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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Schwerin i, M, Es enhält sieben Erzäh¬
lungen (Mathilde, Der Park zu Elbas,
Marino Falieri, Der Graf von Geldern,
Eugen und Emilie, Die Schlittenfahrt zu
Sabinerin, Der schöne Georg), die, wie ich
bestimmt sagen kann, nicht von Clemens
Brentano herrühren.

Die oben erwähnte Zeichnung ist im
Verlage der Jos. Köselschen Buchhandlung zu
München als Separatabdruck erschienen.

Heinz Amelung-
Bildende Aunst

Wilhelm Michel: Dus Teuflische und
Groteske in der Kunst. Mit 97 Bildern.
München 1911, R. Piper u. Co.

Man kann heute wirklich zufrieden sein
mit der Findigkeit der Verleger, die uns das
überlieferte Material an Kunst in immer neuen
Zusammensetzungen vorzusetzen wissen, reiche
Bilderschätze uns in spottbilligen Heften zu¬
sammendrucken und geistreich zu fesseln und
zu reizen wissen. Dieses Heft mit fast hundert
Bildern aus dem Reich des Grotesken und
Teuflischen nun häuft Nervenreize mit einer
Rücksichtslosigkeit, ja Skrupellosigkeit wie ein
ganz raffinierter Kolportageroman; es stellt
aber zunächst noch mindere Ansprüche als ein
solcher: man blättert blos; und fühlt sich schon
angerührt, fühlt sich gepackt, geschüttelt, zum
Grausen oder Lachen bezwungen. Und doch
stellt es auch wieder viel höhere Ansprüche als
eine Geschichte, die mit billigen Mitteln spannen
will. Denn es enthält Kunst, tiefsinnig und
wahr dem Urgrund des Menschlichen ent¬
sprossen, wie die Schöpfung einer berühmten
Madonna oder eines Abendmahls oder einer
stillen Landschaft, und um ihres Ursprungs
willen ebenso rein, dieses Teuflische und Gro¬
teske wie das Engelhafte und das Abgeklärte.
Man blättert: von den Urzeiten, lächer¬
lichen Göttern eines wilden Volks fehlt nichts
bis zu den ironischen Bildungen eines mo¬
dernen Kunstverstands, nicht der Knäuel des
mittelalterlichen Aberglaubens, nicht die Bar¬
barismen der Kriegswut, nicht die gesuchte
Einfachheit, die Todesschnuer aushauchende
Nüchternheit einer neuen Zeit. Die Vvlks-
charaktere sprechen sich aus, auf ein Paar
Blättern: blumonhaft und dekorativ malt der
Japaner auch den Schrecken der Verwesung,

[Spaltenumbruch]

mit graziöser Rhetorik stellt der Franzose den
Schauer der geistreichen Maske vor; gegen
Norden aber "nehmen Nuß und Hexen zu",
dem Deutschen verdunkelt schnörkelvolle Ge¬
spensterschar den Himmel, der Niederländer
schüttet kriechende, krabbelnde Scheußlichkeit
auf wie auf einem Markt Muscheln und Fische
und Früchte. Und da drin herumzustöbern
wird man gar nicht fertig. Mit einem an¬
genehm lesbaren Feuilleton, das besonders in
der Darstellung des Grausens der Maske
glücklich ist und überall auch literarische Seiten¬
stücke heranzieht, begleitet Wilhelm Michel die
Bilderfülle. Dr. Max Meil-Wien

Gffizier- und Bemntenfragen
Verringerung der Zahl der Leutnants.

