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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Probleme des Industriebezirks

ausdrückende Menschenschlag erschien ihm ungesund, er erschien ihm zum mindesten
als "schwächlich". Aber James irrte hier zweifellos. Leibniz, Kant, Goethe,
Schiller, Fichte, Hegel, Hartmann, Wundt, Gucken waren und sind nicht nur
keine schwachen, sondern gerade hervorragend starke Menschen. James tut immer
so, als ob Philosophie als Weltanschauung ein Zufluchtsort für kranke Seelen
wäre. Wenn man aber auf die Tatsachen sieht, erkennt man sofort, daß diese
Weltanschauungen vielmehr Kraftspeicher für übersprudelnd starke Seelen sind, denen
das Alltagsbild jenes Durchschnittsbewußtsein, das vom Volk "gesunder Sinn"
getauft wird, nicht mehr genügt; die sich ihr eigenes Haus in der Welt bauen
und von dort aus ihre Kraftquellen hinaussenden in alle Welt. Solche Menschen
waren die Griechen in der Blütezeit ihres Lebens. Solcher Art waren die
Kraftnaturen der Renaissance. Solcher Art sind seit zwei Jahrhunderten die
Deutschen gewesen. Und mit freudigem Stolz dürfen wir sagen: Es ist eine
Lust, mit solchen Männern zu leben. --

Die Frage, ob englische oder deutsche Philosophie, ist für die Fortentwicklung
des amerikanischen Geisteslebens wichtiger als es zunächst scheint. Welche
Richtung das amerikanische Denken in Zukunft einschlagen wird, läßt sich heute
schwer ausmalen. Jedenfalls aber liegen hier deutsche Kulturaufgaben, die nur
allzu leicht übersehen werden. Vielleicht tragen diese Zeilen an ihrem kleinen
Teile dazu bei, die Anteilnahme weiterer Kreise an dem Schicksale der deutschen
Philosophie in Amerika zu fördern.




Probleme des Industriebezirks
von Regierungsrat Alfred ZVilkc
2. Das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk*)

it berechtigtem Stolze blicken unsere Städte auf die günstige
Entwicklung ihrer Schlachthäuser, Straßenbahnen, Gas-, Wasser-
und Elektrizitätswerke, an deren Übernahme sie meist zagend
herangegangen sind, und die trotz aller Prophezeiungen über die
UnWirtschaftlichkeit und Unzulänglichkeit öffentlichen Betriebes nicht
bloß technisch Vorzügliches leisten, sondern auch den Stadtkassen hohe Überschüsse
liefern. Die gesteigerte Zuversicht hat ihren Ausdruck gefunden in dem kühnen



") Der Aufsatz wurde bereits im Mai 1911 geschrieben, berücksichtigt somit die übrigens
nicht sehr zahlreiche neueste Literatur nicht- In Ur. 13 von 1911 wurde von demselben Autor
die Wohnungsfrage im Jndustriebezirk behandelt. Die Schriftltg.
Probleme des Industriebezirks

ausdrückende Menschenschlag erschien ihm ungesund, er erschien ihm zum mindesten
als „schwächlich". Aber James irrte hier zweifellos. Leibniz, Kant, Goethe,
Schiller, Fichte, Hegel, Hartmann, Wundt, Gucken waren und sind nicht nur
keine schwachen, sondern gerade hervorragend starke Menschen. James tut immer
so, als ob Philosophie als Weltanschauung ein Zufluchtsort für kranke Seelen
wäre. Wenn man aber auf die Tatsachen sieht, erkennt man sofort, daß diese
Weltanschauungen vielmehr Kraftspeicher für übersprudelnd starke Seelen sind, denen
das Alltagsbild jenes Durchschnittsbewußtsein, das vom Volk „gesunder Sinn"
getauft wird, nicht mehr genügt; die sich ihr eigenes Haus in der Welt bauen
und von dort aus ihre Kraftquellen hinaussenden in alle Welt. Solche Menschen
waren die Griechen in der Blütezeit ihres Lebens. Solcher Art waren die
Kraftnaturen der Renaissance. Solcher Art sind seit zwei Jahrhunderten die
Deutschen gewesen. Und mit freudigem Stolz dürfen wir sagen: Es ist eine
Lust, mit solchen Männern zu leben. —

Die Frage, ob englische oder deutsche Philosophie, ist für die Fortentwicklung
des amerikanischen Geisteslebens wichtiger als es zunächst scheint. Welche
Richtung das amerikanische Denken in Zukunft einschlagen wird, läßt sich heute
schwer ausmalen. Jedenfalls aber liegen hier deutsche Kulturaufgaben, die nur
allzu leicht übersehen werden. Vielleicht tragen diese Zeilen an ihrem kleinen
Teile dazu bei, die Anteilnahme weiterer Kreise an dem Schicksale der deutschen
Philosophie in Amerika zu fördern.




