Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Reichsbank und Geldumlauf von Dr. Konrad Meißner, Rechtsanwalt am Aammergerich I.

<^! s sind nunmehr drei Jahre verflossen, seit in den Beratungen der
Bankenquetekommission die wichtigsten Fragen unserer Bank¬
organisation einer eingehenden Erörterung im Kreise hervor-
! ragender Sachkenner unterzogen worden sind. Bekanntlich bot den
^ äußeren Anlaß zur Veranstaltung der Enquete die Erneuerung
des Reichsbankprivilegiums; der tiefere Grund aber lag in dem Wunsche, an
Hand der Erfahrungen, die man in dem Krisenjahre 1907 gemacht hatte, die
Einrichtungen unseres Bankwesens zu überprüfen und die mannigfachen Klagen
und Abänderungsvorschläge auf ihre Berechtigung hin zu untersuchen. Das
praktische Ergebnis dieser Beratungen ist bekanntlich ein sehr bescheidenes ge¬
wesen. Die Reformen der Bankverfassung haben sich auf gewisse Einzelheiten
von untergeordneter Wichtigkeit beschränkt. Die bedeutsamsten Änderungen
betrafen die Erhöhung des steuerfreien Notenkontingents und die Ausstattung
der Reichsbanknoten mit dem Rechte der gesetzlichen Zahlkraft. Die Wieder¬
eröffnung des Reservefonds der Neichsbank und die Erhöhung der Gewinn¬
beteiligung des Reichs sind für die Verfassung und die Wirksamkeit der Reichs¬
bank von so nebensächlicher Natur, daß es zur Vorbereitung dieser Reformen
sicherlich nicht des umständlichen Apparates einer Enquete bedurft hätte. Der
Schwerpunkt des Ergebnisses dieser Untersuchung liegt also auf der negativen
Seite: er ist darin zu suchen, daß man vorbedachtermaßen von allen tief-
eingreifenden Änderungen der Bankoerfassung Abstand genommen hat. Wünsche
nach dieser Richtung waren genug laut geworden; die radikalsten, auf Verstaat¬
lichung der Reichsbank gehenden, waren indessen schon von der Regierung selbst
durch die Formulierung des Fragebogens zurückgewiesen und von der Erörte¬
rung ausgeschlossen. Aber auch solche von geringerer Tragweite sind schließlich
zu Boden gefallen. Das Gesamtergebnis der Diskussion ging doch schließlich
dahin, daß die Neichsbank ihre gesetzliche Aufgabe, den Geldumlauf im Reich
zu regeln und für die Nutzbarmachung verfügbarer Kapitalien zu sorgen, auf
Grund ihrer bisherigen Verfassung in vollkommener Weise gelöst habe, und
daß nicht die Reichsbank und die von ihr befolgte Diskontpolitik dafür verant-




Reichsbank und Geldumlauf von Dr. Konrad Meißner, Rechtsanwalt am Aammergerich I.