Das; die BeförderungSverhältnisse des deutschen
OffizierkorPS einer gründlichen Wandlung
bedürfen, darüber wird auch außerhalb des
Heeres, soweit man nicht zu den gcwohnheits-
und berufsmäßigen Nörglern am Heere
gehört, kaum ein Zweifel herrschen. Man
darf sich durch das raschere Vorwärtskommen
einzelner, wie der Generalstabsoffiziere usw.,
nicht blenden lassen und muß vor allein
bedenken, das; die Überalterung sich immer
weiter steigert, wenn nicht im letzten noch
günstigen Zeitpunkt eingegriffen wird. Unsere
Kvmpagniechefs der Infanterie verbleiben
zurzeit nicht weniger als annähernd zwölf
Jahre in dieser verantwortungsvollen und
aufreibenden Stellung. Welchen Verbrauch
an geistiger und körperlicher Kraft diese lange
Kompagniechefszeit mit sich bringt, davon
macht sich der Außenstehende keinen Begriff.
Wir müssen die Beförderungsvcrhältnisse so
gestalten und gleichmäßig erholten, das; die
Offiziere nicht verbraucht sind, bis sie in
höhere Stellen, vor allein in die Stelle des
Regimentskommandeurs, gelangen.

Die vielfach vorgeschlagenen kleinen Mittel
von Gchaltsrognliernngen, geringen Gehalts¬
aufbesserungen, Pensivnscrhöhungen u. tgi.
genügen für die Dauer nicht; ihre Wirkung
hält einige Jahre an, dann steht alles wieder
mehr oder weniger beim alten. Das; es
nötig ist, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten,
wie sie in den Gehaltsvcrhältnissen zwischen
den einzelnen Waffen, z. B. bei den Stabs¬
offizieren, bestehen, schleunigst aus der Welt

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Schwerin i, M, Es enhält sieben Erzäh¬
lungen (Mathilde, Der Park zu Elbas,
Marino Falieri, Der Graf von Geldern,
Eugen und Emilie, Die Schlittenfahrt zu
Sabinerin, Der schöne Georg), die, wie ich
bestimmt sagen kann, nicht von Clemens
Brentano herrühren.

Die oben erwähnte Zeichnung ist im
Verlage der Jos. Köselschen Buchhandlung zu
München als Separatabdruck erschienen.

Heinz Amelung-
Bildende Aunst

Wilhelm Michel: Dus Teuflische und
Groteske in der Kunst. Mit 97 Bildern.
München 1911, R. Piper u. Co.

Man kann heute wirklich zufrieden sein
mit der Findigkeit der Verleger, die uns das
überlieferte Material an Kunst in immer neuen
Zusammensetzungen vorzusetzen wissen, reiche
Bilderschätze uns in spottbilligen Heften zu¬
sammendrucken und geistreich zu fesseln und
zu reizen wissen. Dieses Heft mit fast hundert
Bildern aus dem Reich des Grotesken und
Teuflischen nun häuft Nervenreize mit einer
Rücksichtslosigkeit, ja Skrupellosigkeit wie ein
ganz raffinierter Kolportageroman; es stellt
aber zunächst noch mindere Ansprüche als ein
solcher: man blättert blos; und fühlt sich schon
angerührt, fühlt sich gepackt, geschüttelt, zum
Grausen oder Lachen bezwungen. Und doch
stellt es auch wieder viel höhere Ansprüche als
eine Geschichte, die mit billigen Mitteln spannen
will. Denn es enthält Kunst, tiefsinnig und
wahr dem Urgrund des Menschlichen ent¬
sprossen, wie die Schöpfung einer berühmten
Madonna oder eines Abendmahls oder einer
stillen Landschaft, und um ihres Ursprungs
willen ebenso rein, dieses Teuflische und Gro¬
teske wie das Engelhafte und das Abgeklärte.
Man blättert: von den Urzeiten, lächer¬
lichen Göttern eines wilden Volks fehlt nichts
bis zu den ironischen Bildungen eines mo¬
dernen Kunstverstands, nicht der Knäuel des
mittelalterlichen Aberglaubens, nicht die Bar¬
barismen der Kriegswut, nicht die gesuchte
Einfachheit, die Todesschnuer aushauchende
Nüchternheit einer neuen Zeit. Die Vvlks-
charaktere sprechen sich aus, auf ein Paar
Blättern: blumonhaft und dekorativ malt der
Japaner auch den Schrecken der Verwesung,

