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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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währe", erkaufen muß." Die Skepsis dieses
Satzes wird heute fast zum Gegenteil einer
Empfehlung. Immerhin, der Prozeß um die
Legitimität des jungen Grafen von Se. Geran,
eine Geschichte von der Art, für die schon den
Herausgebern des Neuen Pitaval die Zeit
vorüber zu sein schien^ wird in den Tagen
der Gräfin Kwilecka nicht ohne Anziehung
sein, und wenn auch manche der Stücke trotz
der schon mehrmals in früheren Ausgaben
borgenommenen Kürzung des juristischen
Details immer noch durch ein Zuviel davon
ermüden, so werden besonders die knapperen,
nicht zum wenigsten durch die Kultur des
Vortrags und die Objektivität der Verfasser,
die bis zuletzt über den endgültigen Ausgang
täuschend eine eigentümliche Spannung her¬
vorruft, noch manchen modernen Leser zu
fesseln vermögen.

Dr. Paul Neuburger-
Bildende Kunst

Das Museum einer moderne" Großstadt.
Das junge Kaiser-Friedrich-Museum in Magde¬
burg ist in den Grundlinien seiner Anlage
und seines Aufbaus bestimmt durch die be¬
sonderen geschichtlichen Schicksale der Stadt
und durch das Bedürfnis der Gegenwart,
von der gegebenen umgrenzten Welt der
Heimat aus die Kultur von gestern und
heute in ihrer Entwicklung und in ihren
inneren Zusammenhängen klar zu überschauen.
Theodor Bolbehr, der das Museum entworfen,
hat ihm aus klugem, zielsicherem Erwägen
heraus seine Aufgabe zugewiesen und es in
seiner Gesamterscheinung zu einemharmonischen
Organismus von sicherer Selbständigkeit und
reichem, kräftigem Eigenleben gestaltet. Jeder
Bewohner der Stadt soll von der Kulturwelt,
in der er lebt, von den Voraussetzungen ihres
Werdens und den bedeutsamsten Äußerungen
ihres Wesens eine anschauliche Vorstellung
gewinnen tonnen, damit er mit vollem Bewußt¬
sein in ihr heimisch werde.

Nun ist es freilich gerade in Magdeburg so gut
wie unmöglich, ein kulturgeschichtliches Museum
im wesentlichen als Hcimatmusenm anzulegen;
so gründlich hat die Zerstörung im Dreißig¬
jährigen Krieg mit der Hinterlassenschaft der
früheren Jahrhunderte aufgeräumt. Trotzdem
bilden die Altertümer ans der Vergangenheit

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der Stadt den Kern des Museums. Aber die
Räume, die sich um dies innerste Zentrum
schließen, ergänzen den dürftigen Bericht der
Bruchstücke zu einer reichen und lebendigen
Veranschaulichung der Kultur des deutschen
Wohnraumes in ihrer Entwicklung seit den
Tagen der Reformation bis zur Gegenwart.
Und aus diesem Hausbcreich der Heimat
wird dann der Blick in freie Weiten hinaus-
geleitet, und es erschließen sich ihm die
höheren Zusammenhänge des äußeren Lebens
und des künstlerischen Schaffens der einzelnen
Epochen. Die Werke der Kunst, in denen
das tiefste Seelenregen der Zeiten Ausdruck
und Form gewann, treten in sorgsam bedachter
Auslese vor das Ange, und auch sie fügen
sich in eine klar überschaubare Entwicklungs¬
reihe. Und die Betrachtung, die hier von
der Plastik der Griechen ausgeht, findet aber¬
mals ihr Ziel in der Vergegenwärtigung
des Phantasieschaffens unserer Tage. Denn
eben die Gegenwart, in ihrer Kunst wie in
ihres Lebens Persönlicher Form, soll all das
Schauen letzte" Endes erfassen und verstehen
lehren.

