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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Reichsbank und Geldumlauf

vermuten oder auf Grund der allgemeinen Wirtschaftslage als wahrscheinlich
voraussetzen; sicher ist sie dessen aber nicht, zumal die Noten nicht direkt, sondern
auf Umwegen an sie zurückströmen. Der endgiltige Rückfluß ist das Ergebnis
einer großen Anzahl von Kapitalsübertragungen und -Verschiebungen; an seiner
Größe läßt sich ermessen, ob per salto das ganze Kapital flüssig geblieben
ist oder zum Teil zu Anlage- und Betriebszwecken Verwendung gefunden hat.
Daher sehen wir denn auch, daß in Perioden starken Konjunktnraufschwunges,
die ein wachsendes Bedürfnis nach Betriebs- und Anlagekapital zeitigen, der
Rückfluß nach den starken Terminen sich immer schwächer gestaltet, so daß also
die dauernde Inanspruchnahme der Bank wächst. Es ist eben ein Teil des
ihr entzogenen Kapitals investiert worden.

Der Gedanke, die Dritteldeckung anzutasten, erscheint daher unannehmbar.


III.

Wenn man zu der Einsicht gelangt ist, daß die starken Quartalsansprllche
lediglich eine Folge der Konzentration im Bankwesen und der gewaltigen Zu¬
nahme der von den Banken verwalteten fremden Gelder sind, so liegt der
Gedanke nahe, die Stärkung der Barreserven der Neichsbcmk durch eine Heran¬
ziehung der Banken zu versuchen. In der Tat ist ein derartiger Vorschlag auch
bereits gemacht worden und zwar von dem Präsidenten der Preußischen Zentral-
genossenschaftskasse, Heiligenstadt. Dieser hat den Gedanken zuerst in einem
Aufsatz in Schmollers Jahrbüchern, sodann in der Bankenquetekommission ver¬
treten. Seine Ideen sind von anderer Seite befürwortet worden, haben in der
Kommission selbst aber nur Widerspruch erfahren.

Der Vorschlag Heiligenstadts geht dahin, jeden, der gewerbsmäßig fremde
Gelder annimmt oder verwaltet, um sie wieder auszuleihen, gesetzlich zu ver¬
pflichten, 1 bis 2 Prozent von dem jährlichen Durchschnittsbetrag dieser Gelder
bei der Reichsbank als eine Barreserve zu hinterlegen. Dieser Verpflichtung
sollen also nicht nur Banken, sondern auch Sparkassen und Genossenschaften
unterworfen sein.

Der grundlegende Gedanke ist der, die Betriebsmittel der Reichsbank zu
stärken; es werden daher weiter als parallele Maßnahmen zu gleichem Zweck
eine beträchtliche Verstärkung des eigenen Kapitals der Reichsbank und eine
allgemeine Erhöhung des Mindestguthabens im Giroverkehr empfohlen. Heiligen¬
stadt ist der Ansicht, daß in der deutschen Volkswirtschaft eine Vermehrung des
Anlagekapitals in übermäßiger, dagegen eine Vermehrung des Betriebskapitals
in ganz unzureichender Weise stattfinde. Den Grund dieser Erscheinung sieht
er in der Geschäftspolitik der Banken, welche die ihnen anvertrauten Summen,
durchweg "nationales Betriebskapital", in übermäßiger Weise fest investieren,
anstatt in der Anlageform dein Charakter eines jederzeit greifbaren Betriebs¬
kapitals Rechnung zu tragen. Den Beweis dafür findet er in der Tatsache,
daß in der Periode von 1896 bis 1905 die Banken nur 37 Prozent der ein-


Grenzboten IV 1911 33
Reichsbank und Geldumlauf

vermuten oder auf Grund der allgemeinen Wirtschaftslage als wahrscheinlich
voraussetzen; sicher ist sie dessen aber nicht, zumal die Noten nicht direkt, sondern
auf Umwegen an sie zurückströmen. Der endgiltige Rückfluß ist das Ergebnis
einer großen Anzahl von Kapitalsübertragungen und -Verschiebungen; an seiner
Größe läßt sich ermessen, ob per salto das ganze Kapital flüssig geblieben
ist oder zum Teil zu Anlage- und Betriebszwecken Verwendung gefunden hat.
Daher sehen wir denn auch, daß in Perioden starken Konjunktnraufschwunges,
die ein wachsendes Bedürfnis nach Betriebs- und Anlagekapital zeitigen, der
Rückfluß nach den starken Terminen sich immer schwächer gestaltet, so daß also
die dauernde Inanspruchnahme der Bank wächst. Es ist eben ein Teil des
ihr entzogenen Kapitals investiert worden.

Der Gedanke, die Dritteldeckung anzutasten, erscheint daher unannehmbar.


III.

Wenn man zu der Einsicht gelangt ist, daß die starken Quartalsansprllche
lediglich eine Folge der Konzentration im Bankwesen und der gewaltigen Zu¬
nahme der von den Banken verwalteten fremden Gelder sind, so liegt der
Gedanke nahe, die Stärkung der Barreserven der Neichsbcmk durch eine Heran¬
ziehung der Banken zu versuchen. In der Tat ist ein derartiger Vorschlag auch
bereits gemacht worden und zwar von dem Präsidenten der Preußischen Zentral-
genossenschaftskasse, Heiligenstadt. Dieser hat den Gedanken zuerst in einem
Aufsatz in Schmollers Jahrbüchern, sodann in der Bankenquetekommission ver¬
treten. Seine Ideen sind von anderer Seite befürwortet worden, haben in der
Kommission selbst aber nur Widerspruch erfahren.