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mit graziöser Rhetorik stellt der Franzose den
Schauer der geistreichen Maske vor; gegen
Norden aber „nehmen Nuß und Hexen zu",
dem Deutschen verdunkelt schnörkelvolle Ge¬
spensterschar den Himmel, der Niederländer
schüttet kriechende, krabbelnde Scheußlichkeit
auf wie auf einem Markt Muscheln und Fische
und Früchte. Und da drin herumzustöbern
wird man gar nicht fertig. Mit einem an¬
genehm lesbaren Feuilleton, das besonders in
der Darstellung des Grausens der Maske
glücklich ist und überall auch literarische Seiten¬
stücke heranzieht, begleitet Wilhelm Michel die
Bilderfülle. Dr. Max Meil-Wien

Gffizier- und Bemntenfragen
Verringerung der Zahl der Leutnants.

Das; die BeförderungSverhältnisse des deutschen
OffizierkorPS einer gründlichen Wandlung
bedürfen, darüber wird auch außerhalb des
Heeres, soweit man nicht zu den gcwohnheits-
und berufsmäßigen Nörglern am Heere
gehört, kaum ein Zweifel herrschen. Man
darf sich durch das raschere Vorwärtskommen
einzelner, wie der Generalstabsoffiziere usw.,
nicht blenden lassen und muß vor allein
bedenken, das; die Überalterung sich immer
weiter steigert, wenn nicht im letzten noch
günstigen Zeitpunkt eingegriffen wird. Unsere
Kvmpagniechefs der Infanterie verbleiben
zurzeit nicht weniger als annähernd zwölf
Jahre in dieser verantwortungsvollen und
aufreibenden Stellung. Welchen Verbrauch
an geistiger und körperlicher Kraft diese lange
Kompagniechefszeit mit sich bringt, davon
macht sich der Außenstehende keinen Begriff.
Wir müssen die Beförderungsvcrhältnisse so
gestalten und gleichmäßig erholten, das; die
Offiziere nicht verbraucht sind, bis sie in
höhere Stellen, vor allein in die Stelle des
Regimentskommandeurs, gelangen.

Die vielfach vorgeschlagenen kleinen Mittel
von Gchaltsrognliernngen, geringen Gehalts¬
aufbesserungen, Pensivnscrhöhungen u. tgi.
genügen für die Dauer nicht; ihre Wirkung
hält einige Jahre an, dann steht alles wieder
mehr oder weniger beim alten. Das; es
nötig ist, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten,
wie sie in den Gehaltsvcrhältnissen zwischen
den einzelnen Waffen, z. B. bei den Stabs¬
offizieren, bestehen, schleunigst aus der Welt

