommenen Versuch, einen wirklichen
Rechtszusammenhang zwischen dem alten und neuen Deutschen Reich nachzuweisen,
einhellig in die Rubrik der staatsrechtlichen Kuriositäten. Den Gedanken einer
Verquickung des neuen Kaisertums mit katholisch-hierarchischen Tendenzen weist
aber das evangelische Bekenntnis des Hohenzollernhauses ohne weiteres von der
Schwelle. staatsrechtlich ist zwar der neue Deutsche Kaiser nicht der Neichs-
monarch, aber anderseits ist er auch nicht der Delegatar eines souveränen Volks-
willens. Als unmittelbar berechtigtes, erbliches Reichsorgan befindet er sich
neben Bundesrat und Reichstag in einer rechtlich befestigten, politischen Macht¬
stellung, wie sie kein deutscher Kaiser der Vergangenheit besessen. Er ist, wie
Laband treffend bemerkt, der eigentliche Träger der nationalen Einheit und der
gemeinsamen Interessen des Reichs, der Fels, an welchem die tobende Brandung
der aufgeregten Parteileidenschasten sich bricht.




Legende vom Wacholderhügel
von Bernhard Kleines-
(Schluß.)

Wieder saßen eines Abends im Juli die Brüder im Garten. Rudi blies die
Flöte und die anderen summten mit. Er blies Lieder, wie sie von den Leuten
im Tale gesungen wurden, ehe der Krieg kam.

Da ging Aliena, die bei den Rosenbüschen war und Blumen schnitt, um das
Haus und kam unter die offenen Bibliotheksfenster. Sie hörte den Pater Reinhold
murmeln, und mit einem raschen Entschlüsse eilte sie zurück und stand plötzlich mitten
in der Bücherei. Als Reinhold sie bemerkte, stieg es ihm heiß zu Kopfe, und er
schlug rasch die Heilige Schrift zu, darin er gelesen hatte, denn er war beim
Hohenlieds Salomonis. Wie er nun so vor ihr stand in Verwirrung und Erregung,
da nahm sie den Rosenstrauch, den sie aus dem Garten hereingebracht hatte, und
warf ihn in die Höhe, daß die Blüten über ihn fielen und das ganze Gemach
mit ihrem Dufte erfüllten. Reinhold tat ein paar rasche Schritte gegen sie, aber
da war sie schon draußen.

Rudis Flöte verstummte. Die Brüder kamen ins Haus und tappten in ihre
Zellen. Und bald darauf hörte Reinhold Gödes und Heinos Sägemühlen, die
Zwar im anderen Flügel arbeiteten, aber hier zu hören waren.

Er lehnte sich weit aus dem Fenster. Die ganze Welt roch nach Rosen und
Fichten. Blühten und dufteten die Rosen nicht immer Sommers um das Kloster?
Sang nicht in den Stechpalmbüschen am Hange drüben Jahr um Jahr die
Nachtigall? Wohll Aber der Rosenduft war kein Strom von kräuselnden, rosigen
Wellen, der durch eine wunderholde Landschaft von Bäumen und Blüten floß.


Legende vom Macholderhügcl

Reich ein monarchischer Einheitsstaat") unternommenen Versuch, einen wirklichen
Rechtszusammenhang zwischen dem alten und neuen Deutschen Reich nachzuweisen,
einhellig in die Rubrik der staatsrechtlichen Kuriositäten. Den Gedanken einer
Verquickung des neuen Kaisertums mit katholisch-hierarchischen Tendenzen weist
aber das evangelische Bekenntnis des Hohenzollernhauses ohne weiteres von der
Schwelle. staatsrechtlich ist zwar der neue Deutsche Kaiser nicht der Neichs-
monarch, aber anderseits ist er auch nicht der Delegatar eines souveränen Volks-
willens. Als unmittelbar berechtigtes, erbliches Reichsorgan befindet er sich
neben Bundesrat und Reichstag in einer rechtlich befestigten, politischen Macht¬
stellung, wie sie kein deutscher Kaiser der Vergangenheit besessen. Er ist, wie
Laband treffend bemerkt, der eigentliche Träger der nationalen Einheit und der
gemeinsamen Interessen des Reichs, der Fels, an welchem die tobende Brandung
der aufgeregten Parteileidenschasten sich bricht.




Legende vom Wacholderhügel
von Bernhard Kleines-
(Schluß.)

Wieder saßen eines Abends im Juli die Brüder im Garten. Rudi blies die
Flöte und die anderen summten mit. Er blies Lieder, wie sie von den Leuten
im Tale gesungen wurden, ehe der Krieg kam.