Probleme des Industriebezirks
von Regierungsrat Alfred ZVilkc
2. Das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk*)

it berechtigtem Stolze blicken unsere Städte auf die günstige
Entwicklung ihrer Schlachthäuser, Straßenbahnen, Gas-, Wasser-
und Elektrizitätswerke, an deren Übernahme sie meist zagend
herangegangen sind, und die trotz aller Prophezeiungen über die
UnWirtschaftlichkeit und Unzulänglichkeit öffentlichen Betriebes nicht
bloß technisch Vorzügliches leisten, sondern auch den Stadtkassen hohe Überschüsse
liefern. Die gesteigerte Zuversicht hat ihren Ausdruck gefunden in dem kühnen



") Der Aufsatz wurde bereits im Mai 1911 geschrieben, berücksichtigt somit die übrigens
nicht sehr zahlreiche neueste Literatur nicht- In Ur. 13 von 1911 wurde von demselben Autor
die Wohnungsfrage im Jndustriebezirk behandelt. Die Schriftltg.
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[0232] Probleme des Industriebezirks ausdrückende Menschenschlag erschien ihm ungesund, er erschien ihm zum mindesten als „schwächlich". Aber James irrte hier zweifellos. Leibniz, Kant, Goethe, Schiller, Fichte, Hegel, Hartmann, Wundt, Gucken waren und sind nicht nur keine schwachen, sondern gerade hervorragend starke Menschen. James tut immer so, als ob Philosophie als Weltanschauung ein Zufluchtsort für kranke Seelen wäre. Wenn man aber auf die Tatsachen sieht, erkennt man sofort, daß diese Weltanschauungen vielmehr Kraftspeicher für übersprudelnd starke Seelen sind, denen das Alltagsbild jenes Durchschnittsbewußtsein, das vom Volk „gesunder Sinn" getauft wird, nicht mehr genügt; die sich ihr eigenes Haus in der Welt bauen und von dort aus ihre Kraftquellen hinaussenden in alle Welt. Solche Menschen waren die Griechen in der Blütezeit ihres Lebens. Solcher Art waren die Kraftnaturen der Renaissance. Solcher Art sind seit zwei Jahrhunderten die Deutschen gewesen. Und mit freudigem Stolz dürfen wir sagen: Es ist eine Lust, mit solchen Männern zu leben. — Die Frage, ob englische oder deutsche Philosophie, ist für die Fortentwicklung des amerikanischen Geisteslebens wichtiger als es zunächst scheint. Welche Richtung das amerikanische Denken in Zukunft einschlagen wird, läßt sich heute schwer ausmalen. Jedenfalls aber liegen hier deutsche Kulturaufgaben, die nur allzu leicht übersehen werden. Vielleicht tragen diese Zeilen an ihrem kleinen Teile dazu bei, die Anteilnahme weiterer Kreise an dem Schicksale der deutschen Philosophie in Amerika zu fördern. Probleme des Industriebezirks von Regierungsrat Alfred ZVilkc 2. Das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk*) it berechtigtem Stolze blicken unsere Städte auf die günstige Entwicklung ihrer Schlachthäuser, Straßenbahnen, Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke, an deren Übernahme sie meist zagend herangegangen sind, und die trotz aller Prophezeiungen über die UnWirtschaftlichkeit und Unzulänglichkeit öffentlichen Betriebes nicht bloß technisch Vorzügliches leisten, sondern auch den Stadtkassen hohe Überschüsse liefern. Die gesteigerte Zuversicht hat ihren Ausdruck gefunden in dem kühnen ") Der Aufsatz wurde bereits im Mai 1911 geschrieben, berücksichtigt somit die übrigens nicht sehr zahlreiche neueste Literatur nicht- In Ur. 13 von 1911 wurde von demselben Autor die Wohnungsfrage im Jndustriebezirk behandelt. Die Schriftltg.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/232>, abgerufen am 29.04.2024.