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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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inneren Markt gesund zu erhalten, nicht aber die Landwirtschaft zu bekämpfen.
Da es aber Kar ist, daß in einem Lande, in dem etwa 27 Prozent der
Bevölkerung im landwirtschaftlichen Gewerbe seinen Hauptverdienst findet, die
Landwirtschaft kaufkräftig erhalten werden muß, damit Handel und Industrie
bestehen können, dürfte auch der Hansabund kaum die Hand zur wirtschaftlichen
Schwächung der Landwirte bieten. Kaufkräftig können sie aber nur sein,
wenn das Gros der Landwirtschaft mit den Erzeugern auf den: Weltmarkt
k G. Li, onkurrieren kann.


"Marokko vor Gericht"

Notwendigkeit der Klage -- Das Gerichtsurteil (§ 103) -- Die Taktik meiner Gegner --
Die Behauptungen der Täglichen Rundschau -- Der Charakter der Grenzboten -- Der
Zeuge meiner Gegner -- Dr. Luffts Dementi -- Das Gebahren der Pvstrednktion --
Mein Stiinmuugsvild vom 20. August 1911 -- Das Stenogramm als Zeuge

Unter der Spitzmarke "Marokko vor Gericht" ivird in der Presse über
eine Schöffengerichtsverhandlung berichtet, die am 3. Januar in Berlin meine
Privatbeleidigungsklage gegen den verantwortlichen Redakteur der Post, Herrn
Müller, zum Gegenstand hatte.

Ich hatte mich seinerzeit nur ungern zur Klage entschlossen, mußte
sie aber erheben, da die in Frage kommenden Blätter: Rheinisch-Westfälische
Zeitung, Tägliche Rundschau und Post eine Haltung gegen mich annahmen, die
geeignet schien, meine Stellung sowohl gesellschaftlich wie als Herausgeber einer
der angesehensten Zeitschriften zu untergraben, wenn nicht zu vernichten. Die
Gegner haben mir Charakterlosigkeit, Leichtfertigkeit und noch manches andere
vorgeworfen, was so etwa das schlimmste ist, das einem an verantwortlicher
Stelle stehenden Publizisten nachgesagt werden kann. Die Blätter haben, auch
während das Verfahren schwebte, nicht aufgehört, mich zu schmähen. So war
ich denn die Klage nicht nur mir selbst, sondern auch meinen Lesern schuldig.

Die Gerichte haben bezüglich der Täglichen Rundschau und neuerdings
auch der Post dahin entschieden, daß den von mir angegriffenen Blättern
der Schutz des H 193 (Wahrung berechtigter Interessen) zuzubilligen sei, weil
aus meinen Worten "Es wird wohl demnächst an der Zeit sein, die Fäden
bloßzulegen, die die genannten drei Blätter mit den Herren Mannesmann ver¬
knüpfen" der Vorwurf der Bestechlichkeit hergeleitet werden "könnte". Meine
Versuche, darzutun, daß in einem politischen Organ doch wohl in erster Linie
an politische Fäden zu denken sei, und daß meine ganze Denkweise und Auf¬
fassung vom journalistischen Beruf es ausschlossen, ich hätte auch nur einen
Augenblick an die Möglichkeit einer materiellen Verbindung, also einer Bestechung
gedacht, ist mir vereitelt worden, indem auch gegenüber der Täglichen Rundschau
in die Beweisaufnahme gar nicht eingetreten wurde. Ich möchte darum an
dieser Stelle ausdrücklich und wiederholt betonen, daß es mir fern lag, irgend
eines der Blätter der Bestechlichkeit zu zeihen, und daß auch solches aus dem


Grenzboten I 1912 ^

inneren Markt gesund zu erhalten, nicht aber die Landwirtschaft zu bekämpfen.
Da es aber Kar ist, daß in einem Lande, in dem etwa 27 Prozent der
Bevölkerung im landwirtschaftlichen Gewerbe seinen Hauptverdienst findet, die
Landwirtschaft kaufkräftig erhalten werden muß, damit Handel und Industrie
bestehen können, dürfte auch der Hansabund kaum die Hand zur wirtschaftlichen
Schwächung der Landwirte bieten. Kaufkräftig können sie aber nur sein,
wenn das Gros der Landwirtschaft mit den Erzeugern auf den: Weltmarkt
k G. Li, onkurrieren kann.


„Marokko vor Gericht"

Notwendigkeit der Klage — Das Gerichtsurteil (§ 103) — Die Taktik meiner Gegner —
Die Behauptungen der Täglichen Rundschau — Der Charakter der Grenzboten — Der
Zeuge meiner Gegner — Dr. Luffts Dementi — Das Gebahren der Pvstrednktion —
Mein Stiinmuugsvild vom 20. August 1911 -- Das Stenogramm als Zeuge

Unter der Spitzmarke „Marokko vor Gericht" ivird in der Presse über
eine Schöffengerichtsverhandlung berichtet, die am 3. Januar in Berlin meine
Privatbeleidigungsklage gegen den verantwortlichen Redakteur der Post, Herrn
Müller, zum Gegenstand hatte.

Ich hatte mich seinerzeit nur ungern zur Klage entschlossen, mußte
sie aber erheben, da die in Frage kommenden Blätter: Rheinisch-Westfälische
Zeitung, Tägliche Rundschau und Post eine Haltung gegen mich annahmen, die
geeignet schien, meine Stellung sowohl gesellschaftlich wie als Herausgeber einer
der angesehensten Zeitschriften zu untergraben, wenn nicht zu vernichten. Die
Gegner haben mir Charakterlosigkeit, Leichtfertigkeit und noch manches andere
vorgeworfen, was so etwa das schlimmste ist, das einem an verantwortlicher
Stelle stehenden Publizisten nachgesagt werden kann. Die Blätter haben, auch
während das Verfahren schwebte, nicht aufgehört, mich zu schmähen. So war
ich denn die Klage nicht nur mir selbst, sondern auch meinen Lesern schuldig.

Die Gerichte haben bezüglich der Täglichen Rundschau und neuerdings
auch der Post dahin entschieden, daß den von mir angegriffenen Blättern
der Schutz des H 193 (Wahrung berechtigter Interessen) zuzubilligen sei, weil
aus meinen Worten „Es wird wohl demnächst an der Zeit sein, die Fäden
bloßzulegen, die die genannten drei Blätter mit den Herren Mannesmann ver¬
knüpfen" der Vorwurf der Bestechlichkeit hergeleitet werden „könnte". Meine
Versuche, darzutun, daß in einem politischen Organ doch wohl in erster Linie
an politische Fäden zu denken sei, und daß meine ganze Denkweise und Auf¬
fassung vom journalistischen Beruf es ausschlossen, ich hätte auch nur einen
Augenblick an die Möglichkeit einer materiellen Verbindung, also einer Bestechung
gedacht, ist mir vereitelt worden, indem auch gegenüber der Täglichen Rundschau
in die Beweisaufnahme gar nicht eingetreten wurde. Ich möchte darum an
dieser Stelle ausdrücklich und wiederholt betonen, daß es mir fern lag, irgend
eines der Blätter der Bestechlichkeit zu zeihen, und daß auch solches aus dem


Grenzboten I 1912 ^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/101>, abgerufen am 29.04.2024.