Da ging Aliena, die bei den Rosenbüschen war und Blumen schnitt, um das
Haus und kam unter die offenen Bibliotheksfenster. Sie hörte den Pater Reinhold
murmeln, und mit einem raschen Entschlüsse eilte sie zurück und stand plötzlich mitten
in der Bücherei. Als Reinhold sie bemerkte, stieg es ihm heiß zu Kopfe, und er
schlug rasch die Heilige Schrift zu, darin er gelesen hatte, denn er war beim
Hohenlieds Salomonis. Wie er nun so vor ihr stand in Verwirrung und Erregung,
da nahm sie den Rosenstrauch, den sie aus dem Garten hereingebracht hatte, und
warf ihn in die Höhe, daß die Blüten über ihn fielen und das ganze Gemach
mit ihrem Dufte erfüllten. Reinhold tat ein paar rasche Schritte gegen sie, aber
da war sie schon draußen.

Rudis Flöte verstummte. Die Brüder kamen ins Haus und tappten in ihre
Zellen. Und bald darauf hörte Reinhold Gödes und Heinos Sägemühlen, die
Zwar im anderen Flügel arbeiteten, aber hier zu hören waren.

Er lehnte sich weit aus dem Fenster. Die ganze Welt roch nach Rosen und
Fichten. Blühten und dufteten die Rosen nicht immer Sommers um das Kloster?
Sang nicht in den Stechpalmbüschen am Hange drüben Jahr um Jahr die
Nachtigall? Wohll Aber der Rosenduft war kein Strom von kräuselnden, rosigen
Wellen, der durch eine wunderholde Landschaft von Bäumen und Blüten floß.


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[0467] Legende vom Macholderhügcl Reich ein monarchischer Einheitsstaat") unternommenen Versuch, einen wirklichen Rechtszusammenhang zwischen dem alten und neuen Deutschen Reich nachzuweisen, einhellig in die Rubrik der staatsrechtlichen Kuriositäten. Den Gedanken einer Verquickung des neuen Kaisertums mit katholisch-hierarchischen Tendenzen weist aber das evangelische Bekenntnis des Hohenzollernhauses ohne weiteres von der Schwelle. staatsrechtlich ist zwar der neue Deutsche Kaiser nicht der Neichs- monarch, aber anderseits ist er auch nicht der Delegatar eines souveränen Volks- willens. Als unmittelbar berechtigtes, erbliches Reichsorgan befindet er sich neben Bundesrat und Reichstag in einer rechtlich befestigten, politischen Macht¬ stellung, wie sie kein deutscher Kaiser der Vergangenheit besessen. Er ist, wie Laband treffend bemerkt, der eigentliche Träger der nationalen Einheit und der gemeinsamen Interessen des Reichs, der Fels, an welchem die tobende Brandung der aufgeregten Parteileidenschasten sich bricht. Legende vom Wacholderhügel von Bernhard Kleines- (Schluß.) Wieder saßen eines Abends im Juli die Brüder im Garten. Rudi blies die Flöte und die anderen summten mit. Er blies Lieder, wie sie von den Leuten im Tale gesungen wurden, ehe der Krieg kam. Da ging Aliena, die bei den Rosenbüschen war und Blumen schnitt, um das Haus und kam unter die offenen Bibliotheksfenster. Sie hörte den Pater Reinhold murmeln, und mit einem raschen Entschlüsse eilte sie zurück und stand plötzlich mitten in der Bücherei. Als Reinhold sie bemerkte, stieg es ihm heiß zu Kopfe, und er schlug rasch die Heilige Schrift zu, darin er gelesen hatte, denn er war beim Hohenlieds Salomonis. Wie er nun so vor ihr stand in Verwirrung und Erregung, da nahm sie den Rosenstrauch, den sie aus dem Garten hereingebracht hatte, und warf ihn in die Höhe, daß die Blüten über ihn fielen und das ganze Gemach mit ihrem Dufte erfüllten. Reinhold tat ein paar rasche Schritte gegen sie, aber da war sie schon draußen. Rudis Flöte verstummte. Die Brüder kamen ins Haus und tappten in ihre Zellen. Und bald darauf hörte Reinhold Gödes und Heinos Sägemühlen, die Zwar im anderen Flügel arbeiteten, aber hier zu hören waren. Er lehnte sich weit aus dem Fenster. Die ganze Welt roch nach Rosen und Fichten. Blühten und dufteten die Rosen nicht immer Sommers um das Kloster? Sang nicht in den Stechpalmbüschen am Hange drüben Jahr um Jahr die Nachtigall? Wohll Aber der Rosenduft war kein Strom von kräuselnden, rosigen Wellen, der durch eine wunderholde Landschaft von Bäumen und Blüten floß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/467>, abgerufen am 19.05.2024.