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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Schicksalsiragödie. Übrigens versöhnt Wethlys
Schrift in c>> durch eine vorzügliche Analyse
der Penthesileia und eine etwas primitive,
in ihrer Art aber klare "Betrachtung über das
dichterische Schaffen/' Das umfangreichste Werk
liegt in Meyer-Benfeys Buch "Das Drama
Heinrich v. Kleists" (1. Band, Göttingen, Otto
Hapke, 1911) vor. Der Verfasser will, was noch
nicht genügend geschehen sei, "das Verständnis
der Dichtungen als Kunstwerke nach Inhalt und
Form" kennen lehren. Das grundgelehrte,
nur etwas weitschweifige Buch kann nicht mit
ein paar Worten erledigt werden. Mit ein¬
zelnen herausgegriffenen Urteilen würde man
dem Verfasser Unrecht tun. Nur dies eine:
Mit aller Entschiedenheit betont Meyer-Benfey,
daß Kleist als Künstler alle deutschen Dichter
überragt, Hat man bei Meder- Benfey mehr
den Eindruck einer verstandesmäßig überzeugten
Begeisterung für den Dichter, so fühlt man
bei der Lektüre der Neubearbeitung von Otto
Brechens Kleistbiographie (4. Auflage, Berlin,
Egon Ueischel u. Co., 1911) in jedem Satze
dem nachempfindenden Künstler, der intuitio
durch den dichten Schleier um Kleists Seele
hindurchblicken durfte. Seit mehr als fünf¬
undzwanzig Jahren besitzen wir Brechens herr¬
liches Buch, die Arbeit eines begeisterten,
schon männliche Kraft bändigenden Jünglings;
und nun hat ihm ein guter Geist die Kraft
verliehen, den eigenen Jugendschwung zu
übertreffen mit einer Leistung, die auch jetzt
wieder, wie einst bei ihrem ersten Erscheinen,
in der vordersten Reihe steht. Was sind
die kunstvollsten Romane gegen eine solche
Schilderung eines Menschenschicksals I

Erst in den letzten Tagen ist das Buch
erschienen, das vorläufig den Höhepunkt der
Kleistforschung darstellt: Wilhelm Herzog,
Heinrich von Kleist (München, Beck, 1911.
M. 7.S0). Von allen andern Biographien
unterscheidet sich Herzogs Buch durch die
Gründlichkeit, mit der hier der Dichter in
seine Zeit hineingestellt wird. Wie Wir uns
aus den Anmerkungen und der zum ersten
Mal in einiger Ausführlichkeit gebrachten
Biographie überzeugen, steht der Verfasser
auf sicherer Höhe deS Forschers und Weiß
das wissenschaftliche Rüstzeug zu führen, wie
einer; aber in der Darstellung drängt sich
nirgends der Gelehrte hervor. In Herzog


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glüht die siegesbewußte Brust, seinen Leser zu
überzeugen; er setzt seine Ansicht mit Leiden¬
chaft auseinander, seine Begeisterung verleiht
hm einen Reichtum um Worten und Begriffen,
den wir mit Erstaunen genießen. Seine
Charakterisierung des Kleistschen Wesens, die
Gegenüberstellung Kleistscher und Schillerscher
Dichtung sind Bereicherungen unseres Wissens
von der Poesie. Und auch, was Herzog der
Vorarbeit anderer verdankt, wird in ihm neu
lebendig. Das tiefe Gefühl für die erschütternde
Tragik in Kleists Schicksal durchzittert das
Buch von der ersten Seite bis zur letzten.
Hebbels Verse bilden daS Grundmotiv, daS
der Verfasser in der dithyrambischen Einleitung
anschlägt; sie klingen untertänig durch das
ganze Buch und werden im Ausklang wieder
zur beherrschenden Melodie.

Er war ein Dichter und ein Mann wie einer,
Er brauchte selbst den Höchsten nicht zu weichen,
An Kraft find wenige ihm zu vergleichen,
An unerhörtem Unglück, glaub ich, keiner.