<^! s sind nunmehr drei Jahre verflossen, seit in den Beratungen der
Bankenquetekommission die wichtigsten Fragen unserer Bank¬
organisation einer eingehenden Erörterung im Kreise hervor-
! ragender Sachkenner unterzogen worden sind. Bekanntlich bot den
^ äußeren Anlaß zur Veranstaltung der Enquete die Erneuerung
des Reichsbankprivilegiums; der tiefere Grund aber lag in dem Wunsche, an
Hand der Erfahrungen, die man in dem Krisenjahre 1907 gemacht hatte, die
Einrichtungen unseres Bankwesens zu überprüfen und die mannigfachen Klagen
und Abänderungsvorschläge auf ihre Berechtigung hin zu untersuchen. Das
praktische Ergebnis dieser Beratungen ist bekanntlich ein sehr bescheidenes ge¬
wesen. Die Reformen der Bankverfassung haben sich auf gewisse Einzelheiten
von untergeordneter Wichtigkeit beschränkt. Die bedeutsamsten Änderungen
betrafen die Erhöhung des steuerfreien Notenkontingents und die Ausstattung
der Reichsbanknoten mit dem Rechte der gesetzlichen Zahlkraft. Die Wieder¬
eröffnung des Reservefonds der Neichsbank und die Erhöhung der Gewinn¬
beteiligung des Reichs sind für die Verfassung und die Wirksamkeit der Reichs¬
bank von so nebensächlicher Natur, daß es zur Vorbereitung dieser Reformen
sicherlich nicht des umständlichen Apparates einer Enquete bedurft hätte. Der
Schwerpunkt des Ergebnisses dieser Untersuchung liegt also auf der negativen
Seite: er ist darin zu suchen, daß man vorbedachtermaßen von allen tief-
eingreifenden Änderungen der Bankoerfassung Abstand genommen hat. Wünsche
nach dieser Richtung waren genug laut geworden; die radikalsten, auf Verstaat¬
lichung der Reichsbank gehenden, waren indessen schon von der Regierung selbst
durch die Formulierung des Fragebogens zurückgewiesen und von der Erörte¬
rung ausgeschlossen. Aber auch solche von geringerer Tragweite sind schließlich
zu Boden gefallen. Das Gesamtergebnis der Diskussion ging doch schließlich
dahin, daß die Neichsbank ihre gesetzliche Aufgabe, den Geldumlauf im Reich
zu regeln und für die Nutzbarmachung verfügbarer Kapitalien zu sorgen, auf
Grund ihrer bisherigen Verfassung in vollkommener Weise gelöst habe, und
daß nicht die Reichsbank und die von ihr befolgte Diskontpolitik dafür verant-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319784"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341893_319600/figures/grenzboten_341893_319600_319784_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Reichsbank und Geldumlauf <note type="byline"> von Dr. Konrad Meißner, Rechtsanwalt am Aammergerich</note> I. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_727" next="#ID_728"> &lt;^! s sind nunmehr drei Jahre verflossen, seit in den Beratungen der<lb/>
Bankenquetekommission die wichtigsten Fragen unserer Bank¬<lb/>
organisation einer eingehenden Erörterung im Kreise hervor-<lb/>
! ragender Sachkenner unterzogen worden sind. Bekanntlich bot den<lb/>
^ äußeren Anlaß zur Veranstaltung der Enquete die Erneuerung<lb/>
des Reichsbankprivilegiums; der tiefere Grund aber lag in dem Wunsche, an<lb/>
Hand der Erfahrungen, die man in dem Krisenjahre 1907 gemacht hatte, die<lb/>
Einrichtungen unseres Bankwesens zu überprüfen und die mannigfachen Klagen<lb/>
und Abänderungsvorschläge auf ihre Berechtigung hin zu untersuchen. Das<lb/>
praktische Ergebnis dieser Beratungen ist bekanntlich ein sehr bescheidenes ge¬<lb/>
wesen. Die Reformen der Bankverfassung haben sich auf gewisse Einzelheiten<lb/>
von untergeordneter Wichtigkeit beschränkt. Die bedeutsamsten Änderungen<lb/>
betrafen die Erhöhung des steuerfreien Notenkontingents und die Ausstattung<lb/>
der Reichsbanknoten mit dem Rechte der gesetzlichen Zahlkraft. Die Wieder¬<lb/>
eröffnung des Reservefonds der Neichsbank und die Erhöhung der Gewinn¬<lb/>