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[0544] Maßgebliches und Unmaßgebliches Schwerin i, M, Es enhält sieben Erzäh¬ lungen (Mathilde, Der Park zu Elbas, Marino Falieri, Der Graf von Geldern, Eugen und Emilie, Die Schlittenfahrt zu Sabinerin, Der schöne Georg), die, wie ich bestimmt sagen kann, nicht von Clemens Brentano herrühren. Die oben erwähnte Zeichnung ist im Verlage der Jos. Köselschen Buchhandlung zu München als Separatabdruck erschienen. Heinz Amelung- Bildende Aunst Wilhelm Michel: Dus Teuflische und Groteske in der Kunst. Mit 97 Bildern. München 1911, R. Piper u. Co. Man kann heute wirklich zufrieden sein mit der Findigkeit der Verleger, die uns das überlieferte Material an Kunst in immer neuen Zusammensetzungen vorzusetzen wissen, reiche Bilderschätze uns in spottbilligen Heften zu¬ sammendrucken und geistreich zu fesseln und zu reizen wissen. Dieses Heft mit fast hundert Bildern aus dem Reich des Grotesken und Teuflischen nun häuft Nervenreize mit einer Rücksichtslosigkeit, ja Skrupellosigkeit wie ein ganz raffinierter Kolportageroman; es stellt aber zunächst noch mindere Ansprüche als ein solcher: man blättert blos; und fühlt sich schon angerührt, fühlt sich gepackt, geschüttelt, zum Grausen oder Lachen bezwungen. Und doch stellt es auch wieder viel höhere Ansprüche als eine Geschichte, die mit billigen Mitteln spannen will. Denn es enthält Kunst, tiefsinnig und wahr dem Urgrund des Menschlichen ent¬ sprossen, wie die Schöpfung einer berühmten Madonna oder eines Abendmahls oder einer stillen Landschaft, und um ihres Ursprungs willen ebenso rein, dieses Teuflische und Gro¬ teske wie das Engelhafte und das Abgeklärte. Man blättert: von den Urzeiten, lächer¬ lichen Göttern eines wilden Volks fehlt nichts bis zu den ironischen Bildungen eines mo¬ dernen Kunstverstands, nicht der Knäuel des mittelalterlichen Aberglaubens, nicht die Bar¬ barismen der Kriegswut, nicht die gesuchte Einfachheit, die Todesschnuer aushauchende Nüchternheit einer neuen Zeit. Die Vvlks- charaktere sprechen sich aus, auf ein Paar Blättern: blumonhaft und dekorativ malt der Japaner auch den Schrecken der Verwesung, mit graziöser Rhetorik stellt der Franzose den Schauer der geistreichen Maske vor; gegen Norden aber „nehmen Nuß und Hexen zu", dem Deutschen verdunkelt schnörkelvolle Ge¬ spensterschar den Himmel, der Niederländer schüttet kriechende, krabbelnde Scheußlichkeit auf wie auf einem Markt Muscheln und Fische und Früchte. Und da drin herumzustöbern wird man gar nicht fertig. Mit einem an¬ genehm lesbaren Feuilleton, das besonders in der Darstellung des Grausens der Maske glücklich ist und überall auch literarische Seiten¬ stücke heranzieht, begleitet Wilhelm Michel die Bilderfülle. Dr. Max Meil-Wien Gffizier- und Bemntenfragen Verringerung der Zahl der Leutnants. Das; die BeförderungSverhältnisse des deutschen OffizierkorPS einer gründlichen Wandlung bedürfen, darüber wird auch außerhalb des Heeres, soweit man nicht zu den gcwohnheits- und berufsmäßigen Nörglern am Heere gehört, kaum ein Zweifel herrschen. Man darf sich durch das raschere Vorwärtskommen einzelner, wie der Generalstabsoffiziere usw., nicht blenden lassen und muß vor allein bedenken, das; die Überalterung sich immer weiter steigert, wenn nicht im letzten noch günstigen Zeitpunkt eingegriffen wird. Unsere Kvmpagniechefs der Infanterie verbleiben zurzeit nicht weniger als annähernd zwölf Jahre in dieser verantwortungsvollen und aufreibenden Stellung. Welchen Verbrauch an geistiger und körperlicher Kraft diese lange Kompagniechefszeit mit sich bringt, davon macht sich der Außenstehende keinen Begriff. Wir müssen die Beförderungsvcrhältnisse so gestalten und gleichmäßig erholten, das; die Offiziere nicht verbraucht sind, bis sie in höhere Stellen, vor allein in die Stelle des Regimentskommandeurs, gelangen. Die vielfach vorgeschlagenen kleinen Mittel von Gchaltsrognliernngen, geringen Gehalts¬ aufbesserungen, Pensivnscrhöhungen u. tgi. genügen für die Dauer nicht; ihre Wirkung hält einige Jahre an, dann steht alles wieder mehr oder weniger beim alten. Das; es nötig ist, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, wie sie in den Gehaltsvcrhältnissen zwischen den einzelnen Waffen, z. B. bei den Stabs¬ offizieren, bestehen, schleunigst aus der Welt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/544>, abgerufen am 26.05.2024.