Fritz Tychoro
Tagesfragen

Verstaatlichung derSchiffahrt. DasSchiff-
ahrts - Abgabengesetz wird von verschiedenen
Seiten heftig bekämpft, obwohl es zweifellos
inen großen Nutzen haben wird, da dadurch
rst die Möglichkeit geboten wird, ohne die
Steuerschraube anziehen zu müssen, große
Stromgebiete der Schiffahrt zugänglich zu
machen. Sollte man zu diesen? Ziele aber nicht
besser auf anderem Wege gelangen können?
Die Eisenbahnen hat man verstaatlicht. Will
emand behaupten, daß das dem Staat, der
Allgemeinheit geschadet hat? Warum nicht auch
die Schiffahrt verstaatlichen? Verteuert würde
dadurch der Verkehr sicher nicht, in? Gegenteil,
r würde verbilligt werden können, und trotz¬
dem würden ganz gewaltige Summen ein¬
ehen, die zum weiteren Ausbau der Ströme
erwendet werden könnten, bis dann, wie bei
en Eisenbahnen, auch noch ein Überschuß für
en Staatssäckel erzielt werden würde. Bei den
Eisenbahnen hat man seinerzeit die schwierige
Aufgabe gelöst. Sollte es bei der Schiffahrt
icht auch gelingen? DaS Reich müßte die
Verstaatlichung durchführen. Reichsschiffahrt,
as ist das größte Ziel, das wir auf verkehrs¬
Alb. olitischen? Gebiete augenblicklich haben.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Schicksalsiragödie. Übrigens versöhnt Wethlys
Schrift in c>> durch eine vorzügliche Analyse
der Penthesileia und eine etwas primitive,
in ihrer Art aber klare „Betrachtung über das
dichterische Schaffen/' Das umfangreichste Werk
liegt in Meyer-Benfeys Buch „Das Drama
Heinrich v. Kleists" (1. Band, Göttingen, Otto
Hapke, 1911) vor. Der Verfasser will, was noch
nicht genügend geschehen sei, „das Verständnis
der Dichtungen als Kunstwerke nach Inhalt und
Form" kennen lehren. Das grundgelehrte,
nur etwas weitschweifige Buch kann nicht mit
ein paar Worten erledigt werden. Mit ein¬
zelnen herausgegriffenen Urteilen würde man
dem Verfasser Unrecht tun. Nur dies eine:
Mit aller Entschiedenheit betont Meyer-Benfey,
daß Kleist als Künstler alle deutschen Dichter
überragt, Hat man bei Meder- Benfey mehr
den Eindruck einer verstandesmäßig überzeugten
Begeisterung für den Dichter, so fühlt man
bei der Lektüre der Neubearbeitung von Otto
Brechens Kleistbiographie (4. Auflage, Berlin,
Egon Ueischel u. Co., 1911) in jedem Satze
dem nachempfindenden Künstler, der intuitio
durch den dichten Schleier um Kleists Seele
hindurchblicken durfte. Seit mehr als fünf¬
undzwanzig Jahren besitzen wir Brechens herr¬
liches Buch, die Arbeit eines begeisterten,
schon männliche Kraft bändigenden Jünglings;
und nun hat ihm ein guter Geist die Kraft
verliehen, den eigenen Jugendschwung zu
übertreffen mit einer Leistung, die auch jetzt
wieder, wie einst bei ihrem ersten Erscheinen,
in der vordersten Reihe steht. Was sind
die kunstvollsten Romane gegen eine solche
Schilderung eines Menschenschicksals I

Erst in den letzten Tagen ist das Buch
erschienen, das vorläufig den Höhepunkt der
Kleistforschung darstellt: Wilhelm Herzog,
Heinrich von Kleist (München, Beck, 1911.
M. 7.S0). Von allen andern Biographien
unterscheidet sich Herzogs Buch durch die
Gründlichkeit, mit der hier der Dichter in
seine Zeit hineingestellt wird. Wie Wir uns
aus den Anmerkungen und der zum ersten
Mal in einiger Ausführlichkeit gebrachten
Biographie überzeugen, steht der Verfasser
auf sicherer Höhe deS Forschers und Weiß
das wissenschaftliche Rüstzeug zu führen, wie
einer; aber in der Darstellung drängt sich
nirgends der Gelehrte hervor. In Herzog