beteiligung des Reichs sind für die Verfassung und die Wirksamkeit der Reichs¬<lb/>
bank von so nebensächlicher Natur, daß es zur Vorbereitung dieser Reformen<lb/>
sicherlich nicht des umständlichen Apparates einer Enquete bedurft hätte. Der<lb/>
Schwerpunkt des Ergebnisses dieser Untersuchung liegt also auf der negativen<lb/>
Seite: er ist darin zu suchen, daß man vorbedachtermaßen von allen tief-<lb/>
eingreifenden Änderungen der Bankoerfassung Abstand genommen hat. Wünsche<lb/>
nach dieser Richtung waren genug laut geworden; die radikalsten, auf Verstaat¬<lb/>
lichung der Reichsbank gehenden, waren indessen schon von der Regierung selbst<lb/>
durch die Formulierung des Fragebogens zurückgewiesen und von der Erörte¬<lb/>
rung ausgeschlossen. Aber auch solche von geringerer Tragweite sind schließlich<lb/>
zu Boden gefallen. Das Gesamtergebnis der Diskussion ging doch schließlich<lb/>
dahin, daß die Neichsbank ihre gesetzliche Aufgabe, den Geldumlauf im Reich<lb/>
zu regeln und für die Nutzbarmachung verfügbarer Kapitalien zu sorgen, auf<lb/>
Grund ihrer bisherigen Verfassung in vollkommener Weise gelöst habe, und<lb/>
daß nicht die Reichsbank und die von ihr befolgte Diskontpolitik dafür verant-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0183] [Abbildung] Reichsbank und Geldumlauf von Dr. Konrad Meißner, Rechtsanwalt am Aammergerich I. <^! s sind nunmehr drei Jahre verflossen, seit in den Beratungen der Bankenquetekommission die wichtigsten Fragen unserer Bank¬ organisation einer eingehenden Erörterung im Kreise hervor- ! ragender Sachkenner unterzogen worden sind. Bekanntlich bot den ^ äußeren Anlaß zur Veranstaltung der Enquete die Erneuerung des Reichsbankprivilegiums; der tiefere Grund aber lag in dem Wunsche, an Hand der Erfahrungen, die man in dem Krisenjahre 1907 gemacht hatte, die Einrichtungen unseres Bankwesens zu überprüfen und die mannigfachen Klagen und Abänderungsvorschläge auf ihre Berechtigung hin zu untersuchen. Das praktische Ergebnis dieser Beratungen ist bekanntlich ein sehr bescheidenes ge¬ wesen. Die Reformen der Bankverfassung haben sich auf gewisse Einzelheiten von untergeordneter Wichtigkeit beschränkt. Die bedeutsamsten Änderungen betrafen die Erhöhung des steuerfreien Notenkontingents und die Ausstattung der Reichsbanknoten mit dem Rechte der gesetzlichen Zahlkraft. Die Wieder¬ eröffnung des Reservefonds der Neichsbank und die Erhöhung der Gewinn¬ beteiligung des Reichs sind für die Verfassung und die Wirksamkeit der Reichs¬ bank von so nebensächlicher Natur, daß es zur Vorbereitung dieser Reformen sicherlich nicht des umständlichen Apparates einer Enquete bedurft hätte. Der Schwerpunkt des Ergebnisses dieser Untersuchung liegt also auf der negativen Seite: er ist darin zu suchen, daß man vorbedachtermaßen von allen tief- eingreifenden Änderungen der Bankoerfassung Abstand genommen hat. Wünsche nach dieser Richtung waren genug laut geworden; die radikalsten, auf Verstaat¬ lichung der Reichsbank gehenden, waren indessen schon von der Regierung selbst durch die Formulierung des Fragebogens zurückgewiesen und von der Erörte¬ rung ausgeschlossen. Aber auch solche von geringerer Tragweite sind schließlich zu Boden gefallen. Das Gesamtergebnis der Diskussion ging doch schließlich dahin, daß die Neichsbank ihre gesetzliche Aufgabe, den Geldumlauf im Reich zu regeln und für die Nutzbarmachung verfügbarer Kapitalien zu sorgen, auf Grund ihrer bisherigen Verfassung in vollkommener Weise gelöst habe, und daß nicht die Reichsbank und die von ihr befolgte Diskontpolitik dafür verant-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/183
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/183>, abgerufen am 06.05.2024.