Die bedachtsam aufbauende Hand, deren
Walten man überall in dem sinnvoll klar
gefügten Organismus des Magdeburger
Museums spürt, bietet sich aber nun auch
selbst noch dem Besucher dar und leitet ihn
hilfreich und freundlich auf den Wegen des
Betrachtens. Volbchrs "Führer" durch sein
Museum ist selbst ein lebendiges Gebilde,
selbst ein kleines Kunstwerk der Interpretation
geworden. Er weckt die frohe Bereitschaft,
zu schauen und aufzunehmen, er webt all das
einzelne zu lebendig einheitlicher Wirkung
zusammen und deutet die zeitlose" Träume
schöpferischen Geistes. Überall rin der gleichen
""aufdringlichen Schlichtheit, rin einem klaren
Blick für das Weseatliche der Erscheinungen
und mit einer gern sich mitteilenden eigene"
Freude. Das persönliche Leben, an? dem
Volbehrs Museum erwachsen ist, möchte der
Führer einen jeden voll nachfühlen lassen.
Er ist jüngst in zweiter Auflage erschienen,
vielfach ergänzt und bereichert, und erfreut
von neuem durch die klare, kräftige Gestaltung
seines Satzes und die ausgezeichnete Wieder¬
gabe einzelner Räume und ausgewählter
Kunstwerke auf eingehefteten Bilder". Um

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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währe», erkaufen muß." Die Skepsis dieses
Satzes wird heute fast zum Gegenteil einer
Empfehlung. Immerhin, der Prozeß um die
Legitimität des jungen Grafen von Se. Geran,
eine Geschichte von der Art, für die schon den
Herausgebern des Neuen Pitaval die Zeit
vorüber zu sein schien^ wird in den Tagen
der Gräfin Kwilecka nicht ohne Anziehung
sein, und wenn auch manche der Stücke trotz
der schon mehrmals in früheren Ausgaben
borgenommenen Kürzung des juristischen
Details immer noch durch ein Zuviel davon
ermüden, so werden besonders die knapperen,
nicht zum wenigsten durch die Kultur des
Vortrags und die Objektivität der Verfasser,
die bis zuletzt über den endgültigen Ausgang
täuschend eine eigentümliche Spannung her¬
vorruft, noch manchen modernen Leser zu
fesseln vermögen.

Dr. Paul Neuburger-
Bildende Kunst

Das Museum einer moderne» Großstadt.
Das junge Kaiser-Friedrich-Museum in Magde¬
burg ist in den Grundlinien seiner Anlage
und seines Aufbaus bestimmt durch die be¬
sonderen geschichtlichen Schicksale der Stadt
und durch das Bedürfnis der Gegenwart,
von der gegebenen umgrenzten Welt der
Heimat aus die Kultur von gestern und
heute in ihrer Entwicklung und in ihren
inneren Zusammenhängen klar zu überschauen.
Theodor Bolbehr, der das Museum entworfen,
hat ihm aus klugem, zielsicherem Erwägen
heraus seine Aufgabe zugewiesen und es in
seiner Gesamterscheinung zu einemharmonischen
Organismus von sicherer Selbständigkeit und
reichem, kräftigem Eigenleben gestaltet. Jeder
Bewohner der Stadt soll von der Kulturwelt,
in der er lebt, von den Voraussetzungen ihres
Werdens und den bedeutsamsten Äußerungen
ihres Wesens eine anschauliche Vorstellung
gewinnen tonnen, damit er mit vollem Bewußt¬
sein in ihr heimisch werde.