[Spaltenumbruch]

glüht die siegesbewußte Brust, seinen Leser zu
überzeugen; er setzt seine Ansicht mit Leiden¬
chaft auseinander, seine Begeisterung verleiht
hm einen Reichtum um Worten und Begriffen,
den wir mit Erstaunen genießen. Seine
Charakterisierung des Kleistschen Wesens, die
Gegenüberstellung Kleistscher und Schillerscher
Dichtung sind Bereicherungen unseres Wissens
von der Poesie. Und auch, was Herzog der
Vorarbeit anderer verdankt, wird in ihm neu
lebendig. Das tiefe Gefühl für die erschütternde
Tragik in Kleists Schicksal durchzittert das
Buch von der ersten Seite bis zur letzten.
Hebbels Verse bilden daS Grundmotiv, daS
der Verfasser in der dithyrambischen Einleitung
anschlägt; sie klingen untertänig durch das
ganze Buch und werden im Ausklang wieder
zur beherrschenden Melodie.

Er war ein Dichter und ein Mann wie einer,
Er brauchte selbst den Höchsten nicht zu weichen,
An Kraft find wenige ihm zu vergleichen,
An unerhörtem Unglück, glaub ich, keiner.

Fritz Tychoro
Tagesfragen

Verstaatlichung derSchiffahrt. DasSchiff-
ahrts - Abgabengesetz wird von verschiedenen
Seiten heftig bekämpft, obwohl es zweifellos
inen großen Nutzen haben wird, da dadurch
rst die Möglichkeit geboten wird, ohne die
Steuerschraube anziehen zu müssen, große
Stromgebiete der Schiffahrt zugänglich zu
machen. Sollte man zu diesen? Ziele aber nicht
besser auf anderem Wege gelangen können?
Die Eisenbahnen hat man verstaatlicht. Will
emand behaupten, daß das dem Staat, der
Allgemeinheit geschadet hat? Warum nicht auch
die Schiffahrt verstaatlichen? Verteuert würde
dadurch der Verkehr sicher nicht, in? Gegenteil,
r würde verbilligt werden können, und trotz¬
dem würden ganz gewaltige Summen ein¬
ehen, die zum weiteren Ausbau der Ströme
erwendet werden könnten, bis dann, wie bei
en Eisenbahnen, auch noch ein Überschuß für
en Staatssäckel erzielt werden würde. Bei den
Eisenbahnen hat man seinerzeit die schwierige
Aufgabe gelöst. Sollte es bei der Schiffahrt
icht auch gelingen? DaS Reich müßte die
Verstaatlichung durchführen. Reichsschiffahrt,
as ist das größte Ziel, das wir auf verkehrs¬
Alb. olitischen? Gebiete augenblicklich haben.