Der Vorschlag Heiligenstadts geht dahin, jeden, der gewerbsmäßig fremde
Gelder annimmt oder verwaltet, um sie wieder auszuleihen, gesetzlich zu ver¬
pflichten, 1 bis 2 Prozent von dem jährlichen Durchschnittsbetrag dieser Gelder
bei der Reichsbank als eine Barreserve zu hinterlegen. Dieser Verpflichtung
sollen also nicht nur Banken, sondern auch Sparkassen und Genossenschaften
unterworfen sein.

Der grundlegende Gedanke ist der, die Betriebsmittel der Reichsbank zu
stärken; es werden daher weiter als parallele Maßnahmen zu gleichem Zweck
eine beträchtliche Verstärkung des eigenen Kapitals der Reichsbank und eine
allgemeine Erhöhung des Mindestguthabens im Giroverkehr empfohlen. Heiligen¬
stadt ist der Ansicht, daß in der deutschen Volkswirtschaft eine Vermehrung des
Anlagekapitals in übermäßiger, dagegen eine Vermehrung des Betriebskapitals
in ganz unzureichender Weise stattfinde. Den Grund dieser Erscheinung sieht
er in der Geschäftspolitik der Banken, welche die ihnen anvertrauten Summen,
durchweg „nationales Betriebskapital", in übermäßiger Weise fest investieren,
anstatt in der Anlageform dein Charakter eines jederzeit greifbaren Betriebs¬
kapitals Rechnung zu tragen. Den Beweis dafür findet er in der Tatsache,
daß in der Periode von 1896 bis 1905 die Banken nur 37 Prozent der ein-


Grenzboten IV 1911 33
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[0269] Reichsbank und Geldumlauf vermuten oder auf Grund der allgemeinen Wirtschaftslage als wahrscheinlich voraussetzen; sicher ist sie dessen aber nicht, zumal die Noten nicht direkt, sondern auf Umwegen an sie zurückströmen. Der endgiltige Rückfluß ist das Ergebnis einer großen Anzahl von Kapitalsübertragungen und -Verschiebungen; an seiner Größe läßt sich ermessen, ob per salto das ganze Kapital flüssig geblieben ist oder zum Teil zu Anlage- und Betriebszwecken Verwendung gefunden hat. Daher sehen wir denn auch, daß in Perioden starken Konjunktnraufschwunges, die ein wachsendes Bedürfnis nach Betriebs- und Anlagekapital zeitigen, der Rückfluß nach den starken Terminen sich immer schwächer gestaltet, so daß also die dauernde Inanspruchnahme der Bank wächst. Es ist eben ein Teil des ihr entzogenen Kapitals investiert worden. Der Gedanke, die Dritteldeckung anzutasten, erscheint daher unannehmbar. III. Wenn man zu der Einsicht gelangt ist, daß die starken Quartalsansprllche lediglich eine Folge der Konzentration im Bankwesen und der gewaltigen Zu¬ nahme der von den Banken verwalteten fremden Gelder sind, so liegt der Gedanke nahe, die Stärkung der Barreserven der Neichsbcmk durch eine Heran¬ ziehung der Banken zu versuchen. In der Tat ist ein derartiger Vorschlag auch bereits gemacht worden und zwar von dem Präsidenten der Preußischen Zentral- genossenschaftskasse, Heiligenstadt. Dieser hat den Gedanken zuerst in einem Aufsatz in Schmollers Jahrbüchern, sodann in der Bankenquetekommission ver¬ treten. Seine Ideen sind von anderer Seite befürwortet worden, haben in der Kommission selbst aber nur Widerspruch erfahren. Der Vorschlag Heiligenstadts geht dahin, jeden, der gewerbsmäßig fremde Gelder annimmt oder verwaltet, um sie wieder auszuleihen, gesetzlich zu ver¬ pflichten, 1 bis 2 Prozent von dem jährlichen Durchschnittsbetrag dieser Gelder bei der Reichsbank als eine Barreserve zu hinterlegen. Dieser Verpflichtung sollen also nicht nur Banken, sondern auch Sparkassen und Genossenschaften unterworfen sein. Der grundlegende Gedanke ist der, die Betriebsmittel der Reichsbank zu stärken; es werden daher weiter als parallele Maßnahmen zu gleichem Zweck eine beträchtliche Verstärkung des eigenen Kapitals der Reichsbank und eine allgemeine Erhöhung des Mindestguthabens im Giroverkehr empfohlen. Heiligen¬ stadt ist der Ansicht, daß in der deutschen Volkswirtschaft eine Vermehrung des Anlagekapitals in übermäßiger, dagegen eine Vermehrung des Betriebskapitals in ganz unzureichender Weise stattfinde. Den Grund dieser Erscheinung sieht er in der Geschäftspolitik der Banken, welche die ihnen anvertrauten Summen, durchweg „nationales Betriebskapital", in übermäßiger Weise fest investieren, anstatt in der Anlageform dein Charakter eines jederzeit greifbaren Betriebs¬ kapitals Rechnung zu tragen. Den Beweis dafür findet er in der Tatsache, daß in der Periode von 1896 bis 1905 die Banken nur 37 Prozent der ein- Grenzboten IV 1911 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/269>, abgerufen am 06.05.2024.