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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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William James'
Angriff auf das deutsche Geisteswesen
von Privatdozent Dr. Günther Jacoby

William James, geboren 1842, gestorben am 26. August 1910, führender
amerikanischer Philosoph und Psychologe, war Professor an der Harvard-
Universität, Durch sein Eintreten für den Pragmatismus wurde diese
in Europa als spezifisch amerikanisch betrachtete Philosophie in weiteren
K Die Schriftltg, reisen bekannt,

DM
^> W<! illiam James' Bedeutung für das gegenwärtige geistige Leben in
Amerika kann kaum überschätzt werden. Vom Ostrande bis zum
fernen Westen der Vereinigten Staaten ist James eine der volks-
! tunlichster Gestalten der Gegenwart. Menschlich eine Verkörperung
der Güte, war er zu seinen Lebzeiten der Liebling der Gebildeten
und ist heute fast ihr Heiliger. Daher ist auch sein Urteil für viele amerikanische
Kreise schlechthin maßgebend und hat selbst an den höchsten Lehranstalten der
Vereinigten Staaten großen Einfluß. Unter diesen Umständen kann es uns
keineswegs gleichgültig sein, daß William James es sich zur ausgesprochenen
Aufgabe machte, den Einfluß der deutschen Philosophie und Psychologie in den
Vereinigten Staaten wie in England mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln
zu bekämpfen. Dem nachfolgenden Aufsatz liegt eine Rede zugrunde, die den
Zweck hatte, die deutschen Kreise Amerikas auf die hier drohende Gefahr hin¬
zuweisen.*) In der Annahme, daß auch die deutsche Heimat den gegenwärtigen
Aufgaben der deutschen Philosophie in Amerika ihre Anteilnahme schenken werde,
habe ich mich entschlossen, die ursprünglich für deutsch-amerikanische Kreise
bestimmte Rede in leicht veränderter Form hier zu veröffentlichen.--

Als ich vor anderthalb Jahren eine kurze Schrift zur Einführung des
Pragmatismus in Deutschland veröffentlichte/*) antwortete mir William James,
er habe mit seinem Pragmatismus auf Deutschland niemals gerechnet. "Ich
hätte nie geglaubt," so schrieb er, "daß in Deutschland je etwas anderes




*) Die Rede wurde in Boston, New York und Chicago gehalten.
Verlag von Dürr, Leipzig 1909.
Grenzboten I 1912Is


William James'
Angriff auf das deutsche Geisteswesen
von Privatdozent Dr. Günther Jacoby

William James, geboren 1842, gestorben am 26. August 1910, führender
amerikanischer Philosoph und Psychologe, war Professor an der Harvard-
Universität, Durch sein Eintreten für den Pragmatismus wurde diese
in Europa als spezifisch amerikanisch betrachtete Philosophie in weiteren
K Die Schriftltg, reisen bekannt,

DM
^> W<! illiam James' Bedeutung für das gegenwärtige geistige Leben in
Amerika kann kaum überschätzt werden. Vom Ostrande bis zum
fernen Westen der Vereinigten Staaten ist James eine der volks-
! tunlichster Gestalten der Gegenwart. Menschlich eine Verkörperung
der Güte, war er zu seinen Lebzeiten der Liebling der Gebildeten
und ist heute fast ihr Heiliger. Daher ist auch sein Urteil für viele amerikanische
Kreise schlechthin maßgebend und hat selbst an den höchsten Lehranstalten der
Vereinigten Staaten großen Einfluß. Unter diesen Umständen kann es uns
keineswegs gleichgültig sein, daß William James es sich zur ausgesprochenen
Aufgabe machte, den Einfluß der deutschen Philosophie und Psychologie in den
Vereinigten Staaten wie in England mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln
zu bekämpfen. Dem nachfolgenden Aufsatz liegt eine Rede zugrunde, die den
Zweck hatte, die deutschen Kreise Amerikas auf die hier drohende Gefahr hin¬
zuweisen.*) In der Annahme, daß auch die deutsche Heimat den gegenwärtigen
Aufgaben der deutschen Philosophie in Amerika ihre Anteilnahme schenken werde,
habe ich mich entschlossen, die ursprünglich für deutsch-amerikanische Kreise
bestimmte Rede in leicht veränderter Form hier zu veröffentlichen.--

Als ich vor anderthalb Jahren eine kurze Schrift zur Einführung des
Pragmatismus in Deutschland veröffentlichte/*) antwortete mir William James,
er habe mit seinem Pragmatismus auf Deutschland niemals gerechnet. „Ich
hätte nie geglaubt," so schrieb er, „daß in Deutschland je etwas anderes




*) Die Rede wurde in Boston, New York und Chicago gehalten.
Verlag von Dürr, Leipzig 1909.
Grenzboten I 1912Is
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[0121] [Abbildung] William James' Angriff auf das deutsche Geisteswesen von Privatdozent Dr. Günther Jacoby William James, geboren 1842, gestorben am 26. August 1910, führender amerikanischer Philosoph und Psychologe, war Professor an der Harvard- Universität, Durch sein Eintreten für den Pragmatismus wurde diese in Europa als spezifisch amerikanisch betrachtete Philosophie in weiteren K Die Schriftltg, reisen bekannt, DM ^> W<! illiam James' Bedeutung für das gegenwärtige geistige Leben in Amerika kann kaum überschätzt werden. Vom Ostrande bis zum fernen Westen der Vereinigten Staaten ist James eine der volks- ! tunlichster Gestalten der Gegenwart. Menschlich eine Verkörperung der Güte, war er zu seinen Lebzeiten der Liebling der Gebildeten und ist heute fast ihr Heiliger. Daher ist auch sein Urteil für viele amerikanische Kreise schlechthin maßgebend und hat selbst an den höchsten Lehranstalten der Vereinigten Staaten großen Einfluß. Unter diesen Umständen kann es uns keineswegs gleichgültig sein, daß William James es sich zur ausgesprochenen Aufgabe machte, den Einfluß der deutschen Philosophie und Psychologie in den Vereinigten Staaten wie in England mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen. Dem nachfolgenden Aufsatz liegt eine Rede zugrunde, die den Zweck hatte, die deutschen Kreise Amerikas auf die hier drohende Gefahr hin¬ zuweisen.*) In der Annahme, daß auch die deutsche Heimat den gegenwärtigen Aufgaben der deutschen Philosophie in Amerika ihre Anteilnahme schenken werde, habe ich mich entschlossen, die ursprünglich für deutsch-amerikanische Kreise bestimmte Rede in leicht veränderter Form hier zu veröffentlichen.-- Als ich vor anderthalb Jahren eine kurze Schrift zur Einführung des Pragmatismus in Deutschland veröffentlichte/*) antwortete mir William James, er habe mit seinem Pragmatismus auf Deutschland niemals gerechnet. „Ich hätte nie geglaubt," so schrieb er, „daß in Deutschland je etwas anderes *) Die Rede wurde in Boston, New York und Chicago gehalten. Verlag von Dürr, Leipzig 1909. Grenzboten I 1912Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/121>, abgerufen am 29.04.2024.