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[0523] Maßgebliches und Unmaßgebliches Schicksalsiragödie. Übrigens versöhnt Wethlys Schrift in c>> durch eine vorzügliche Analyse der Penthesileia und eine etwas primitive, in ihrer Art aber klare „Betrachtung über das dichterische Schaffen/' Das umfangreichste Werk liegt in Meyer-Benfeys Buch „Das Drama Heinrich v. Kleists" (1. Band, Göttingen, Otto Hapke, 1911) vor. Der Verfasser will, was noch nicht genügend geschehen sei, „das Verständnis der Dichtungen als Kunstwerke nach Inhalt und Form" kennen lehren. Das grundgelehrte, nur etwas weitschweifige Buch kann nicht mit ein paar Worten erledigt werden. Mit ein¬ zelnen herausgegriffenen Urteilen würde man dem Verfasser Unrecht tun. Nur dies eine: Mit aller Entschiedenheit betont Meyer-Benfey, daß Kleist als Künstler alle deutschen Dichter überragt, Hat man bei Meder- Benfey mehr den Eindruck einer verstandesmäßig überzeugten Begeisterung für den Dichter, so fühlt man bei der Lektüre der Neubearbeitung von Otto Brechens Kleistbiographie (4. Auflage, Berlin, Egon Ueischel u. Co., 1911) in jedem Satze dem nachempfindenden Künstler, der intuitio durch den dichten Schleier um Kleists Seele hindurchblicken durfte. Seit mehr als fünf¬ undzwanzig Jahren besitzen wir Brechens herr¬ liches Buch, die Arbeit eines begeisterten, schon männliche Kraft bändigenden Jünglings; und nun hat ihm ein guter Geist die Kraft verliehen, den eigenen Jugendschwung zu übertreffen mit einer Leistung, die auch jetzt wieder, wie einst bei ihrem ersten Erscheinen, in der vordersten Reihe steht. Was sind die kunstvollsten Romane gegen eine solche Schilderung eines Menschenschicksals I Erst in den letzten Tagen ist das Buch erschienen, das vorläufig den Höhepunkt der Kleistforschung darstellt: Wilhelm Herzog, Heinrich von Kleist (München, Beck, 1911. M. 7.S0). Von allen andern Biographien unterscheidet sich Herzogs Buch durch die Gründlichkeit, mit der hier der Dichter in seine Zeit hineingestellt wird. Wie Wir uns aus den Anmerkungen und der zum ersten Mal in einiger Ausführlichkeit gebrachten Biographie überzeugen, steht der Verfasser auf sicherer Höhe deS Forschers und Weiß das wissenschaftliche Rüstzeug zu führen, wie einer; aber in der Darstellung drängt sich nirgends der Gelehrte hervor. In Herzog glüht die siegesbewußte Brust, seinen Leser zu überzeugen; er setzt seine Ansicht mit Leiden¬ chaft auseinander, seine Begeisterung verleiht hm einen Reichtum um Worten und Begriffen, den wir mit Erstaunen genießen. Seine Charakterisierung des Kleistschen Wesens, die Gegenüberstellung Kleistscher und Schillerscher Dichtung sind Bereicherungen unseres Wissens von der Poesie. Und auch, was Herzog der Vorarbeit anderer verdankt, wird in ihm neu lebendig. Das tiefe Gefühl für die erschütternde Tragik in Kleists Schicksal durchzittert das Buch von der ersten Seite bis zur letzten. Hebbels Verse bilden daS Grundmotiv, daS der Verfasser in der dithyrambischen Einleitung anschlägt; sie klingen untertänig durch das ganze Buch und werden im Ausklang wieder zur beherrschenden Melodie. Er war ein Dichter und ein Mann wie einer, Er brauchte selbst den Höchsten nicht zu weichen, An Kraft find wenige ihm zu vergleichen, An unerhörtem Unglück, glaub ich, keiner. Fritz Tychoro Tagesfragen Verstaatlichung derSchiffahrt. DasSchiff- ahrts - Abgabengesetz wird von verschiedenen Seiten heftig bekämpft, obwohl es zweifellos inen großen Nutzen haben wird, da dadurch rst die Möglichkeit geboten wird, ohne die Steuerschraube anziehen zu müssen, große Stromgebiete der Schiffahrt zugänglich zu machen. Sollte man zu diesen? Ziele aber nicht besser auf anderem Wege gelangen können? Die Eisenbahnen hat man verstaatlicht. Will emand behaupten, daß das dem Staat, der Allgemeinheit geschadet hat? Warum nicht auch die Schiffahrt verstaatlichen? Verteuert würde dadurch der Verkehr sicher nicht, in? Gegenteil, r würde verbilligt werden können, und trotz¬ dem würden ganz gewaltige Summen ein¬ ehen, die zum weiteren Ausbau der Ströme erwendet werden könnten, bis dann, wie bei en Eisenbahnen, auch noch ein Überschuß für en Staatssäckel erzielt werden würde. Bei den Eisenbahnen hat man seinerzeit die schwierige Aufgabe gelöst. Sollte es bei der Schiffahrt icht auch gelingen? DaS Reich müßte die Verstaatlichung durchführen. Reichsschiffahrt, as ist das größte Ziel, das wir auf verkehrs¬ Alb. olitischen? Gebiete augenblicklich haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/523>, abgerufen am 05.05.2024.