Nun ist es freilich gerade in Magdeburg so gut
wie unmöglich, ein kulturgeschichtliches Museum
im wesentlichen als Hcimatmusenm anzulegen;
so gründlich hat die Zerstörung im Dreißig¬
jährigen Krieg mit der Hinterlassenschaft der
früheren Jahrhunderte aufgeräumt. Trotzdem
bilden die Altertümer ans der Vergangenheit

[Spaltenumbruch]

der Stadt den Kern des Museums. Aber die
Räume, die sich um dies innerste Zentrum
schließen, ergänzen den dürftigen Bericht der
Bruchstücke zu einer reichen und lebendigen
Veranschaulichung der Kultur des deutschen
Wohnraumes in ihrer Entwicklung seit den
Tagen der Reformation bis zur Gegenwart.
Und aus diesem Hausbcreich der Heimat
wird dann der Blick in freie Weiten hinaus-
geleitet, und es erschließen sich ihm die
höheren Zusammenhänge des äußeren Lebens
und des künstlerischen Schaffens der einzelnen
Epochen. Die Werke der Kunst, in denen
das tiefste Seelenregen der Zeiten Ausdruck
und Form gewann, treten in sorgsam bedachter
Auslese vor das Ange, und auch sie fügen
sich in eine klar überschaubare Entwicklungs¬
reihe. Und die Betrachtung, die hier von
der Plastik der Griechen ausgeht, findet aber¬
mals ihr Ziel in der Vergegenwärtigung
des Phantasieschaffens unserer Tage. Denn
eben die Gegenwart, in ihrer Kunst wie in
ihres Lebens Persönlicher Form, soll all das
Schauen letzte» Endes erfassen und verstehen
lehren.

Die bedachtsam aufbauende Hand, deren
Walten man überall in dem sinnvoll klar
gefügten Organismus des Magdeburger
Museums spürt, bietet sich aber nun auch
selbst noch dem Besucher dar und leitet ihn
hilfreich und freundlich auf den Wegen des
Betrachtens. Volbchrs „Führer" durch sein
Museum ist selbst ein lebendiges Gebilde,
selbst ein kleines Kunstwerk der Interpretation
geworden. Er weckt die frohe Bereitschaft,
zu schauen und aufzunehmen, er webt all das
einzelne zu lebendig einheitlicher Wirkung
zusammen und deutet die zeitlose» Träume
schöpferischen Geistes. Überall rin der gleichen
»»aufdringlichen Schlichtheit, rin einem klaren
Blick für das Weseatliche der Erscheinungen
und mit einer gern sich mitteilenden eigene»
Freude. Das persönliche Leben, an? dem
Volbehrs Museum erwachsen ist, möchte der
Führer einen jeden voll nachfühlen lassen.
Er ist jüngst in zweiter Auflage erschienen,
vielfach ergänzt und bereichert, und erfreut
von neuem durch die klare, kräftige Gestaltung
seines Satzes und die ausgezeichnete Wieder¬
gabe einzelner Räume und ausgewählter
Kunstwerke auf eingehefteten Bilder». Um

