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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Schutz der deutschen Rüste

Schlaf, wo der Schwache hinter eiserner Pforte zittert. Nachdem in den letzten
Wochen die Wogen der Erregung so hoch gegangen sind, erscheint ein klärendes
Wort am Platze. Ein kurzer Blick auf unsere Küsten soll zeigen, ob sie genügend
geschützt sind.

Die Ostsee.

Die Bedeutung der unsere Küsten umspülenden Meere hat in der Geschichte
oft geschwankt. Jahrhundertelang haben Schweden und Dänemark, gelegentlich
auch Rußland, um das äominium mari8 baltici gerungen. Seit Aufhebung
des Sundzolls im Jahre 1857 galt die Ostsee allgemein als offenes Meer.
Völkerrechtlich wird ihr auch in Zukunft dieser Zustand nicht abgesprochen
werden können. Wohl aber mag die immer weiter fortschreitende Vervoll¬
kommnung der Mittel des Kleinkrieges es mit sich bringen, daß die Ostsee,
rein militärisch betrachtet, einem Nichtanwohner gegenüber allmählich den
Charakter eines rare elausum annehmen wird. Die navigatorische Schwierig¬
keit der Beltpassage sowie die leichte Möglichkeit, Sund und Belte durch Minen
zu sperren, durch Torpedoboote und Unterseeboote zu bewachen, geben der Ostsee
einen beträchtlichen Schutz vor einem westlichen Gegner. Wenn man trotzdem
nicht unterlassen hat, den alten Kieler Befestigungen auch moderne hinzuzufügen,
die dem Angriff einer starken Flotte mit Erfolg Widerstand leisten können, so
entspricht dies der Bedeutung des Ortes als Ausrüstungsplatz und Liegehafen.
Im übrigen bürgt die verhältnismäßige enge Einfahrt zum Kieler Hafen, bürgen
nach Osten die DeMes bei Fehmarn und Adler-Grund, nach Norden die in
den Belten und im Sund für eine genügende Sicherheit dieses schnell empor-
geblühten Kriegshafens, der durch die Anwesenheit dreier großer Schiffsbau¬
werften noch besondere Bedeutung erhält. Die wichtigen Ostseehandelsplätze
Stettin, Danzig, Königsberg sind durch ältere Werke und ihre Unterwasser¬
verteidigung gegen handstreichartige Unternehmungen hinreichend geschützt. Für
unseren Seehandel wird die Ostsee mit Hilfe Neutraler im Kriege eine nicht
unbedeutende Rolle spielen. Ihr Wert wird wachsen, und es wird vielleicht
die Zeit kommen, wo man dem Ostseeküstenschutz erhöhte Aufmerksamkeit wird
zuwenden müssen, wenn z. B. Rußland den Wunsch, sich eine neue Seemacht
zu schaffen, einmal wird in die Tat umgesetzt haben, falls nicht die zu erwartende
Konsolidierung der Ostseemächte eintreten sollte.


Der Kanal.

Die verschiedentlich geäußerte Befürchtung, die deutsche Marine sei nicht
schlagfertig, ehe der Erweiterungsbau des Kaiser-Wilhelm-Kanals beendet sei,
entspricht nicht den Tatsachen. Der Kanal ist sür alle Schiffe der Hochseeflotte,
mit Ausnahme der Linienschiffe der Nassau- und Ostfriesland-Klasse sowie der
Panzerkreuzer "Moltke" und "Von der Tann" jederzeit befahrbar. Die zurzeit
noch nicht beendete Verbreiterung des Kanals, die mit Rücksicht auf die wachsende
Größe der Handels- und Kriegsflotte unabweisbar war, und die die Hilfsmittel des


Der Schutz der deutschen Rüste

Schlaf, wo der Schwache hinter eiserner Pforte zittert. Nachdem in den letzten
Wochen die Wogen der Erregung so hoch gegangen sind, erscheint ein klärendes
Wort am Platze. Ein kurzer Blick auf unsere Küsten soll zeigen, ob sie genügend
geschützt sind.

Die Ostsee.

Die Bedeutung der unsere Küsten umspülenden Meere hat in der Geschichte
oft geschwankt. Jahrhundertelang haben Schweden und Dänemark, gelegentlich
auch Rußland, um das äominium mari8 baltici gerungen. Seit Aufhebung
des Sundzolls im Jahre 1857 galt die Ostsee allgemein als offenes Meer.
Völkerrechtlich wird ihr auch in Zukunft dieser Zustand nicht abgesprochen
werden können. Wohl aber mag die immer weiter fortschreitende Vervoll¬
kommnung der Mittel des Kleinkrieges es mit sich bringen, daß die Ostsee,
rein militärisch betrachtet, einem Nichtanwohner gegenüber allmählich den
Charakter eines rare elausum annehmen wird. Die navigatorische Schwierig¬
keit der Beltpassage sowie die leichte Möglichkeit, Sund und Belte durch Minen
zu sperren, durch Torpedoboote und Unterseeboote zu bewachen, geben der Ostsee
einen beträchtlichen Schutz vor einem westlichen Gegner. Wenn man trotzdem
nicht unterlassen hat, den alten Kieler Befestigungen auch moderne hinzuzufügen,
die dem Angriff einer starken Flotte mit Erfolg Widerstand leisten können, so
entspricht dies der Bedeutung des Ortes als Ausrüstungsplatz und Liegehafen.
Im übrigen bürgt die verhältnismäßige enge Einfahrt zum Kieler Hafen, bürgen
nach Osten die DeMes bei Fehmarn und Adler-Grund, nach Norden die in
den Belten und im Sund für eine genügende Sicherheit dieses schnell empor-
geblühten Kriegshafens, der durch die Anwesenheit dreier großer Schiffsbau¬
werften noch besondere Bedeutung erhält. Die wichtigen Ostseehandelsplätze
Stettin, Danzig, Königsberg sind durch ältere Werke und ihre Unterwasser¬
verteidigung gegen handstreichartige Unternehmungen hinreichend geschützt. Für
unseren Seehandel wird die Ostsee mit Hilfe Neutraler im Kriege eine nicht
unbedeutende Rolle spielen. Ihr Wert wird wachsen, und es wird vielleicht
die Zeit kommen, wo man dem Ostseeküstenschutz erhöhte Aufmerksamkeit wird
zuwenden müssen, wenn z. B. Rußland den Wunsch, sich eine neue Seemacht
zu schaffen, einmal wird in die Tat umgesetzt haben, falls nicht die zu erwartende
Konsolidierung der Ostseemächte eintreten sollte.


Der Kanal.

Die verschiedentlich geäußerte Befürchtung, die deutsche Marine sei nicht
schlagfertig, ehe der Erweiterungsbau des Kaiser-Wilhelm-Kanals beendet sei,
entspricht nicht den Tatsachen. Der Kanal ist sür alle Schiffe der Hochseeflotte,
mit Ausnahme der Linienschiffe der Nassau- und Ostfriesland-Klasse sowie der
Panzerkreuzer „Moltke" und „Von der Tann" jederzeit befahrbar. Die zurzeit
noch nicht beendete Verbreiterung des Kanals, die mit Rücksicht auf die wachsende
Größe der Handels- und Kriegsflotte unabweisbar war, und die die Hilfsmittel des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/114>, abgerufen am 29.04.2024.