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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Schutz der deutschen Rüste

Kieler Kriegshafens an den Kampfplatz in der Nordsee anschließen soll, ist
somit, seit das erste Geschwader dauernd in der Nordsee stationiert ist, für eine
eventuelle deutsche Kriegführung nicht von der militärischen Bedeutung, die ihr
gelegentlich beigelegt ist.

Durch entsprechende Dispositionen kann dieser vorübergehende Nachteil
kompensiert werden. Dies um so mehr, als in Jade, Weser und Elbe aus¬
reichend große Docks vorhanden sind, um etwa havarierte Schiffe auch der
Nassau- und Ostfriesland-Klasse aufzunehmen.


Die Nordsee.

In seinem Buche "Politik und Seekrieg" meint der Verfasser Linienschiffs¬
kapitän v. Lahr6s, künftige maritime Operationen gegen Deutschland würden
sich in der Ostsee abspielen; denn die sandige Flachküste der Nordsee sei, soweit
sie deutsches Gebiet wäre, unangreifbar. Die deutschen Flußmündungen fänden
durch die vorgelagerten ostfriesischen Inseln und durch weit in See reichende
Dünen und Bänke einen vorzüglichen, natürlichen, durch starke Befestigungen
ergänzten Schutz. Deutschland verfüge auf diese Weise über eine Reihe geradezu
unangreifbarer Ausfalltore, wie die Ems, den Jadebusen mit Wilhelmshaven
und die Mündungen der Weser und Elbe, während das gleichzeitig stark
befestigte Helgoland als vorgeschobener Posten, als Signalstation und als Auf¬
nahmehafen für Torpedobootsflottillen zu betrachten sei. Diese vorzüglich
gesicherte Küste fände nach Norden ihre Fortsetzung in der flachen Küste
Schleswig-Holsteins, der die vorgelagerten nordfriesischen Inseln und zahlreiche
sonstige Schiffahrtshindernisse einen ausreichenden Schutz verliehen. Soweit
der österreichische Seeoffizier. -- Man würde dem, was er über die "Selbst¬
verteidigung" der deutschen Nordseeküsten sagt, zustimmen können. Man wird
sich aber darüber klar werden müssen, daß nicht nur der Schutz der Küste selbst,
die Landungsfreiheit, Aufgabe der deutschen Wehrmacht zur See ist, sondern
daß die Herstellung der Vlockadefreiheit, der ungehinderte Zugang zu den
Zentralstellen des Handels auch im Kriege, und gerade im Kriege, Zweck und
Ziel der deutschen Seerüstung sein muß. Diese beiden Punkte sollen im
folgenden nacheinander behandelt werden.

Angriffsobjekt kann sein die Elbe mit Hamburg und dem westlichen Kanal¬
eingang bei Brunsbüttel, die Weser mit Bremen, die Jade mit Wilhelmshaven,
die Ems mit Emden, endlich Helgoland und die friesischen Inseln.

Wer einmal mit der "Cobra" von Cuxhaven nach Helgoland gefahren ist,
dem werden die an verschiedenen Stellen bald hoch, bald nur noch ganz
wenig aus dem Wasser herausragenden Masten untergegangener Schiffe nicht
entgangen sein, die zu beiden Seiten der durch das gelbe Wasser der Elbe sich
zickzackartig hindurchschlängclnden, schmalen Fahrwasserrinne zu sehen sind. Sie
alle trieb der in der Elbe bis zu drei Sekundennietern in der Stunde in ver¬
schiedener Richtung Setzende starke Strom; die häufig dort stehende schwere


Der Schutz der deutschen Rüste

Kieler Kriegshafens an den Kampfplatz in der Nordsee anschließen soll, ist
somit, seit das erste Geschwader dauernd in der Nordsee stationiert ist, für eine
eventuelle deutsche Kriegführung nicht von der militärischen Bedeutung, die ihr
gelegentlich beigelegt ist.

Durch entsprechende Dispositionen kann dieser vorübergehende Nachteil
kompensiert werden. Dies um so mehr, als in Jade, Weser und Elbe aus¬
reichend große Docks vorhanden sind, um etwa havarierte Schiffe auch der
Nassau- und Ostfriesland-Klasse aufzunehmen.


Die Nordsee.

In seinem Buche „Politik und Seekrieg" meint der Verfasser Linienschiffs¬
kapitän v. Lahr6s, künftige maritime Operationen gegen Deutschland würden
sich in der Ostsee abspielen; denn die sandige Flachküste der Nordsee sei, soweit
sie deutsches Gebiet wäre, unangreifbar. Die deutschen Flußmündungen fänden
durch die vorgelagerten ostfriesischen Inseln und durch weit in See reichende
Dünen und Bänke einen vorzüglichen, natürlichen, durch starke Befestigungen
ergänzten Schutz. Deutschland verfüge auf diese Weise über eine Reihe geradezu
unangreifbarer Ausfalltore, wie die Ems, den Jadebusen mit Wilhelmshaven
und die Mündungen der Weser und Elbe, während das gleichzeitig stark
befestigte Helgoland als vorgeschobener Posten, als Signalstation und als Auf¬
nahmehafen für Torpedobootsflottillen zu betrachten sei. Diese vorzüglich
gesicherte Küste fände nach Norden ihre Fortsetzung in der flachen Küste
Schleswig-Holsteins, der die vorgelagerten nordfriesischen Inseln und zahlreiche
sonstige Schiffahrtshindernisse einen ausreichenden Schutz verliehen. Soweit
der österreichische Seeoffizier. — Man würde dem, was er über die „Selbst¬
verteidigung" der deutschen Nordseeküsten sagt, zustimmen können. Man wird
sich aber darüber klar werden müssen, daß nicht nur der Schutz der Küste selbst,
die Landungsfreiheit, Aufgabe der deutschen Wehrmacht zur See ist, sondern
daß die Herstellung der Vlockadefreiheit, der ungehinderte Zugang zu den
Zentralstellen des Handels auch im Kriege, und gerade im Kriege, Zweck und
Ziel der deutschen Seerüstung sein muß. Diese beiden Punkte sollen im
folgenden nacheinander behandelt werden.

Angriffsobjekt kann sein die Elbe mit Hamburg und dem westlichen Kanal¬
eingang bei Brunsbüttel, die Weser mit Bremen, die Jade mit Wilhelmshaven,
die Ems mit Emden, endlich Helgoland und die friesischen Inseln.

Wer einmal mit der „Cobra" von Cuxhaven nach Helgoland gefahren ist,
dem werden die an verschiedenen Stellen bald hoch, bald nur noch ganz
wenig aus dem Wasser herausragenden Masten untergegangener Schiffe nicht
entgangen sein, die zu beiden Seiten der durch das gelbe Wasser der Elbe sich
zickzackartig hindurchschlängclnden, schmalen Fahrwasserrinne zu sehen sind. Sie
alle trieb der in der Elbe bis zu drei Sekundennietern in der Stunde in ver¬
schiedener Richtung Setzende starke Strom; die häufig dort stehende schwere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/115>, abgerufen am 29.04.2024.