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[0643] Maßgebliches und Unmaßgebliches währe», erkaufen muß." Die Skepsis dieses Satzes wird heute fast zum Gegenteil einer Empfehlung. Immerhin, der Prozeß um die Legitimität des jungen Grafen von Se. Geran, eine Geschichte von der Art, für die schon den Herausgebern des Neuen Pitaval die Zeit vorüber zu sein schien^ wird in den Tagen der Gräfin Kwilecka nicht ohne Anziehung sein, und wenn auch manche der Stücke trotz der schon mehrmals in früheren Ausgaben borgenommenen Kürzung des juristischen Details immer noch durch ein Zuviel davon ermüden, so werden besonders die knapperen, nicht zum wenigsten durch die Kultur des Vortrags und die Objektivität der Verfasser, die bis zuletzt über den endgültigen Ausgang täuschend eine eigentümliche Spannung her¬ vorruft, noch manchen modernen Leser zu fesseln vermögen. Dr. Paul Neuburger- Bildende Kunst Das Museum einer moderne» Großstadt. Das junge Kaiser-Friedrich-Museum in Magde¬ burg ist in den Grundlinien seiner Anlage und seines Aufbaus bestimmt durch die be¬ sonderen geschichtlichen Schicksale der Stadt und durch das Bedürfnis der Gegenwart, von der gegebenen umgrenzten Welt der Heimat aus die Kultur von gestern und heute in ihrer Entwicklung und in ihren inneren Zusammenhängen klar zu überschauen. Theodor Bolbehr, der das Museum entworfen, hat ihm aus klugem, zielsicherem Erwägen heraus seine Aufgabe zugewiesen und es in seiner Gesamterscheinung zu einemharmonischen Organismus von sicherer Selbständigkeit und reichem, kräftigem Eigenleben gestaltet. Jeder Bewohner der Stadt soll von der Kulturwelt, in der er lebt, von den Voraussetzungen ihres Werdens und den bedeutsamsten Äußerungen ihres Wesens eine anschauliche Vorstellung gewinnen tonnen, damit er mit vollem Bewußt¬ sein in ihr heimisch werde. Nun ist es freilich gerade in Magdeburg so gut wie unmöglich, ein kulturgeschichtliches Museum im wesentlichen als Hcimatmusenm anzulegen; so gründlich hat die Zerstörung im Dreißig¬ jährigen Krieg mit der Hinterlassenschaft der früheren Jahrhunderte aufgeräumt. Trotzdem bilden die Altertümer ans der Vergangenheit der Stadt den Kern des Museums. Aber die Räume, die sich um dies innerste Zentrum schließen, ergänzen den dürftigen Bericht der Bruchstücke zu einer reichen und lebendigen Veranschaulichung der Kultur des deutschen Wohnraumes in ihrer Entwicklung seit den Tagen der Reformation bis zur Gegenwart. Und aus diesem Hausbcreich der Heimat wird dann der Blick in freie Weiten hinaus- geleitet, und es erschließen sich ihm die höheren Zusammenhänge des äußeren Lebens und des künstlerischen Schaffens der einzelnen Epochen. Die Werke der Kunst, in denen das tiefste Seelenregen der Zeiten Ausdruck und Form gewann, treten in sorgsam bedachter Auslese vor das Ange, und auch sie fügen sich in eine klar überschaubare Entwicklungs¬ reihe. Und die Betrachtung, die hier von der Plastik der Griechen ausgeht, findet aber¬ mals ihr Ziel in der Vergegenwärtigung des Phantasieschaffens unserer Tage. Denn eben die Gegenwart, in ihrer Kunst wie in ihres Lebens Persönlicher Form, soll all das Schauen letzte» Endes erfassen und verstehen lehren. Die bedachtsam aufbauende Hand, deren Walten man überall in dem sinnvoll klar gefügten Organismus des Magdeburger Museums spürt, bietet sich aber nun auch selbst noch dem Besucher dar und leitet ihn hilfreich und freundlich auf den Wegen des Betrachtens. Volbchrs „Führer" durch sein Museum ist selbst ein lebendiges Gebilde, selbst ein kleines Kunstwerk der Interpretation geworden. Er weckt die frohe Bereitschaft, zu schauen und aufzunehmen, er webt all das einzelne zu lebendig einheitlicher Wirkung zusammen und deutet die zeitlose» Träume schöpferischen Geistes. Überall rin der gleichen »»aufdringlichen Schlichtheit, rin einem klaren Blick für das Weseatliche der Erscheinungen und mit einer gern sich mitteilenden eigene» Freude. Das persönliche Leben, an? dem Volbehrs Museum erwachsen ist, möchte der Führer einen jeden voll nachfühlen lassen. Er ist jüngst in zweiter Auflage erschienen, vielfach ergänzt und bereichert, und erfreut von neuem durch die klare, kräftige Gestaltung seines Satzes und die ausgezeichnete Wieder¬ gabe einzelner Räume und ausgewählter Kunstwerke auf eingehefteten Bilder». Um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/643>, abgerufen am 18.05.2024.